Studie mit Handlungsempfehlungen

Digitales Lehren und Lernen

Thema

Digitale Bildung in Schulen

Herausgeberschaft

Georg Eckert Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung

Autoren/Autorinnen

Annekatrin Bock/Larissa Probst

Erscheinungsort

Braunschweig

Erscheinungsjahr

2018

Stiftungsengagement

Bürgerstiftung Braunschweig

Literaturangabe

Annekatrin Bock/Larissa Probst: Digitales Lehren und Lernen.
Wissenschaftliche Begleitforschung zur Einführung mobiler Endgeräte in Niedersächsischen Schulklassen der Sek I/ Level 2 ISCED Eckert. Hrsg. v. Georg Eckert Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung. Dossiers 19 (2018). urn:nbn:de:0220‐2018‐0041.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie der Unterricht an Schulen mit digitalen Medien auf geeignete Weise befördert werden kann.

Das Georg-Eckert-Institut, Leibniz‐Institut für internationale Schulbuchforschung, hat fünf Jahre die Einführung mobiler Endgeräte an einem Niedersächsischen Gymnasium wissenschaftlich begleitet.

Als Ganztagsgymnasium unterrichtet die untersuchte Schule gegenwärtig an zwei Standorten rund 800 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II. Dabei hat sie langjährige Erfahrungen bei der technischen und fachlichen Implementierung von digitalen Medien und versteht sich als Medienschule. Ihr Medienkonzept enthält vier Leitsätze, die als Grundlage für das schulische Medienhandeln dienen. Diese zielen darauf ab, den Schülerinnen und Schülern in Bezug auf digitale Medien möglichst gleiche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und dabei gleichzeitig die schulische Weiterentwicklung im Blick zu haben. Ausgehend vom Strategiepapier der Kultusministerkonferenz zu „Bildung in der digitalen Welt“ und den in Lehrplänen vorgegebenen Richtlinien zu digitalen Kompetenzen, will die Schule im Sinne von Bildungsgerechtigkeit allen Schülerinnen und Schülern medienkompetenten Umgang mit mobilen Geräten ermöglichen. Dabei soll der jahrgangsweite Einsatz digitaler Medien allen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrpersonen helfen, gemeinsam mögliche Unterschiede in der Medienkompetenz zu überwinden. Ziel der Schule ist es, die Schülerinnen und Schüler durch die Förderung digitaler Kompetenzen für den Arbeitsmarkt zu befähigen und auf das Leben in der digital geprägten Welt vorzubereiten.

Während in der ersten Phase der Begleitforschung im Projekt „Elektronische Medien im Unterricht“ (2012–2014) die technischen Gegebenheiten und Erwartungen der Lehrkräfte untersucht wurden, stand in der zweiten Phase „Mobiles Lernen in der interaktiven Schule“ (2014–2015) die Verwendung der Geräte im Fachunterricht im Mittelpunkt. In den ersten beiden Jahren der Forschung dominierten die Sorgen der Lehrerinnen und Lehrer bezüglich der Einführung neuer Technik. Das dritte und vierte Jahr der Forschung fokussierte den Fachunterricht in Sprachen sowie in gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächern. In den Untersuchungen wurde besonders darauf geachtet, wie die Notebooks im Unterricht eingesetzt wurden.

In der sich anschließenden dritten Phase, im Projekt „Digitales Lehren und Lernen“ (2017–2018) erfolgte aufbauend auf den Ergebnissen der zwei Vorgängerstudien eine weitere thematische Verdichtung. Die Untersuchung konzentrierte sich in den Unterrichtsbeobachtungen auf die verwendeten digitalen Bildungsmedien und die Praktiken, die mit der Verwendung der mobilen Endgeräte verknüpft sind. Besonderes Interesse galt den Erfahrungen und Einschätzungen der Lehrenden, Eltern, Schülerinnen und Schüler bei der jahrgangsweiten Einführung von 2in1-Geräten.

