Studie

Digitale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen

Thema

Nutzung von Online-Medien durch Kinder und Jugendliche

Herausgeberschaft

Deutsche Telekom Stiftung (Hg.)

Erscheinungsort

Bonn/Hamburg

Erscheinungsjahr

2020

Stiftungsengagement

Deutsche Telekom Stiftung

Literaturangabe

Deutsche Telekom Stiftung/Leibniz Institut für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut: Digitale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Eine Teilstudie zur „EU Kids Online“-Befragung in Deutschland 2019, Bonn/Hamburg 2020.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

In dem europäischen Forschungsverbund „EU Kids Online“ untersuchen Wissenschaftler*innen die Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere Häufigkeit und Dauer sowie ihre Kompetenzen im Umgang mit den Informationen aus dem Internet. Im Rahmen von EU Kids Online wurde 2019 zum zweiten Mal international vergleichend untersucht, wie Heranwachsende digitale Medien nutzen. Die Gesamtstudie in Deutschland wurde ermöglicht durch UNICEF, die Deutsche Telekom Stiftung, den Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest und die Niedersächsische Landesmedienanstalt.

In einem Zusatzmodul zur repräsentativen „EU Kids Online“-Befragung 2019 ist das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut der Frage nachgegangen, inwieweit Kinder und Jugendliche digitale Medien nutzen, um sich gesellschaftlich zu beteiligen. Die Deutsche Telekom Stiftung hat diese Teilstudie ermöglicht. Dafür wurden 2019 deutschlandweit 1.044 Kinder und Jugendliche und je ein Elternteil befragt. „Digitale Teilhabe“ folgt dabei einem weiten Begriffsverständnis.

Digitale Teilhabe wurde in drei Schritten untersucht:

  • Zunächst standen die verschiedenen Formen der Online-Nutzung im Fokus und somit die Art und Weise, wie sich Kinder und Jugendliche mit anderen Menschen und der Gesellschaft in Beziehung setzen – spielerisch oder unterhaltungsorientiert, mit gezieltem politischem Interesse oder eher beiläufig.
  • Als weiterer Aspekt digitaler Teilhabe wurde die Nutzung aktueller Nachrichten über gesellschaftlich relevante Themen in den Blick genommen und untersucht, wie sich die Heranwachsenden über solche Themen informieren und welche Rolle dabei digitale Medien spielen.
  • Schließlich betrachteten die Forscher*innen konkrete Erscheinungsformen gesellschaftlicher Partizipation, etwa die Teilnahme an politischen Diskussionen oder Bewegungen.
  • Zusätzlich wurde erhoben, welche Unterstützung sich Kinder und Jugendliche für ihre digitale Teilhabe selbst wünschen.

Aus den Ergebnissen leitet die Telekom Stiftung, die die Teilstudie finanziert hat, Handlungsansätze für verschiedene Altersgruppen ab.

Wichtige Ergebnisse

Wichtige Ergebnisse der Befragung

Wie nutzen 9- bis 17-Jährige Online-Medien?

Nach eigener Einschätzung sind die 9- bis 17-Jährigen täglich im Durchschnitt 2,4 Stunden online – vor allem per Smartphone. Je älter die Kinder und Jugendlichen sind, desto größer ist ihr Repertoire an Online-Aktivitäten, die mit verschiedenen Aspekten von Teilhabe verbunden sind, etwa der Suche nach Informationen über Arbeits- oder Studienmöglichkeiten oder der Teilnahme an politischen Diskussionen. In der gesamten Altersspanne haben die Forscher*innen anhand der Befragungsdaten fünf Typen von Nutzer*innen identifiziert, die sich in ihren Interessensschwerpunkten – Unterhaltung, Spiele, Kommunikation, Information – teils stark voneinander unterscheiden.

Typ 1: „Spielorientierte Wenignutzer“

  • wenig interessiert an unterhaltenden und informativen Aktivitäten
  • 1,5 Stunden/Tag online
  • Durchschnittsalter: 10,8 Jahre
  • trifft auf die Hälfte der Altersgruppe 9 bis 11 Jahre zu
  • Jungen leicht überrepräsentiert

Typ 2: „Spiel- und Unterhaltungsorientierte“

  • überdurchschnittliche Nutzung von Online-Spielen
  • wenig interessiert an kommunikativen Aktivitäten
  • 2,7 Stunden/Tag online
  • Durchschnittsalter: 13,7 Jahre
  • Jungen überrepräsentiert

Typ 3: „Nichtinteraktive Wenignutzer“

  • vor allem interessiert an unterhaltenden und informativen Aktivitäten
  • 1,9 Stunden/Tag online
  • Durchschnittsalter: 12,7 Jahre
  • Mädchen deutlich überrepräsentiert

Typ 4: „Kommunikations- und Unterhaltungsorientierte“

  • wenig Interesse an Information
  • 3,3 Stunden/Tag online
  • Durchschnittsalter: 14,4 Jahre
  • Mädchen leicht überrepräsentiert

Typ 5: „Informations- und Kommunikationsorientierte“

  • breitestes Aktivitätenrepertoire
  • 2,9 Stunden/Tag online
  • Durchschnittsalter: 14,7 Jahre
  • Jungen und Mädchen zu gleichen Teilen vertreten

Wie informieren sich 9- bis 17-Jährige über die Welt?

