Studie

Jung, sozial, digital

Thema

Digitale Teilhabe und soziales Engagement von Jugendlichen

Herausgeberschaft

Telefónica Deutschland Holding AG

Erscheinungsort

München/Berlin

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Telefónica Stiftung, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung

Literaturangabe

Jung, sozial, digital. 5 Jahre Think Big. Hrsg. v. Telefónica Deutschland Holding AG. München/Berlin 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Think Big ist ein europäisches Jugendprogramm von Telefónica. In Deutschland wird es von der Telefónica Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) gemeinsam mit O2 bundesweit umgesetzt. Das Programm unterstützt Jugendliche dabei, eigene Ideen und Projekte zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Ziel ist es, die digitale Teilhabe und das soziale Engagement von Jugendlichen mithilfe von digitalen Medien zu erhöhen und zugleich mit gezielten Angeboten ihre Medienkompetenz zu stärken.

In Deutschland ist Think Big das größte Jugendengagement-Programm: Zwischen 2011 und 2016 wurden über 90.000 Jugendliche aus allen sozialen Schichten aktiviert (47 Prozent weiblich, 53 Prozent männlich) und etwa 3.500 Projekte gefördert. Unterstützt werden die Jugendlichen mit finanziellen Mitteln und Know-how.

Die geförderten Projekte sind außerordentlich vielfältig, unter anderem digitale Plattformen, auf denen sich junge Künstlerinnen und Künstler vernetzen, ein YouTube-Kanal gegen Rassismus, eine Onlineplattform für Geflüchtete mit lokalen Informationen oder Apps, die den Schulalltag vereinfachen oder komplexe Zusammenhänge wie das Thema Börse spielerisch erklären.

Auf dem Weg zur Verwirklichung ihrer Ideen und Projekte werden die Jugendlichen von medienpädagogischen Experten und Expertinnen unterstützt, die sich insbesondere mit digitalen Medien gut auskennen. Die Jugendlichen können in Workshops oder in der Digitalwerkstatt jederzeit online wie offline Unterstützung anfragen. Sie lernen, wie sie digitale Medien zur Planung, Umsetzung und Dokumentation ihrer Projekte nutzen können und werden somit zu aktiven Produzenten und Produzentinnen.

Damit Jugendliche im Programm gute Unterstützung erhalten, arbeiten die Programmpartner von Think Big mit einem breiten Partnernetzwerk in ganz Deutschland zusammen, die die Projekte vor Ort begleiten und den Jugendlichen mit Rat zur Seite stehen. Die Jugendlichen können zudem an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen, in denen sie qualifiziert und beraten werden. Jugendliche mit Projekterfahrung geben ihre Erfahrungen auch an andere Jugendliche auf Veranstaltungen oder über die sozialen Medien weiter (Peer-to-Peer-Learning).

Es gibt vier verschiedene Think Big-Förderstufen:

Stufe 1: Auf der ersten Stufe („Lab Level“) motivieren pädagogische Fachkräfte und Peer-Coaches Jugendliche in Schulen, Jugendklubs oder bei Veranstaltungen, Ideen zu entwickeln. Dazu stellen sie laufende Projekte sowie erste digitale Tools vor, mit denen Jugendliche diese verwirklichen.

Stufe 2: Dadurch motiviert können die Jugendlichen im Programmteil „Basic“ mithilfe von einer Förderung von 400 Euro und einer Begleitung durch pädagogische und digitale Expertinnen und Experten ihre Projekte umsetzen. In der Stufe Basic kann sich grundsätzlich jeder Jugendliche zwischen 14 und 25 Jahren bewerben, der eine gemeinnützige Idee („sozial“) hat und diese auch selbst umsetzen möchte. Während der Projektumsetzung unterstützen Coaches die Jugendlichen und fördern das Projektmanagement, kommunikative Kompetenzen, die Teamzusammenarbeit entlang der eigenen Projektidee.

Stufe 3: Wer „Basic“ durchlaufen hat, der kann auf dem Level „Upgrade“ komplexere Ansätze umsetzen, wenn das Projekt einen digitalen Kern hat. Die Förderung beträgt 1.000 Euro. Zudem können alle Teilnehmenden an einem Kick-off-Workshop teilnehmen. In den zweitägigen Trainings wird die Projektidee intensiv besprochen und weiterentwickelt. Im Zentrum steht das sogenannte Business Model Canvas (BMC), mit dessen Hilfe auch professionelle Start-ups zur Marktreife gebracht werden. Jedes Upgrade-Projekt bekommt zudem einen Telefónica-Paten oder einen Mentor aus der Social-Entrepreneurship-Szene zur Seite gestellt.