Die Forschungsfragen lauteten:

  • Welche Anwendungsbeispiele für die mobilen Endgeräte lassen sich im Fachunterricht beobachten?
  • In welcher Relation steht der Einsatz mobiler Endgeräte zur Schulbuchverwendung?
  • Welche Perspektiven der unterschiedlichen Nutzungsgruppen auf die Geräteeinführung und -verwendung zeichnen sich ab?

Gefördert wurde die Langzeitstudie von der Bürgerstiftung Braunschweig. Es wurden Schulleitung und Lehrende interviewt, der Unterricht mit und ohne mobile Endgeräte beobachtet, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zu ihren Erfahrungen bei der Verwendung digitaler Medien befragt. Das vorliegende Dossier beschreibt zunächst die Entwicklung der begleiteten Schule zu einer Medienschule und deren spezifische, aktuelle Situation, dann werden Fragestellung und methodische Umsetzung erläutert sowie die zentralen Ergebnisse der dritten Phase der Begleitforschung zusammengefasst. Nach der Ergebnisdarstellung werden Handlungsimplikationen für Bildungspolitik und Bildungspraxis sowie für die Nutzerinnen und Nutzer formuliert.

Wichtige Ergebnisse

Ergebnisse der Studie

1. Lehrkräfte: Einsatz mobiler Endgeräte im Unterricht

Die interviewten Lehrkräfte sehen die Potenziale zum Einsatz mobiler Endgeräte im Unterricht vor allem in zwei Bereichen: bei der Unterrichtsvorbereitung und -umsetzung und beim Lernen der Schülerinnen und Schüler. Beide Aspekte wurden von den Interviewten in Bezug auf Mehrwert, Mehraufwand und Motivationspotenzial für die Schülerinnen und Schüler bewertet. Die Lehrenden haben dabei die Chancen und Herausforderungen des Geräteeinsatzes gegeneinander abgewogen.

Unterrichtsvorbereitung und -umsetzung:

Nach Ansicht der Befragten haben mobile Endgeräte gegenüber etablierten Unterrichtsmedien den Vorteil, dass mit ihnen ortsunabhängig und punktuell auch während kurzer Zeitfenster im Unterricht gearbeitet werden kann, ohne dafür „extra in den Computerraum“ gehen zu müssen. Kleine Recherche- und Übungsaufträge seien so in den Unterrichtsablauf integrierbar. Als positiv schätzen die Lehrenden die Verwendung mobiler Endgeräte dann ein, wenn sie den Unterricht sinnvoll unterstützen und etwas ermöglichen können, was mit analogen Bildungsmedien nicht möglich ist. Die Geräte werden auch dann als bereichernd für den Unterricht empfunden, wenn unkompliziert und ressourcenschonend (keine Folien-/Kopierkosten o. ä.) Fotos, Grafiken oder Statistiken aus aktuellen, online verfügbaren Quellen für die Veranschaulichung des Unterrichtsthemas eingesetzt werden können.

Die Frage nach dem Mehrwert der mobilen Endgeräte wird von den Lehrenden oft an die Einschätzung des Mehraufwandes für die Unterrichtsvorbereitung geknüpft, der sich aus den Herausforderungen der Raumsituation und der technischen Infrastruktur ergibt (unterschiedliche Ausstattung der Räume, Zuverlässigkeit von WLAN, Funktionsfähigkeit/Nutzbarkeit der Geräte). Die Lehrpersonen geben an, meist darauf vorbereitet zu sein, dass die Technik nicht funktioniert. Deshalb werde die Vorbereitung eher als Mehraufwand empfunden, weil Unterrichtsszenarien mit und ohne Geräte gewissermaßen doppelt vorbereitet werden müssen.

Alle Nutzungsgruppen (Lehrende, Eltern, Schülerinnen und Schüler) kritisieren die bisher verwendeten digitalen Schulbücher sehr stark. Der Mehrwert der Verwendung digitaler Bücher würde sich aus Sicht der Lehrenden erst dadurch ergeben, dass Verlinkungen zu anderen Bildern, Videos oder Dateien möglich sind. Bisher seien die mobilen Endgeräte aber häufig noch Abspielgeräte für statische, PDF-ähnliche Versionen von Schulbüchern, was als umständlich und langwierig empfunden wird, da die Schülerinnen und Schüler deutlich schneller analoge Schulbuchseiten aufschlagen könnten. Probleme entstünden teilweise durch mangelnden Internetzugriff, aber auch dadurch, dass jeder Verlag ein anderes Verfahren des Online-Zugangs hat. Dadurch werden analoge Schulbücher den digitalen häufig vorgezogen.

