Studie mit Handlungsempfehlungen

Deutsche Schulen, globale Bildung

Thema

Deutsche Auslandsschulen

Herausgeberschaft

Weltverband Deutscher Auslandsschulen

Autoren/Autorinnen

Albrecht Wolfmeyer, unter Mitarbeit von Leah Schrimpf

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung

Literaturangabe

Weltverband Deutscher Auslandsschulen (Hrsg.): Deutsche Schulen, Globale Bildung. Beitrag der Deutschen Auslandsschulen zum Triple Win. Berlin 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland spielt das Thema Fachkräftemigration eine wichtige Rolle. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Fachkräftemigration zu erhöhen, sollte Deutschland auf die Potenziale der Deutschen Auslandsschulen aufbauen, so die Auffassung der Bertelsmann Stiftung.

In mehr als 70 Ländern vermitteln 140 anerkannte Deutsche Auslandsschulen Bildung vom Kindergarten bis zum Abitur. Die Deutschen Auslandsschulen werden weltweit von etwa 82.000 Schülerinnen und Schülern besucht, es unterrichten dort mehr als 8.000 Lehrkräfte. Im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sollen die Deutschen Auslandsschulen verschiedene Aufgaben erfüllen: die deutsche Sprache und Kultur fördern, die Begegnung mit der Kultur und Gesellschaft des Sitzlandes ermöglichen, die schulische Versorgung deutscher Kinder im Ausland gewährleisten und den Studien- und Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Die Deutschen Auslandsschulen werden privat getragen und öffentlich gefördert: Die freien Schulträger – in der Regel gemeinnützige Schulvereine – erwirtschaften im Durchschnitt 70 Prozent der Schulhaushalte über Schulgelder und Spenden in Eigenverantwortung, rund 30 Prozent stammen aus Mitteln des Schulfonds des Auswärtigen Amtes.

Eine Grundannahme der Publikation ist, dass die Deutschen Auslandsschulen eine besonders große Bedeutung für die Fachkräftemigration und -qualifizierung haben. Diese Schlussfolgerung ergebe sich vor allem aus einer neuen Perspektive auf Arbeitsmigration, die vom Triple Win-Paradigma geprägt ist: Demnach sollte Fachkräftemigration unter ethischen Gesichtspunkten vor allem dann gefördert werden, wenn sie zu einem dreifachen Nutzen führt und nicht nur den Einwanderungsländern, die Fachkräfte brauchen, sondern auch den Migrantinnen und Migranten selbst und ihren Herkunftsländern Vorteile bringt. Als Voraussetzung für einen „Triple Win“ wird die enge Kooperation zwischen Herkunftsländern und Zielländern im Migrationszyklus betrachtet.

Die Deutschen Auslandsschulen könnten diese Kooperation im Sinne eines dreifachen Nutzens umsetzen:

  • Die Herkunftsländer profitieren, weil die Schulen auch Einheimischen exzellente Bildungschancen bieten.
  • Die Menschen in den Herkunftsländern profitieren, weil das Erlernen der deutschen Sprache ihnen Chancen für die Fortsetzung ihres Bildungs- und Karriereweges in Deutschland ermöglicht.
  • Deutschland als Einwanderungsland profitiert, weil die ausländischen Absolventinnen und Absolventen Deutscher Auslandsschulen über anschlussfähige Abschlüsse für den Hochschulzugang in Deutschland verfügen und dank ihrer Deutschkenntnisse und ihres Wissens über das Land und seine Kultur hervorragende Voraussetzungen für eine gelingende Integration mitbringen.

Bisher gibt es relativ wenig empirische Analysen über die Bildungswege der Absolventinnen und Absolventen Deutscher Auslandsschulen. Um hier mehr empirische Erkenntnisse zu gewinnen, insbesondere in Bezug auf das Triple Win-Potenzial Deutscher Auslandsschulen, hat die Bertelsmann Stiftung eine Studie des Weltverbandes Deutscher Auslandsschulen e.V. (WDA) gefördert. Es handelte sich um eine Befragung aus drei Teilen: einer Online-Befragung von 135 ehrenamtlichen und hauptamtlichen Führungskräften – überwiegend Schulleitungen sowie Vorstände – an 96 Deutschen Auslandsschulen weltweit, einer Online-Befragung von 908 Absolventen und Absolventinnen der Deutschen Auslandsschulen weltweit, sechs qualitativer Interviews mit Absolventinnen und Absolventinnen sowie Experten und Expertinnen.

Die wissenschaftliche Beratung übernahm Prof. Dr. Matthias Weiter, Humboldt-Universität zu Berlin. hopp Marktforschung Berlin führte die Befragungen im Zeitraum Januar bis März 2017 durch und übernahm auch die Auswertung. Die Bertelsmann Stiftung förderte das Projekt.

