Studie

Die Jugend in der Infodemie

Thema

Digitale Kompetenzen von jungen Menschen

Herausgeberschaft

Vodafone Stiftung Deutschland (Hg.)

Erscheinungsort

Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2020

Stiftungsengagement

Vodafone Stiftung Deutschland

Literaturangabe

Vodafone Stiftung Deutschland (Hg.): Die Jugend in der Infodemie. Eine repräsentative Befragung zum Umgang junger Menschen in Deutschland mit Falschnachrichten während der Coronakrise. Düsseldorf 2020.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass im Internet, über soziale Medien und Messengerdienste im Zuge der Corona-Pandemie zahllose Fehlinformationen oder Falschnachrichten (Nachrichten, die die Realität falsch darstellen oder eindeutig falsch sind) verbreitet werden (z.B. Verharmlosung des Coronavirus und Verbreitung von Verschwörungserzählungen). Neben der Pandemie – so die Weltgesundheitsorganisation WHO – grassiere eine „Infodemie“. Das Leben junger Menschen spiele sich durch die Einschränkungen während der Pandemie noch mehr als vorher im digitalen Raum ab, sodass sie von dieser Entwicklung besonders betroffen sind.

Die Vodafone Stiftung Deutschland wollte herausfinden, wie junge Menschen mit dem Thema Desinformation aktuell umgehen. In ihrem Auftrag führte Infratest dimap Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung mbH im September 2020 eine Online-Befragung unter Jugendlichen durch. Die Stichprobe umfasste 2.064 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren. Die Grundgesamtheit für die Befragung bildeten deutschsprachige Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren in Privathaushalten in Deutschland ab, die das Internet nutzen.

Wichtige Ergebnisse

Wichtige Ergebnisse

1. Häufiger und wachsender Kontakt mit Falschnachrichten

Die große Mehrheit (76 Prozent) der 14- bis 24-Jährigen in Deutschland sieht mindestens einmal pro Woche Falschnachrichten/Fake News online oder in sozialen Medien (50 Prozent mehr als 2018). Zudem hat sich die Zahl derjenigen, die mehrmals täglich auf Falschnachrichten stoßen, in diesem Zeitraum fast verdoppelt.

2. Langsam wachsende Kompetenzen und soziale Unterschiede beim Erkennen von Falschnachrichten

Mit der stärkeren Verbreitung von Falschnachrichten geht nur eine langsam wachsende Kompetenz im Umgang mit Desinformation einher. Zwei Drittel (66 Prozent) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlen sich sicher darin, Falschnachrichten als solche zu erkennen. Ein Drittel (34 Prozent) der jungen Menschen traut sich aber nach wie vor nicht zu, die Glaubwürdigkeit von Nachrichten gut einzuschätzen – bei jungen Menschen mit formal niedrigem Bildungshintergrund sind es fast 40 Prozent. Bei dieser Kompetenz spielt das Hintergrundwissen eine entscheidende Rolle. Junge Menschen, die sich häufiger zu politischen Themen informieren, fühlen sich daher auch deutlich sicherer darin, Falschnachrichten erkennen zu können.

3. Zunahme von Falschnachrichten in der Corona-Pandemie und sinkende Sicherheit beim Erkennen dieser Nachrichten

Seit Beginn der Corona-Pandemie beobachtet die Mehrheit (73 Prozent) junger Menschen, dass sich zunehmend mehr Falschnachrichten verbreiten. Die vielfältige und häufig wechselnde Nachrichtenlage in Zusammenhang mit der Pandemie macht es jungen Menschen dabei schwerer als bei anderen Themen, glaubwürdige von unglaubwürdigen Informationen zu unterscheiden.

4. Kontakt der meisten jungen Menschen mit Falschaussagen in Zusammenhang mit der Pandemie

Die meisten jungen Menschen haben bereits selbst gängige Falschaussagen oder Verschwörungserzählungen in Zusammenhang mit der Pandemie wahrgenommen, wie etwa, dass es das Virus gar nicht gebe oder von Bill Gates erfunden worden sei.

5. Einfluss des Bildungshintergrunds auf die Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt von Falschaussagen über die Corona-Pandemie

Überwiegend werden Falschaussagen über die Pandemie sicher als falsch identifiziert. Je niedriger der formale Bildungshintergrund der Befragten, desto eher sind diese sich über den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen allerdings unsicher.

6. Assoziationen mit „Fake News“ sind eng mit digitalen Inhalten und betrügerischen Absichten verbunden

Drei Viertel der jungen Menschen assoziieren mit dem Begriff Falschnachrichten vor allem digitale Inhalte sowie betrügerische Absichten. Mehr als die Hälfte der Befragten verbindet den Begriff jedoch auch mit bestimmten politischen Akteuren und 45 Prozent denken dabei auch an klassische Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen.