Potenziale digitaler Medien für das Lernen der Schülerinnen und Schüler:

Die Lehrenden äußern zum Teil den Eindruck, dass die Schülerinnen und Schüler im Laufe des mehrjährigen Forschungsprojekts zunehmend besser mit bestimmten Programmen wie Präsentationssoftware umgehen konnten. Das Lernen habe sich durch den Einsatz mobiler Geräte verändert. Eine Verwendung der 2in1-Geräte hätte den Vorteil, dass Schülerinnen und Schüler frühzeitig und selbstverständlich mit digitalen Medien in der Schule „groß werden“. Im Sprachunterricht könnten die 2in1-Geräte zum Beispiel beim Schreiben, Übersetzen und Vokabeln sortieren gut unterstützen. Die Lösch- und Textbearbeitungsoptionen (Formatierung, Layout) ermöglichten schöne Schrift- und Tafelbilder, die für die Ergebnissicherung der Unterrichtsstunde und die Nachbereitung (Vokabeln lernen, Grammatikregeln nachvollziehen) eine wichtige Grundlage darstellen. Auch für gesellschaftswissenschaftliche Fächer betonen Lehrende die Vorteile der 2in1-Geräte-Verwendung: Der Internetzugang ermögliche prinzipiell den Einbezug vieler Quellen und Zusatzmaterialien, die multiperspektivische und multimodale Einblicke in Unterrichtsthemen erlauben. So ließen sich Text-, Audio- oder Filmbeispiele aus der aktuellen Medienberichterstattung, aber auch Statistiken oder Bildmaterial öffentlicher Einrichtungen (z.B. Ministerien, Verbände, Repositorien) in das Unterrichtsgespräch über gesellschaftlich aktuelle und historische Themen einbeziehen. Für die Naturwissenschaften einschließlich des Mathematikunterrichts bewerten die Lehrenden die Visualisierungsoptionen der mobilen Endgeräte (zum Beispiel bei der Verwendung von Lernsoftware) als positiv für das digitale Lernen. Fächerübergreifend nutzbare Möglichkeiten digitaler Bildungsmedien sind nach Ansicht der Befragten digitale Ergebnissicherung, Lesbarkeit bzw. Schriftbildverbesserung, Multimedialität und Interaktivität sowie Visualisierung.

In Bezug auf das Motivationspotenzial der Verwendung digitaler Medien wird deutlich, dass sich in der ersten und zweiten Phase der wissenschaftlichen Begleitforschung die Motivation der Schülerinnen und Schüler zur Mitarbeit im Unterricht subjektiv verbessern ließ, während sich in der dritten Phase nach Erfahrung der Lehrkräfte erste Abnutzungseffekte zeigten bzw. die Begeisterung nachließ, wenn die Geräte monoton immer wieder für sehr ähnliche Tätigkeiten oder für Unterrichtsszenarien verwendet wurden, die den Schülerinnen und Schülern wenig interessant erschienen.

2. Unterrichtspraxis im Umgang mit mobilen Endgeräten

Unterrichtsroutinen: Die Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass einige Lehrpersonen mit den 2in1-Geräten Routinen für sich und den Unterricht etabliert haben. Bei der Ausgestaltung zeigten sich aber Unterschiede. Deutlich wurde, dass etablierte Arbeitsroutinen einerseits sowohl der Lehrperson als auch den Schülerinnen und Schülern eine selbstverständliche Nutzung der mobilen Geräte erleichtern und eine produktive Arbeitsatmosphäre befördern können. Andererseits können sie aber auch zu Langeweile führen, was dem Lernen eher abträglich ist.