  • Das Nachrichteninteresse ist bei den 9- bis 17-Jährigen insgesamt (noch) gering ausgeprägt, steigt aber mit zunehmendem Alter. Das Interesse gilt vor allem den „Soft News“, also Nachrichten über Stars, Lifestyle-Berichte und lustige oder sonderbare Nachrichten.
  • 69 Prozent aller Befragten geben an, in der letzten Woche Fernsehnachrichten gesehen zu haben, gut 40 Prozent haben Nachrichten über soziale Netzwerke genutzt, 28 Prozent im Radio. Im Schnitt haben sie zwei Nachrichtenquellen genutzt.
  • WhatsApp (55 Prozent), YouTube (49 Prozent), Facebook (38 Prozent) und Instagram (34 Prozent) sind die Online-Plattformen, die die Befragten nach eigenen Angaben nutzen, um Nachrichten zu finden, zu lesen, anzusehen, zu teilen oder zu diskutieren.

Wie beteiligen sich 9- bis 17-Jährige sich an zivilgesellschaftlichen Diskussionen?

  • Niedrigschwellige Formen der Partizipation wie das Bewerten und Liken (36 Prozent), Kommentieren (28 Prozent) oder Teilen (14 Prozent) einer Nachricht in sozialen Netzwerken spielen eine größere Rolle als Partizipationsformen, die mehr Eigeninitiative voraussetzen. Die persönliche Kommunikation über aktuelle Nachrichten in der Peer-Gruppe (36 Prozent) ist die häufigste Partizipationsform.
  • Die befragten Kinder und Jugendlichen schätzen ihr Wissen über Politik und das aktuelle Weltgeschehen tendenziell eher gering ein. Gleiches gilt für das Gefühl, Einfluss auf das politische Geschehen nehmen zu können.
  • Diejenigen, die das Internet verstärkt zur Informationssuche nutzen und entsprechend auch häufiger mit Nachrichten in Kontakt kommen, haben eher den Eindruck, sich in der Politik auszukennen und auf politische Vorgänge Einfluss nehmen zu können.

Welche Unterstützung wünschen sich 9- bis 17-Jährige für ihre digitale Teilhabe?

  • Unterstützung wünschen sich die Kinder und Jugendlichen etwa bei der Unterscheidung von echten und falschen Nachrichten („Fake News“) (22 Prozent), beim Teilen persönlicher Informationen im Internet (17 Prozent) oder dabei, anderen zu helfen, wenn sie mitbekommen, dass diese online belästigt werden (16 Prozent).
  • 13 Prozent möchten Rat, wie sie sich online über politische Themen informieren können, 9 Prozent, wie sie sich online politisch engagieren können.

Handlungsansätze für verschiedene Altersgruppen

Um die gesellschaftliche Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu fördern, empfehlen die Forscher*innen altersdifferenzierte Unterstützungsangebote. Ausgehend von den jeweils bevorzugten Online-Aktivitäten werden folgende Maßnahmen zur Unterstützung der verschiedenen Altersgruppen empfohlen:

9- bis 11-Jährige:

  • interessante gesellschaftliche und politische Themen für die Altersgruppe identifizieren
  • das Online-Aktivitätenrepertoire um aktive, partizipative Nutzungsformen erweitern
  • Beteiligungsmöglichkeiten (online/offline) sowie mögliche Konsequenzen aufzeigen
  • Beteiligungsansätze unterstützen und begleiten

12- bis 14-Jährige:

  • Interesse für politische Themen wecken und politische Selbstwirksamkeit reflektieren
  • für unterschiedliche zivilgesellschaftliche Online-Beteiligungsformen sowie deren Reichweite und Wirkung sensibilisieren
  • Beteiligungsansätze beratend unterstützen und begleiten

15- bis 17-Jährige:

  • ihr Spektrum an Beteiligungsmöglichkeiten (offline/online) erweitern
  • bei der Organisation von eigenen Beteiligungsaktivitäten unterstützen

Die Unterstützungsangebote sollten vor allem auf diejenigen Kindern und Jugendliche gerichtet sein, die nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügen, ein sehr geringes politisches Bewusstsein oder eine geringe politische Selbstwirksamkeitserfahrung haben.