7. Negative Auswirkungen der Verbreitung von Falschnachrichten

Die Folgen der Verbreitung von Falschnachrichten bewerten junge Menschen überwiegend negativ. Die große Mehrheit (81 Prozent) sieht darin zum Beispiel eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Aber auch die Corona-Pandemie wird nach der Ansicht der meisten jungen Menschen durch die Verbreitung von Falschnachrichten noch verschlimmert. Schließlich fühlen sich viele junge Menschen durch die Verbreitung von Falschnachrichten generell darin verunsichert, welchen Informationen sie trauen können und welchen nicht. Die Verunsicherung ist abhängig vom Bildungshintergrund (71 Prozent bei jungen Menschen mit formal niedrigem Bildungshintergrund, 42 Prozent bei jungen Menschen mit hohem formalen Bildungshintergrund).

8. Seltenes Teilen von Inhalten zum Nachrichtengeschehen

Obwohl die überwiegende Mehrheit (81 Prozent) junger Menschen angibt, soziale Medien mehr als eine Stunde pro Tag zu nutzen, teilen Jugendliche und junge Erwachsene Beiträge über politische Themen oder das Nachrichtengeschehen eher selten.

9. Vorsichtiges und teilweise geprüftes Teilen von Beiträgen zum Nachrichtengeschehen

Die Mehrheit (72 Prozent) derjenigen, die politische Inhalte aktiv teilen, verhält sich nach eigenen Angaben dabei eher umsichtig und teilt vor allem Inhalte aus Quellen, denen sie vertraut. Immerhin etwa vier von zehn Befragten geben an, Beiträge zudem meist auf Richtigkeit zu prüfen, bevor sie sie weiterleiten, und fast ebenso viele schreiben in der Regel dazu, wenn sie von der Richtigkeit eines Beitrags nicht überzeugt sind. Zur Verbreitung von Falschnachrichten mit politischen Inhalten scheinen junge Menschen daher eher wenig beizutragen.

10. Engagement gegen Falschnachrichten

Etwa ein Drittel (36 Prozent) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist bei einer Nachricht, die offensichtlich falsch war, schon einmal aktiv geworden und hat die Nachricht anhand einer anderen Quelle geprüft, die Absenderin oder den Absender gesperrt oder eine Gegen- oder Richtigstellung verschickt. Etwa ein Fünftel derjenigen, die aktiv geworden sind, hat die Melde- oder Beschwerdemöglichkeiten der Plattformen genutzt. Die Meldungen bei den Plattformen haben aber häufig keine Folgen: In fast der Hälfte der Fälle ist entweder nichts passiert oder die Betroffenen haben nicht einmal eine Antwort auf ihre Meldung bekommen.

11. Unterstützung beim Erkennen von Falschnachrichten

Junge Menschen wünschen sich Unterstützung dabei, Falschnachrichten zu erkennen. Hier sehen sie vor allem Bildungseinrichtungen und Journalistinnen und Journalisten in der Verantwortung.

12. Falschnachrichten als gewünschter Pflichtstoff in der Schule

Junge  Menschen wünschen sich auch, dass das Thema Desinformation einen festen Platz in den Lehrplänen der Schulen bekommt. Die große Mehrheit der Befragten (85 Prozent) stimmt dem Vorschlag zu, dass das Thema verpflichtender Inhalt in einem einzelnen Fach wie Politik oder Gesellschaftskunde sein sollte. 74 Prozent könnten sich das Thema Falschnachrichten auch als verpflichtenden Inhalt in anderen Fächern vorstellen.

13. Falschnachrichten als Thema in der Schule

Nur 30 Prozent der befragten jungen Menschen sagten, dass das Thema Falschnachrichten in der Schule behandelt wurde. Jugendliche, die mehrheitlich die Schule noch besuchen, geben häufiger an, das Thema im Unterricht durchgenommen zu haben, als junge Erwachsene, die die Schule meist bereits verlassen haben. Die Entwicklung scheint somit in die richtige Richtung zu gehen. Als problematisch erscheint, dass bei jungen Menschen mit formal niedrigerem Bildungshintergrund das Thema seltener im Unterricht vorkommt als bei jenen mit formal hohem Bildungshintergrund. Somit erhalten gerade diejenigen, die die größte Unsicherheit im Umgang mit Falschnachrichten zeigen, am wenigsten Unterstützung.

Fazit

Festgestellt wird, dass die Demokratie auf gut informierte Bürgerinnen und Bürger ebenso angewiesen ist wie auf das Vertrauen in politische Akteure und Medien. Beides werde durch Desinformation und Falschnachrichten untergraben. In der Schule müsse daher bei allen Schülerinnen und Schülern die Basis dafür gelegt werden, sich in der digitalen Nachrichtenflut kompetent zu bewegen.