Raumsituation und Infrastruktur: Die unterschiedlichen Raumausstattungen verlangen sowohl von den Schülern und Schülerinnen als auch von den Lehrpersonen, sich bei der Arbeit mit den mobilen Endgeräten auf die jeweiligen Gegebenheiten einzustellen. Da die technische Infrastruktur nicht immer verlässlich ist, brauchen Lehrende für ihren Unterricht mit digitalen Medien immer einen „Plan B“, etwa einen Datenstick oder auf dem Schulserver hinterlegtes Material. Der Schulserver als Speichermedium wurde zur Ergebnissicherung und zum Teilen von Arbeitsergebnissen in den meisten der beobachteten Unterrichtsstunden genutzt, auch wenn er nicht immer reibungslos funktionierte.

Nebeneinander von Buch und mobilen Endgeräten: Die Beobachtungen ergaben, dass es Doppelungen in Bezug auf die Arbeitsmittel der Schülerinnen und Schüler gab. In mehreren Unterrichtsstunden wurde sowohl die digitale Ausgabe der Schulbücher als auch die analoge genutzt; die analoge Version häufig, um „schnell“ etwas nachzuschlagen, die digitale Variante, um zum Beispiel Bilder oder Grafiken auszuschneiden und diese dann für Präsentationen zu nutzen. Das analoge Buch schien häufig „sicherheitshalber“ noch in der Nähe zu liegen, falls das digitale eventuell nicht aufrufbar wäre. Die Tische der Schülerinnen und Schüler wirkten durch die Unterrichtsmitteldopplung zum Teil sehr überladen und die Schülerinnen und Schüler machten oft sowohl digital als auch analog Notizen und Mitschriften.

Offenheit der Unterrichtsgestaltung: Lehrpersonen können Schülerinnen und Schülern im Umgang mit mobilen Endgeräten unterschiedliche Nutzungsszenarien im Unterricht ermöglichen, zum Beispiel bei der Informationsbeschaffung oder bei der Präsentation. Die Beobachtungen zeigten, dass Schülerinnen und Schüler in manchen Fällen eigenständig vielfältige Möglichkeiten der digitalen Medien nutzten und die Aufgabe motiviert bearbeiteten, in anderen Fällen die Öffnung des Unterrichts für individuelle Arbeitsweisen weniger gut gelang. Der Erfolg solcher offenen Unterrichtsszenarien hänge aber davon ab, wie gut die Lehrperson die Kontrolle über einzelne Arbeitsschritte abgeben kann und wie sicher sich Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler im Umgang mit den Geräten fühlen.

3. Schülerinnen und Schüler über die Verwendung von mobilen Endgeräten

Die befragten Schülerinnen und Schüler äußerten im Rahmen der Onlinebefragung in den offenen Antworten Unzufriedenheit mit der bisherigen Verwendung der 2in1-Geräte. Diese würden bisher nur selten im Unterricht eingesetzt und dabei meist einseitig für bestimmte Office-Anwendungen und Onlinerecherche genutzt. Einige der Schülerinnen und Schüler formulieren das Bedürfnis, stärker eigenverantwortlich mit den Geräten umgehen zu dürfen, zum Beispiel selber entscheiden zu können, ob sie handschriftliche oder digitale Notizen machen. Auch wird der Wunsch nach Möglichkeiten zu mehr kreativen Tätigkeiten im Unterricht deutlich, wie zum Beispiel Bild- oder Videobearbeitung. Die Schülerinnen und Schüler wünschen sich zudem mehr Unterstützung durch die Lehrenden bei technischen Pannen mit den Geräten. Doch schätzen sie die Medienkompetenz der Lehrenden als eher gering ein. Oft könnten Mitschülerinnen und Mitschüler besser helfen als die Lehrperson. Ein Teil der befragten Schülerinnen und Schüler schlägt daher zu diesem Thema Fortbildungen und Workshops für die Lehrenden vor.

