Effektivität der Qualifizierung von Teach First Fellows

Thema

Qualifizierung von Lehrkräften

Herausgeberschaft

Gesellschaft zur Förderung Pädagogischer Forschung (GFPF)/  Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF

Autoren/Autorinnen

Hermann Josef Abs/Eva Anderson Park/Thomas Eckert

Erscheinungsort

Frankfurt am Main

Erscheinungsjahr

2016

Stiftungsengagement

Fritz Henkel Stiftung (Hauptförderer des Fellow-Programms von Teach First); weitere Stiftungen als nationale und regionale Förderer der Bildungsinitiative Teach First: Accenture Stiftung, Dietmar Hopp Stiftung, Haniel Stiftung, Reinhard Frank-Stiftung, RAG-Stiftung, Stiftung Zukunft NRW; Stiftungen als Lokalpartner: BBBank Stiftung, Hans-Günther-Adels Stiftung, Heike und Dr. Horst Hoffmann-Stiftung, Konrad-Kohlhammer-Stiftung, NOWEDA-Stiftung, Vector Stiftung; Stiftungen als Bildungsbotschafter: Homann Stiftung; Stiftungen als Kooperationspartner: Christoph-Metzelder-Stiftung, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR)

Literaturangabe

Hermann Josef Abs/Thomas Eckert/Eva Anderson-Park: Effektivität der Qualifizierung von Teach First Fellows. Abschlussbericht zur summativen Evaluation der Sommerakademie von Teach First Deutschland. Gesellschaft zur Förderung Pädagogischer Forschung; Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (Materialien zur Bildungsforschung, Bd. 34), Frankfurt am Main 2016 – URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-124697.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist die ungerechte Verteilung der Bildungschancen in Deutschland: Der Bildungserfolg und damit die Lebenschancen von Kindern sind hier stärker als in anderen OECD-Ländern von der Herkunft und dem sozioökonomischen Hintergrund abhängig. Daraus ergibt sich die Frage, wie erreicht werden kann, dass jedes Kind die bestmögliche Förderung und Unterstützung erhält, die es für einen erfolgreichen Bildungsweg benötigt.

Hier setzt die Bildungsinitiative Teach First an. Die gemeinnützige Gesellschaft setzt sich für das Recht auf Bildung und faire Chancen für alle Kinder ein, indem zusätzliche Lehrkräfte auf Zeit als Fellows (Weggefährten) an die Seite von benachteiligten Kindern und Jugendlichen gestellt werden. Diese arbeiten für einen begrenzten Zeitraum in Vollzeit an Schulen in schwierigen Umfeldern. Fellows unterstützen gemeinsam mit Lehrkräften mittels spezieller Lern- und Förderangebote Kinder und Jugendliche dabei, ihre schulischen Leistungen und ihre zukünftigen Ausbildungschancen zu verbessern sowie ihr Potenzial bestmöglich zu entfalten. Dafür werden engagierte Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen aller Fachrichtungen rekrutiert und in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt. Die Fellows absolvieren vor dem Schuleinsatz ein intensives Qualifizierungsprogramm.

Die Studie evaluiert die Ergebnisse des Qualifizierungsprogramms, das Teach First Deutschland für seine Fellows entwickelt und implementiert hat. Dabei werden insbesondere folgende Fragen untersucht:

  • Welches Wissen haben die Fellows zur Unterstützung von Lernprozessen bei der intensiven Kurzqualifizierung aufgebaut?
  • Welche Fähigkeiten zur Gestaltung von Unterricht sind festzustellen?
  • Welche Erwartungen von pädagogischer Wirksamkeit bestehen innerhalb eines halben Jahres (vor der Qualifizierung und nach Tätigkeitsbeginn)?

Die Untersuchung basiert auf einem Wirkungsmodell, das Bedingungen, Prozesse und intendierte Ergebnisse der Qualifizierung auf der institutionellen und individuellen Ebene ausdifferenziert. Die Fellows wurden im Verlauf von acht Monaten vier Mal befragt (Längsschnittdesign). Verfasst wurde die Studie von Prof. Dr. Hermann Josef Abs und Eva Anderson Park (Universität Duisburg Essen, Fakultät Bildungswissenschaften) sowie Prof. Dr. Thomas Eckert (Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Psychologie und Pädagogik).

Hauptförderer des Fellow-Programms von Teach First ist die Fritz Henkel Stiftung, weitere Stiftungen engagieren sich als nationale und regionale Förderer der Bildungsinitiative Teach First.

