Projektbericht

Digitalisierung. Vom Buzz Word zur zivilgesellschaftlichen Praxis

Thema

Digitalisierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen

Herausgeberschaft

Stiftung Bürgermut

Autoren/Autorinnen

Henrik Flor/Louise Buscham/Paul Raphael Stadelhofer

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2019

Stiftungsengagement

Stiftung Bürgermut, Robert Bosch Stiftung

Literaturangabe

Stiftung Bürgermut (Hrsg.): Digitalisierung. Vom Buzz Word zur zivilgesellschaftlichen Praxis. Berlin 2019.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass Deutschland über eine starke Zivilgesellschaft mit zahlreichen Vereinen, Stiftungen und Bürgerinitiativen verfügt, die Ausdruck eines lebendigen bürgerschaftlichen Engagements sind. Ein manko sei jedoch, dass die zivilgesellschaftlichen Organisationen häufig noch nicht die vielfältigen Potenziale der Digitalisierung nutzen. Die digitalen Möglichkeiten bestehen zum Beispiel darin, den Wissenszugang zu erleichtern, neue Räume der Kreativität und Interaktion zu eröffnen, neue Formen der Kommunikation und Partizipation zu ermöglichen, die Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern und interne Abläufe in Organisationen effizienter zu gestalten.

Um Vereine, Stiftungen und gGmbHs im digitalen Wandel zu unterstützen, fördert die Robert Bosch Stiftung den Austausch zivilgesellschaftlicher Organisationen untereinander und stellt Angebote für die Organisationsentwicklung im digitalen Wandel bereit. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass der digitale Wandel die Zivilgesellschaft vor große Herausforderungen stellt: Die sinnvolle Nutzung der neuen Möglichkeiten erfordere neben einer geeigneten Infrastruktur auch Organisationsentwicklung, neue Kompetenzen und kulturelle Veränderungen sowie ein strategisches Verständnis Chancen, Risiken und Grenzen.

Diese Themen nahm die Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit der Stiftung Bürgermut zum Anlass, im Juni 2017 das erste openTransfer CAMP #Digitalisierung in Berlin zu veranstalten. Weitere Barcamps in Stuttgart und Dresden folgten.

Das Programm openTransfer der Stiftung Bürgermut führt seit 2012 verschiedene Formate durch, in denen sich bürgerschaftliche Initiativen, etablierte Non-Profits, Social-Start-ups und einzelne Engagierte vernetzen, Know-how austauschen und zum Transfer von Projekten angeregt werden. Dazu gehören Veranstaltungen (z.B. Barcamps), Qualifizierungen (z.B. Workshops und Webinare), der Blog openTransfer.de, ein Marktplatz für Projektideen sowie ein Accelerator (zur Förderung von Geschäftsideen). Ziel ist es, zur schnelleren Verbreitung von kreativen und erfolgreichen Lösungen beizutragen und den Austausch und die Zusammenarbeit von Praktikerinnen und Praktikern zu unterstützen.

Bei den drei openTransfer CAMPs zum Thema Digitalisierung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Fragen rund um den digitalen Wandel in der Zivilgesellschaft auszutauschen, dabei neue Tools, Ideen und Modelle zu entdecken und Kooperationen zu planen. Bei den offenen Workshops konnten die Teilnehmenden die Inhalte selbst vorschlagen und auswählen. Einige der diskutierten Fragen waren:

  • Wie können wir fair im Netz diskutieren?
  • Wie kann man sich gegen neugierige Programme und Websites abschirmen?
  • Wie gelingt die Umsetzung von Digitalprojekten in der eigenen Organisation?
  • Welche Rolle spielt eine Digitalstrategie?

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und die Robert Bosch Stiftung förderten die Veranstaltungen. Im gleichen Zeitraum wurden in der Akademie von openTransfer verschiedene Webinare zu denjenigen Bereichen des digitalen Wandels durchgeführt, die besonders relevant für Non-Profit-Organisationen sind, etwa Barrierefreiheit im Netz, digitale Tools, Datenschutz, Datenanalyse und Hate Speech.

Mit der vorliegenden Publikation der Stiftung Bürgermut werden für zivilgesellschaftliche Organisationen Anregungen aus drei Barcamps und weitere Ideen zusammengefasst und zugänglich gemacht. Ziel ist eine Zivilgesellschaft, die durch die Digitalisierung gestärkt wird und den digitalen Wandel im Sinne der Gesellschaft mitgestaltet.

Der Sammelband enthält Beiträge zu den Themenfeldern

  • Digitalisierung der Organisation,
  • Erhöhung der Wirkung durch digitale Möglichkeiten,
  • Mitreden und Mitgestalten.

Wichtige Ergebnisse

Ausgewählte Ergebnisse

Empfehlungen für eine Digitalstrategie

Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten die Chancen der Digitalisierung erkennen und die neuen technologischen Möglichkeiten zu ihrem Vorteil nutzen. Der Schlüssel zum Erfolg liege nicht nur in der Einführung von Tools und neuen Technologien. Vielmehr sei ein gut strukturierter strategischer Ansatz notwendig, der sowohl von der Führungsebene als auch von den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen wird. Digitaler Wandel könne dann erfolgreich gestaltet werden, wenn er Schritt für Schritt, konsequent und strategisch in die Kultur und Prozesse der Gesamtorganisation integriert wird. Er sollte als Kulturwandel verstanden werden. 

