Studie mit Handlungsempfehlungen

Entkoppelt vom System

Thema

Übergang von Jugendlichen von der Schule in den Beruf

Herausgeberschaft

Vodafone Stiftung Deutschland

Autoren/Autorinnen

Tatjana Mögling/Frank Tillmann/Birgit Reißig

Erscheinungsort

Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Vodafone Stiftung Deutschland

Literaturangabe

Tatjana Mögling/Frank Tillmann/Birgit Reißig: Entkoppelt vom System. Jugendliche am Übergang ins junge Erwachsenenalter und Herausforderungen für Jugendhilfestrukturen. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland. Düsseldorf 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt der Studie ist, dass es den meisten Jugendlichen zwar gelingt, beim Übergang ins Erwachsenenalter ihren Bildungsweg einzuschlagen und Freiwilligendienste oder Praktika zu absolvieren, dass es aber auch eine Gruppe gibt, die an diesem Übergang scheitert: die sogenannten „entkoppelten Jugendlichen“, die aus dem Bildungssystem, der Erwerbsarbeit und allen Hilfestrukturen herauszufallen drohen. Dabei handelt es sich nach Schätzungen inzwischen um mehr als 20.000 junge Menschen, die nach Wahrnehmung der Fachkräfte aus dem Jugendbereich unter zunehmenden seelischen und psychosozialen Störungen leiden.

Im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland führte das Deutsche Jugendinstitut deshalb eine Studie durch, die zeigen kann, an welchen Punkten des Lebensverlaufs der Jugendlichen die Weichen oft falsch gestellt werden und welche Gegenmaßnahmen sinnvoll wären.

Wichtige Ergebnisse

Folgende Handlungsempfehlungen werden aus den Ergebnissen der Studie abgeleitet:

1. Die Früherkennung von Risikolagen sollte verbessert werden.

Eine wichtige Maßnahme ist nach Ansicht der Autoren die bessere Früherkennung von Risikolagen. Viele der betroffenen Jugendlichen kämen aus stark belasteten Familien, in denen sie emotionale Vernachlässigung, Verwahrlosung und Gewalt erlebt haben. Die Jugendhilfe erfahre davon meist zu spät. Deshalb sollten beispielsweise Lehrkräfte in ihrer Aus- und Fortbildung noch stärker für diese Problemlagen sensibilisiert werden. Zudem sollte an allen Schulen eine angemessene Schulsozialarbeit etabliert werden sowie ein direkter Ansprechpartner beim Jugendamt für problematische Fälle vorhanden sein.

2. Es bedarf unbürokratischerer und effektiverer Hilfestrukturen.

Wenn sich die Jugendlichen in staatlichen Hilfestrukturen befinden, sollten diese so unbürokratisch und effektiv wie möglich gestaltet werden. Die zuständigen Behörden arbeiten in der Regel nach standardisierten Vorgaben, die den brüchigen Lebensläufen und komplexen Problemlagen der „entkoppelten Jugendlichen“ nicht gerecht werden. Deshalb sollten für diese Jugendlichen künftig alle Angebote gebündelt werden, sodass sie nicht mit zu vielen Ansprechpartnerinnen und -partnern sowie Antragsverfahren konfrontiert werden, sondern aus einer Hand betreut werden können. Sozial- und Berufspädagoginnen und -pädagogen sollten ebenso wie Psychologinnen und Psychologen Angebote machen, die besonders niedrigschwellig sind und eine individuellere Beratung und Begleitung der Jugendlichen vorsehen – etwa in Form von Übergangslotsen, um ihren Weg in die Selbstständigkeit vorzubereiten.

3. Von großer Bedeutung ist die Unterstützung über das 18. Lebensjahr hinaus.

Ein besonderes Problem zeigt sich zum Zeitpunkt der Volljährigkeit: Viele der „entkoppelten Jugendlichen“ wachsen in der Obhut der Jugendhilfe auf, beispielsweise in einem Heim, und werden mit Beginn ihres 18. Lebensjahres in die formalrechtliche Selbstständigkeit und somit auch in eine eigene Wohnung entlassen, die vom Jobcenter finanziert wird. Häufig hätten die Jugendlichen aber noch nicht die persönliche Reife, um mit dieser neuen Freiheit zurechtzukommen, und sie geraten in finanzielle Schwierigkeiten, Alkohol- und Drogenprobleme. Dies verhindere eine erfolgversprechende Schul- und Berufsausbildung, aber auch die gesamte weitere Entwicklung der Jugendlichen, so die Autoren der Studie.

Da die Gefahr des Scheiterns an dieser Stelle besonders groß ist, sollte den jungen Menschen durch eine längere sozialpädagogische Begleitung und Betreuung die nötige Stabilität geboten werden, um sich gesund zu entwickeln und sich auf ihren schulischen und beruflichen Werdegang zu konzentrieren. Laut deutschem Kinder- und Jugendhilfegesetz ist dies bereits heute schon möglich. Doch werde diese Unterstützungsmöglichkeit in der Praxis noch zu selten umgesetzt, weil sie von den Kommunen finanziert werden muss, die unter hohem Kostendruck stehen. Deshalb müsse sichergestellt werden, dass den Kommunen für diesen Bereich ausreichend Finanzen zur Verfügung stehen.