Auch der Kostenfaktor der 2in1-Geräte wurde thematisiert: Der Preis im Verhältnis zur Qualität und Nutzungshäufigkeit der Geräte wurde als zu teuer eingeschätzt. Zudem formulierten die Befragten harsche Kritik an den digitalen Schulbüchern, deren Nutzung mit einem umständlichen, langwierigen Freischaltungsverfahren verbunden sei, an dessen Ende die Bücher dann nur online nutzbar seien. Insbesondere wenn der Zugang zum Internet nicht ohne weiteres möglich ist, könnten die Schülerinnen und Schüler nur langsam bzw. gar nicht mit den digitalen Büchern arbeiten. Unbequem sei auch die Arbeit mit den Büchern auf den zuweilen kleinen Anzeigeflächen.

4. Perspektive der Eltern auf den Einsatz von mobilen Endgeräten

Die befragten Eltern wünschen sich durch frühzeitigere Informationen, Wahlmöglichkeiten und Mitsprache in Bezug auf die jahrgangsweite Einführung der 2in1-Geräte, besser in den Implementierungsprozess einbezogen zu werden – auch um die Option zu haben, gegebenenfalls eine andere Schule für das eigene Kind zu wählen. Eltern, die das Medienkonzept der Schule unterstützen, äußern den Wunsch nach stärkerer Verbindlichkeit der Gerätenutzung für das digitale Lehren und Lernen. Die Schülerinnen und Schüler sollten entsprechende Kompetenzen im Umgang mit den Geräten erwerben. Grundkenntnisse und Basiswissen zu Technik und Software sollten von den Lehrenden im Unterricht an die Schülerinnen und Schüler vermittelt werden. Auch erwarten die Eltern, dass die Lehrpersonen künftig durch Fortbildungen oder Workshops besser dazu befähigt werden, mit den mobilen Endgeräten im Unterricht zu arbeiten.

Den Kostenfaktor der Geräte thematisieren die Eltern auf unterschiedliche Weise. So wird unter anderem in Frage gestellt, ob die Schule in Bezug auf das Preis-LeistungsVerhältnis der Geräte gut beraten wurde. Andere Eltern wollten sich überhaupt nicht oder nur teilweise an den Anschaffungskosten beteiligen.

Erwartungen der Nutzungsgruppen an Veränderungen

  • Wunsch nach Struktur 
  • Wunsch nach technischem Support und verlässlicher Infrastruktur 
  • Wunsch nach Schulungen 
  • Erwartungen an Nutzungshäufigkeit der Geräte und digitale Schulbücher 

Dimensionen der Nutzung mobiler Endgeräte im Unterricht

Als „Teilmenge“ von digitalen Bildungsmedien sind mobile Endgeräte in drei Dimensionen zu begreifen:

  • Infrastruktur/Hardware,
  • Inhalte/Software,
  • Verwendung/Werkzeug.

Die Autorinnen betonen, dass erst die sinnvolle Kombination aus Hard- und Software aus den mobilen Endgeräten geeignete Werkzeuge für das digitale Lehren und Lernen macht. Nur wenn Hard- und Software aufeinander abgestimmt funktionieren, hätten die Nutzerinnen und Nutzer vielfältige Möglichkeiten für die Verwendung in der Unterrichtspraxis. Die jeweiligen Bildungsakteure (Politik, Schulträger, Lehrende, Lernende, Eltern) können unterschiedlich stark Einfluss auf die jeweiligen Dimensionen der Nutzung mobiler Geräte nehmen. Während der Schulträger vor allem die Rahmenbedingungen setze, welche Infrastruktur in den Klassenräumen zur Verfügung steht, beschäftige sich die Bildungspolitik mit der Frage, welche Impulse sie für die zukünftige Ausgestaltung der Inhalte setzen möchte. Zudem seien auf Länderebene Fragen der Lehrkräfteausbildung und Schulung im Umgang mit digitalen Medien verortet. Wie die Verwendung und der Umgang mit den mobilen Endgeräten im Fachunterricht gestaltet wird, liege vor allem an den Personen, die mit den Bildungsmedieninhalten lehren und lernen.