Wichtige Ergebnisse

Merkmale der Fellows im Qualifizierungsprogramm

Insgesamt nahmen 65 Fellows an der Studie teil. Von 46 Teilnehmenden liegen Daten aus der ersten und letzten Befragungswelle vor. Der Grund für diese Differenz liegt nicht nur in den üblichen Schwundquoten in Panelstudien, sondern auch an der Nachrekrutierung weiterer Fellows nach dem ersten Erhebungszeitpunkt. Die Fellows stammen aus einer großen Breite von Studiengängen, sie sind zu 60 Prozent weiblich und im Mittel 27,8 Jahre alt. Bei etwa einem Fünftel der Fellows verweist die Sprache in der Herkunftsfamilie auf einen Migrationshintergrund, mehr als die Hälfte hat einen Auslandsaufenthalt von mindestens einem Jahr absolviert. Über vier Fünftel der Fellows können auf Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor der Qualifizierung zurückgreifen. Weiterhin weisen die Fellows entsprechend dem strengen Auswahlverfahren überdurchschnittlich gute Noten im Abitur als auch in ihren Studienabschlüssen auf, was auf eine hohe allgemeine Leistungsfähigkeit schließen lässt.

Effekte der Qualifizierung

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Qualifizierung eindeutig funktional im Hinblick auf den intendierten Wissensaufbau ist. Die Kenntnisse der Fellows zu den Inhalten der Qualifizierung hätten sich schon im Verlauf der Online‐Beschäftigung mit den bereitgestellten Materialien verdoppelt. Auch mehrere Monate nach der Aneignungsphase sei der Wissensaufbau noch stabil. Ein paralleler Test mit Fragen aus einer großen Repräsentativbefragung von Lehramtskandidatinnen und -kandidaten zeige zudem, dass die Fellows schon zu Beginn ihrer Qualifizierung ein überdurchschnittliches Wissen zu Schule und Unterricht mitbringen und ihr pädagogisches Unterrichtswissen im gestellten Testausschnitt nach einem halben Jahr dem Wissen von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst entspricht.

Allerdings konnte ein leichter Rückgang der erwarteten Selbstwirksamkeit bei den Fellows (vor der Qualifizierung und nach den ersten Monaten im Einsatz) festgestellt werden. Auch wenn sich die Fellows insgesamt als eher wirksam empfinden, so schätzen sie insbesondere in Bezug auf Schülermotivation und Klassenführung die eigene Wirksamkeit nach einem halben Jahr etwas geringer ein. Dieser Befund stehe vermutlich mit der vertieften Erfahrung und Kenntnis der realen Bedingungen schulischer Arbeit in Zusammenhang und sei insofern nicht ungewöhnlich, so die Autoren der Studie.

Positiv habe sich hingegen im Verlauf der Qualifizierung die wahrgenommene Unterrichtskompetenz der Fellows entwickelt, die sich mehr und mehr in der Lage sehen, alltägliche Anforderungen an die Unterrichtstätigkeit gut zu erfüllen.

Bewertung des Qualifizierungsprogramms

Die Maßnahmen zur Qualifizierung von Teach First Fellows weisen bei den Fellows insgesamt eine hohe Akzeptanz auf. Dies gilt sowohl für die gewählten Formate (Online‐Campus, Präsenzphase Sommerschule, Feriencamp für Schüler MSact!, Austausch zwischen Fellows, Mentoring und Weiterbildung während des Einsatzes) als auch für die Inhalte, die Kohärenz der Materialien und die Interaktion mit den Trainerinnen und Trainern. Die mittleren Bewertungen liegen weit überwiegend im deutlich positiven Bereich.

In den offenen Antwortformaten erscheinen Hinweise auf Entwicklungspotenziale: Die Fellows sehen Optimierungsmöglichkeiten erstens in Bezug auf die theorie‐ und wissenschaftsbezogene Aufbereitung einzelner Inhalte, zweitens in Bezug auf die technische Umsetzung der Online‐Angebote und drittens in Bezug auf die Anleitung von konkreter Praxis.

Die Herausforderung für die weitere theorie‐ und wissenschaftsbezogene Optimierung der Materialien besteht nach Ansicht der Autoren darin, einer Gruppe von Universitätsabsolventinnen und Universitätsabsolventen mit heterogenen Vorerfahrungen in Bezug auf das Tätigkeitsfeld ein Angebot zu unterbreiten, das die in den jeweiligen Studienfächern ausgebildeten Aneignungsstrategien für neue Inhalte unterstützt. Hier gelte es, die Balance zwischen eingeforderter Differenzierung und Vertiefung einerseits und handlungsorientierender Klarheit andererseits zu halten.

Die von den Fellows gewünschte Entwicklung der Online‐Angebote sei relativ leicht umzusetzen. Doch sollte berücksichtigt werden, dass die Verbesserungswünsche jeweils nur von Einzelnen formuliert wurden und keinen Rückschluss auf mehrheitlich vorhandene Nutzungsgewohnheiten und ‐bereitschaften der Online‐Angebote zum Ausdruck bringen.

Die Herausforderung in Bezug auf eine konkretere Praxisanleitung bestehe darin, dass die Einsatzprofile der Fellows sehr vielfältig sind und sich nur partiell überschneiden. Hier bestünden Passungsprobleme von im Einzelfall erwünschter Standardisierung und variablen Einsatzplänen. Deshalb könnten gegenwärtig nur für Teilbereiche des Fellow‐Einsatzes stärkere Standardisierungen erprobt werden.