Empfohlene Schritte auf dem Weg zur digitalen Strategie:

  • Schritt 1: Vision schärfen und Ziele setzen
  • Schritt 2: Wirkungslogik hinterfragen und Kennzahlen definieren
  • Schritt 3: Relevante Stakeholder einbeziehen
  • Schritt 4: Meilensteinplan entwickeln

Potenziale der Zivilgesellschaft im digitalen Wandel

  • Lernfähigkeit: In der Zivilgesellschaft seien bereits digitale Kompetenzen vorhanden, doch seien diese sehr ungleich verteilt. Ein großer Teil der Akteure stehe noch vor dem Aufbau eigener Expertise, andere Akteure würden digitale Skills schon erfolgreich umsetzen. Hier könnten Organisationen des Dritten Sektors auch voneinander lernen.
  • Grundprinzip Kooperation: Die Zivilgesellschaft sei sehr viel stärker auf Kooperation ausgerichtet als andere Bereiche. Dies schaffe eine gute Basis für den Austausch von Ressourcen und das gemeinsame Verfolgen von Zielen.
  • Mobilisierungspotenzial: Die Zivilgesellschaft habe eine lange Geschichte der Mobilisierung. So gebe es zum Beispiel schon längst digitale Plattformen, die sich darauf spezialisiert haben, zivilgesellschaftliche Positionen zu verbreiten und Unterstützerinnen und Unterstützer zu koordinieren. Darauf könne aufgebaut werden.
  • Lokale Verwurzelung: Die zahlreichen Vereine, Initiativen, Stiftungen und Verbände seien durch eine große Bürgernähe gekennzeichnet – schließlich würden sie sich aus Bürgerinnen und Bürger zusammensetzen und seien auch meist im Lokalen stark verankert. Sie würden die Anliegen der Menschen vor Ort gut kennen und könnten diese in Richtung Politik kommunizieren.

Ansatzpunkte für eine Zivilgesellschaft auf dem Weg in die digitale Gesellschaft

1. Vernetzen und Allianzen schmieden

Die Zivilgesellschaft habe viel Erfahrung damit, Menschen zusammenzubringen und Austausch zu organisieren. Größere Stiftungen seien zum Beispiel oft geübt darin, Foren und größere Konferenzen zu veranstalten und inhaltlich zu begleiten. Kleinere Initiativen würden sich zum Beispiel in der Nachbarschaft treffen, um gemeinsam Antworten auf existenzielle Fragen wie Wohnungsnot zu finden und sich für Veränderungen einzusetzen. Ein großes Potenzial der Zivilgesellschaft bestehe darin, sich über aktuelle Herausforderungen auszutauschen, zu gemeinsamen Positionen zu kommen und ihre Forderungen zu artikulieren.

2. Themen setzen und sprechfähig werden

Gemeinnützige Organisationen hätten eine hohe Glaubwürdigkeit, um sich für einen am Gemeinwohl orientierten digitalen Wandel einzusetzen. Zur  alltäglichen Arbeit der verbandlich organisierten Zivilgesellschaft gehöre es zum Beispiel, Themen zu setzen, für bestimmte Fragestellungen zu sensibilisieren und konkrete Forderungen zu formulieren. Im digitalen Bereich fehle es zwar häufig noch an fachlichem Know-how und Kompetenzen. Doch wenn Positionen in Richtung Öffentlichkeit oder Politik kommuniziert werden müssten, könnten zivilgesellschaftliche Organisationen schon bewährte Instrumente nutzen, zum Beispiel öffentlichkeitswirksame Kampagnen oder klassische Presse- und Zielgruppenarbeit.

3. Know-how und Wissen transferieren

Die Digitalisierung sei für zivilgesellschaftliche Organisationen ein andauernder Lernprozess. Der Transfer von Know-how und Wissen gelinge bereits punktuell innerhalb der Zivilgesellschaft. Dieser Austausch an Know-how und Wissen müsse noch weiter ausgebaut werden. Manche Organisationen müssten noch eine ausgeprägte digitale Mündigkeit erreichen, andere Organisationen digitale Innovationen entwickeln und erproben.  

4. Civic Tech entwickeln und nutzen

Unter dem Sammelbegriff Civic Tech(nology) werden digitale Anwendungen und Plattformen verstanden, die sich zum Ziel gesetzt haben, neue Beteiligungsformen und Teilhabe zu ermöglichen. Insbesondere die Interaktion von Bürgerschaft und Verwaltung oder Politik kann mithilfe von Civic Tech weiterentwickelt werden, etwa über Datenvisualisierungsprojekte oder nachbarschaftliche Tauschplattformen. Civic Tech könne der Zivilgesellschaft ein interessantes Handlungsfeld bieten, auch wenn ganz praktisch Teilhabe eingefordert werden soll. Non-Profit-Organisationen hätten die Möglichkeit, selbst Technologieprojekte zu initiieren und zu fördern, Wettbewerbe zu veranstalten oder als Türöffner in Richtung Politik und Verwaltung zu agieren.

V. Codes und Daten teilen

Das Konzept Open Source beinhaltet nicht nur die Offenlegung eines Programmiercodes, sondern auch, dass dieser Code veränderbar und diskriminierungsfrei ist. Der Open-Source-Gedanke findet sich zum Beispiel im Betriebssystem Linux, der Programmfamilie OpenOffice oder dem Lizenzierungsmodell Creative Commons (CC), mit dem auch viele gemeinnützige Organisationen arbeiten. Non-Profit-Organisationen sollten ihre Daten auch anderen Non-Profits zugänglich machen, wenn diese  davon profitieren können (mit Ausnahme explizit personenbezogener Daten). Kleinere Initiativen und einzelne Engagierte würden dies schon praktizieren, zum Beispiel beim Teilen von Umwelt- oder Geodaten.