Handlungsimplikationen

Wenn die Implementierung von mobilen Endgeräten im Unterricht künftig unterstützt werden soll, sollten nach den Ergebnissen der Studie zwei zentrale Bereiche besonders fokussiert werden:

  • zum einen die Rahmenbedingungen für die Nutzung von mobilen Endgeräten durch Bildungspolitik und Schulträger, die Personalentscheidungen, Infrastruktur und Hardwareanschaffungen verantworten.
  • zum anderen die inhaltliche Umsetzung des Lehren und Lernens mit digitalen Bildungsmedien durch die Lehrenden, indem sie die Inhalte und konkreten Anwendungsszenarien im Unterricht oder zu Hause gestalten.

Empfehlungen für Bildungspolitik und Schulträger:

  • Mediale Infrastruktur: Die technische Infrastruktur/Hardware und Inhalte/Software der Schule sollten so gestaltet sein, dass sich die Lehrkräfte auf die Vermittlung von Unterrichtsinhalten fokussieren können, ohne von technischen Herausforderungen, die außerhalb ihres Handlungsspielraums liegen, vereinnahmt zu werden. Dafür brauche es in Bezug auf Infrastruktur/Hardware eine funktionsfähige IT-Infrastruktur inklusive verlässlichem Support sowie die umfassende Versorgung mit mobilen Endgeräten und Bildungsmedieninhalten. Zudem sollte die Bildungspolitik die Verantwortlichkeiten für Hard- und Software klären sowie die Ressourcenverteilung und Bündelung von Expertise aufeinander abstimmen.
  • IT-Infrastruktur und -Support: Notwendig sei eine verlässliche IT-Infrastruktur, die durch belastbaren WLAN-Zugriff, digitale Projektionsmöglichkeiten und Wiedergabegeräte ebenso gekennzeichnet ist wie die fortwährende Betreuung der Strukturen in Form von IT-Support, der unmittelbar und verlässlich für die Nutzerinnen und Nutzer zur Verfügung steht. In Deutschland könnten auf Länder- und Bundesebene bereits erprobte Cloud-Lösungen der nächste Schritt sein, um IT-Infrastruktur und -Support sinnvoll zu bündeln. Grundgedanke dabei sei, die „Rechner“ und deren Administration aus der Schule herauszulösen. IT-Infrastruktur und Support werde dann nicht von den Lehrenden neben ihrer Arbeit als Lehrperson erledigt, sondern von ausgebildeten IT-Fachleuten. Die Lehrenden, Schülerinnen und Schüler würden dann lediglich mit Ein- bzw. Wiedergabegeräten die zentral zur Verfügung gestellte Infrastruktur nutzen, um orts- und zeitunabhängig im Unterricht oder zu Hause mit digitalen Bildungsmedien arbeiten zu können.
  • Raumausstattung: Perspektivisch sollten Schulen und deren Räume auf die Verwendung von digitalen Medien ausgerichtet werden. Dazu gehören die Bereitstellung von ausreichend Projektionsmöglichkeiten, Strom- und WLAN-Versorgung, aber auch die Gestaltung der Klassenräume als Begegnungsorte, die flexibel an Lehr- und Lernbedürfnisse angepasst werden können. Die Räume sollten mit Arbeitsinseln für Projekt- und Gruppenarbeit, mit mobilen Wänden und ergonomischen Möbeln ausgestattet sein. Schulen sollten langfristig als Orte konzipiert werden, an denen digitale Medien selbstverständlich in den Schulalltag und die dortigen Lernumgebungen eingebunden sind. Dies erfordere auch geeignete bauliche Maßnahmen.
  • Ausstattung mit mobilen Endgeräten: Für digitales Lehren und Lernen brauche es bildungsgerechten Zugang zu mobilen Endgeräten für die Schülerinnen und Schüler. Die Potenziale digitaler Medien für die Entwicklung digitaler Kompetenzen könnten nur ausgeschöpft werden, wenn alle Schülerinnen und Schüler unabhängig vom sozio-ökonomischen Status der Eltern gleichermaßen Zugang zu gleichwertigen, mobilen Endgeräten erhalten. Die Bildungspolitik müsse hier Schulen und Eltern bei der Auswahl geeigneter Geräte ebenso unterstützen wie bei der Suche nach bildungsgerechten Finanzierungsmodellen.