Wichtige Ergebnisse

1. Ergebnisse der Befragung

Von den Auslandsschulabsolventen bzw. -absolventinnen

  • geht etwa die Hälfte für die weitere Ausbildung nach Deutschland; dies entspricht jährlich rund 2.500 Deutsch sprechenden und mit der deutschen Kultur vertrauten jungen Menschen aus der ganzen Welt,
  • bleibt etwa ein Drittel nach einem in Deutschland absolvierten Studium oder einer Berufsausbildung in der Bundesrepublik,
  • hat etwa ein Drittel derjenigen, die im Sitzland bleiben, beruflich mit Deutschland zu tun,
  • sind in der Regel alle hoch qualifiziert und sie werden überwiegend in Berufsfeldern ausgebildet, in denen in Deutschland ein Fachkräfteengpass oder -mangel besteht,
  • nimmt etwa ein Zehntel eine Führungsposition ein, etwa ein Fünftel ist selbstständig,
  • haben etwa 60 Prozent das deutsche Abitur, viele zusätzlich ein Sprachdiplom,
  • sind die meisten mehrsprachig auf hohem Niveau, sie zeichnen sich durch Sprachkenntnisse, Abschlüsse und kulturelle Kompetenzen aus,
  • gehört etwa die Hälfte einem Alumniverein an und es sind viele beruflich oder ehrenamtlich an ihrer früheren Schule tätig (die Schulen fördern somit Netzwerke),
  • haben drei Viertel schon während ihrer Schulzeit Deutschland kennengelernt, zum Beispiel durch Schüleraustausche und Praktika.

Die Befragten sind sich darin einig, dass Deutsche Auslandsschulen einen wichtigen Beitrag zur Begegnung der Kulturen beitragen, die Schülerinnen und Schüler erfolgreich auf das Leben in einer globalisierten Welt vorbereiten und mit einen Mehrwert für den Werdegang verbunden sind.

Bei der Anerkennung von Abschlüssen und der Integration von Auslandsschulabsolventen und -absolventinnen in Deutschland gibt es aber offenbar noch Defizite, hier wird Unterstützungsbedarf gesehen.

2. Triple Win-Potenzial Deutscher Auslandsschulen

Betont wird, dass die Ergebnisse aus methodischen Gründen nur für die Schulleitungen als repräsentativ gelten können. Trotz dieser begrenzten Aussagefähigkeit zeige sich aber, dass die theoretische Hypothese des Triple Win-Potenzials Deutscher Auslandsschulen empirisch bestätigt wird: Immerhin ein Drittel der nicht deutschen Absolventinnen und Absolventen Deutscher Auslandsschulen wählt Deutschland als Studienland und entscheidet sich dabei schwerpunktmäßig für Fächer, in denen in Deutschland Fachkräfteengpässe bestehen. Nur eine Minderheit dieser Absolventinnen und Absolventen bleibt dann auch nach dem Studium in Deutschland, um hier zu leben und zu arbeiten. Insofern spreche Vieles für einen Triple Win: Die Absolventen und Absolventinnen der Auslandsschulen profitierten von den Möglichkeiten, in Deutschland zu studieren und einzuwandern, Deutschland profitiere, weil es ausländische Fachkräfte gewinne, und auch die Herkunftsländer profitieren, wenn die Absolventinnen und Absolventen mit ihrer Ausbildung zurückkehren.

Deshalb sei es sinnvoll, das Potenzial der Deutschen Auslandsschulen für die Fachkräftemigration nach Deutschland weiterzuentwickeln. Es gelte, diese Schulen zu stärken, da sie vor komplexen Herausforderungen bei der Finanzierung ihrer exzellenten Bildungsangebote stehen. Insbesondere sollten sie in ihrem Bemühen unterstützt werden, noch zugänglicher für talentierte Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Milieus in den Sitzländern zu werden.

3. Folgende Handlungsempfehlungen werden formuliert:

  • Um die Studienstandorte und den Arbeitsmarkt in Deutschland attraktiv zu halten, sollten keine Studiengebühren für Auslandsschulabsolventen und -absolventinnen erhoben werden.
  • Die Visavergabe und die Anerkennung von Abschlüssen sei zu vereinfachen, damit Bildungsbiografien mit Deutschlandbezug gefördert werden.
  • Es wäre notwendig, ein Bildungscontrolling aufzubauen: Die Kennzahlen zu Deutschen Auslandsschulen sollten erfasst, die Wertbeiträge der Schulen messbar gemacht werden.
  • Die duale Berufsbildung an Deutschen Auslandsschulen sollte ausgebaut und zugleich verstärkt für Berufsbildung in Deutschland geworben werden.
  • Auslandsschulabsolventen und -absolventinnen sollten bei ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Integration in Deutschland gezielt unterstützt werden.
  • Die Alumniarbeit sollte schulübergreifend verankert und weltweit gefördert werden.
  • Wichtig wäre auch, Stipendien für Seiteneinsteiger zu fördern.
  • Die Offenheit und Gemeinnützigkeit der Deutschen Auslandsschulen müsse gesichert werden.