  • Produktion von Bildungsmedien für mobile Endgeräte: Für die zukünftige Produktion von Schulbüchern müsse das Format der Displays von 2in1-Geräten berücksichtigt werden. Große Schulbuchübersichtsseiten müssten „kleiner“ bzw. vernetzt und modulartig gedacht und konzipiert sein (u.a. Verlinkung von Text- Bild- und Filmmaterial, intuitives Zoomen und Navigieren). Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler wünschen sich qualitativ hochwertige, technisch einfach nutzbare digitale Bildungsmedien. Bildungspolitik und -praxis sollten eine Richtung vorgeben, welche digitalen Bildungsmedieninhalte und -formate perspektivisch für die Schule gewünscht sind. Die Verlage und Start-Ups verfügen prinzipiell über die Produktionsexpertise, bedürften jedoch eines Wegweisers und konkreter Impulse, um sich stärker im Markt für digitale Bildungsmedien mit entsprechend innovativen Produkten zu engagieren.
  • Klärung der Verantwortlichkeiten für Hardware und Software: Bisher würden im schulischen Kontext die finanziellen Verantwortlichkeiten in den Bundesländern weitestgehend ausgehandelt. Wer für Lehrmittel-, Lernmittel und Raumausstattung bzw. Infrastruktur zahlt, sei geregelt und meist problemlos abzugrenzen und aufzuteilen. Das Schulbuch als Lernmittel werde aus anderer Hand bezahlt als Tafel und Kreide. Mit den mobilen Endgeräten würden nun Verantwortlichkeiten für Infrastruktur/Hardware und Inhalte/Software zusammenfallen, da die Geräte im Kern beides vereinen. Die Verantwortlichen müssten klare Regelungen dafür finden, wer mobile Endgeräte anschafft, wartet und dafür haftet bzw. wer für die technische Ausstattung der Räume mit Abspielmöglichkeiten sowie WLAN-Zugang verantwortlich ist.
  • Ressourcenverteilung: Mit der Verteilung von Verantwortlichkeiten gehe auch die Aushandlung der Ressourcen für Schulen einher. Gelder, die bisher für Anschaffungen von Lerninfrastruktur, Lehr- und Lernmitteln aufgewendet wurden, würden perspektivisch für die Anschaffung von mobilen Endgeräten einschließlich der Software und Bildungsmedieninhalten eingesetzt werden. Hier brauche es zukünftig Verteilschlüssel, die die Gleichzeitigkeit mobiler Endgeräte als Hard- und Software bzw. Lehr- und Lernmittel sowie Lerninfrastruktur entsprechend berücksichtigen.
  • Bündelung von Expertise: Aufgrund der Rahmungen, die das dezentrale Bildungssystem setzt, müssten viele Pilotschulen, die den Einsatz mobiler Endgeräte im Unterricht erproben, für ähnliche Herausforderungen und Fragen eigenständig nach Antworten suchen. Dies binde immense Ressourcen der beteiligten Institutionen, die für die Ausgestaltung von Unterricht mit digitalen Medien verwendet werden könnten. Die Bildungspolitik sollte Schulen dabei unterstützen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Konkret bedeute dies, jene zentralen Stellen zu stärken, die Schulen zu den Fragen der technischen Implementierung von Hard- und Software beraten. Solche bundes- oder länderweiten Anlaufstellen würden perspektivisch gemeinsam – aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen der Begleitforschungen zu Pilotschulen und beraten durch Fachleute – eine Step-by-step-Agenda zur Einführung mobiler Endgeräte für die unterschiedlichen Schulformen erarbeiten und an die interessierten Medienschulen kommunizieren.

Empfehlungen für die Nutzerinnen und Nutzer

  • Etablierte Strukturen bestehender Bildungseinrichtungen nutzen: Bei der Implementierung von mobilen Endgeräten bedürfe es fundierter Unterstützung, damit sich das schulische Personal auf sein Kerngeschäft konzentrieren kann. Die Etablierung von verlässlichen Kooperationen zwischen Schulen und bestehenden Bildungseinrichtungen sollte hierfür aktiv unterstützt und gefördert werden. So ließen sich beispielsweise bestehende Strukturen sowie Schulungs- und Beratungsangebote für den Umgang mit digitalen Medien von öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen (Universitäten, Bibliotheken, Rechenzentren) im Umfeld der Schulen aktiv anfragen und nutzen. Auch könnten Lerntandems von Lehrkräften und Lehramtsstudierenden gebildet werden, Lehrende an Weiterbildungen für Hochschuldozierende teilnehmen oder Beratungsstrukturen von anderen Bildungseinrichtungen genutzt werden.
  • Auf die Stärken der mobilen Endgeräte fokussieren: Mobile Endgeräte sind durch Hardware (u. a. Kamera, Mikrofon) und Software (u. a. Bildbearbeitungsapplikationen) sehr gut ausgerüstet, um Erlerntes zu synthetisieren und zu visualisieren. Ziel für den Umgang der Nutzerinnen und Nutzer mit den mobilen Endgeräten sollte daher sein, die Stärken dieser Geräte als Werkzeuge besser zu nutzen. Möglichkeiten der Aufnahme von Audio- und Bildmaterial und deren Bearbeitung gehörten ebenso dazu wie die schnelle Verarbeitung von großen Text- und Datenmengen, aber auch die unkomplizierte, langfristige Wiederverwendbarkeit der Unterrichtsergebnisse.
  • Unterrichtsroutinen etablieren: Es bedürfe zeitnah einer strategisch gut vorbereiteten Einbindung digitaler Bildungsmedien in den Unterricht und damit verknüpft den forcierten Ausbau pädagogisch-didaktisch sinnvoller Verwendungsszenarien und Arbeitsroutinen. Ziel für die Implementierung der mobilen Endgeräte sollte für Schule, Lehrende, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern sein, gemeinsame Arbeitsroutinen für die Verwendung der Geräte zu festigen. Routinen im Umgang mit den mobilen Endgeräten würden eine verlässliche Infrastruktur voraussetzen und Zeit für die Etablierung benötigen. Langfristig ermöglichten sie aber eine Entlastung der Lehrenden, weil nicht von Tag zu Tag neu überlegt werden muss, auf welche Weise mobile Endgeräte den Unterricht unterstützen können.
  • Prozess durch Kommunikation und Moderation begleiten: Die Implementierung von Technologien sei immer ein Wandlungsprozess, dessen Erfolg nicht garantiert ist. Das Gelingen sei auch bei Vorliegen guter struktureller Voraussetzungen und bewährter technischer Lösungen auf die Bereitschaft der Nutzerinnen und Nutzer für Veränderung angewiesen. Diese Bereitschaft müsse vorbereitet und durch Begleitmaßnahmen während des Wandlungsprozesses abgestimmt und moderiert werden. Gezielte Kommunikation mit allen Nutzungsgruppen, mit ausreichend Vorlauf vor und während der technischen Implementierung, aber auch mit den Akteuren und Akteurinnen, die den Rahmen für die Verwendung der mobilen Endgeräte setzen, sei dabei von zentraler Bedeutung.

Nach Ansicht der Autorinnen sollten die Maßnahmen darauf abzielen, Schulen zunächst so auszustatten, dass sie Unterricht mit digitalen Medien so umsetzen können wie mit analogen Medien. Dies sei der erste – allerdings zwingend notwendige – Schritt, um digitales Lehren und Lernen zu ermöglichen. Wenn die strukturelle Ausgangsbasis geschaffen ist und die Nutzerinnen und Nutzer mobiler Endgeräte ganz selbstverständlich mit den Geräten umgehen können, würden die erforderlichen Kapazitäten frei werden, um neue, zukunftsträchtige digitale Lehr- und Lernszenarien zu entwickeln und umzusetzen. Die Bildungspolitik und -praxis habe die Aufgabe, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.