Stufe 4: Das Level „Pro“ fördert sozial-digitale Projektideen, die langfristig etabliert werden sollen, etwa durch die Gründung eines gemeinnützigen Vereins. Wer ausgewählt wird, bekommt neben einer Summe von 5.000 Euro und intensivem gezielten Coaching – unter anderem in Projektmanagement und Design Thinking – einen Arbeitsplatz für acht Monate in einem Social Impact Hub, also einem Coworking Space für Sozialunternehmer und -unternehmerinnen, sowie Zugang zur Social Entrepreneurship Community.

Anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Programms wollten die Programmverantwortlichen Telefónica und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung 2016 herausfinden, inwieweit Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen. In ihrem Auftrag analysierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Medienforschung und Medienpädagogik an der TH Köln im Sommer 2016 die Wirkungsweise von Think Big. Folgende Fragen standen im Mittelpunkt:

  • Welchen Beitrag leistet das Programm für die Kompetenzentwicklung Jugendlicher in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft?
  • Wie profitieren insbesondere sozial- und bildungsbenachteiligte Jugendliche?
  • Wie knüpft das Programm an das Thema Jugendengagement 2.0 an?

Methodisch wurden qualitative Interviews (elf Jugendliche der Förderstufe Basic) mit einer quantitativen Erhebung verknüpft: Alle Think Big-Teilnehmenden, die in den jahren 2015 oder 2016 ein Projekt abgeschlossen haben, wurden mithilfe eines Online-Fragebogens kontaktiert. 100 Jugendliche antworteten (Rücklaufquote von ca. 12 Prozent). In acht weiteren Interviews wurden Jugendliche der Förderstufen Upgrade und Pro, Mitarbeitende der Digitalwerkstatt, ein Peer-Scout sowie Projektpartner vor Ort anhand strukturierter Leitfäden befragt.

Wichtige Ergebnisse

Das Programm verfolgt fünf Prinzipien:

  • Motivation: Junge Menschen sollen inspiriert und dabei unterstützt werden, ihre eigenen sozialen Ideen umzusetzen. So können sie in ihrem Umfeld etwas bewirken und werden durch ihre eigenen Interessen angetrieben.
  • Partizipation: Jugendliche und junge Erwachsene sollen selbst die Verantwortung für ihre Projekte übernehmen – unterstützt durch die Think Big Coaches und Workshops. Dadurch können sie nicht nur mitmachen und mitbestimmen, sondern auch selbst entscheiden.
  • Digitaler Fokus: Jugendliche sollen beim Erwerb digitaler Kompetenzen unterstützt werden. So können sie in der digitalen Welt besser bestehen und Wege kennenlernen, digitale Medien für soziale Zwecke einzusetzen und selbst zu Gestaltenden zu werden.
  • Vernetzung: Think Big will Jugendlichen online und offline Vernetzungsmöglichkeiten bieten, damit sie sich gemeinsam für eine gute Sache einsetzen können. So werden Austausch und voneinander lernen möglich.
  • Offenheit: Die Teilnahme steht allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen offen. Ein besonderes Anliegen ist es, Jugendliche jeder sozialen Herkunft zu erreichen bzw. besonders Jugendliche einzubeziehen, die weniger gute Teilhabechancen haben und sich bisher kaum sozial engagiert haben.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass das Programm mehrere Ziele erreicht: Es stärkt das Selbstvertrauen von Jugendlichen, ermöglicht Erfahrungen im Projektmanagement, fördert die digitalen Kompetenzen und den Gründungswillen und macht Lust auf soziales Engagement. Insbesondere bildungsbenachteiligte Jugendliche würden von der Verknüpfung der analogen mit der digitalen Welt profitieren.

Deutlich wurde, dass die jungen Menschen, die sich bei Think Big bewerben, etwas bewegen wollen. Von den Befragten, die seit 2015 ihr Think Big-Projekt abgeschlossen haben, geben 61 Prozent als Motivation für ihre Teilnahme an, „die Gesellschaft verändern zu wollen“. Weitere wichtige Beweggründe waren der Wunsch nach „persönlicher Entwicklung“ (48 Prozent) sowie einer „Zusammenarbeit mit Freunden“ (46 Prozent).

Nach den Ergebnissen der Studie ermöglicht Think Big den jungen Menschen in vielfacher Hinsicht neue Erfahrungen und stärkt Fähigkeiten, die im weiteren Leben nützlich sind oder zu mehr gesellschaftlichem und sozialem Engagement führen. Die Jugendlichen berichten von gestiegenem Selbstvertrauen und einem gestärkten Vertrauen in ihre Kompetenzen: Zwei Drittel der befragten Jugendlichen stimmen der Aussage zu, sie hätten „etwas entdeckt, worin ich gut bin und von dem ich vorher nichts wusste“. Fast alle (99 Prozent) geben an, die Think Big Projektarbeit habe ihre Entscheidungsfähigkeit verbessert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der organisatorische Rahmen und die finanzielle Ausstattung den jungen Menschen Sicherheit gibt und es dadurch leichter für sie wird, selbstbewusst auf Dritte zuzugehen und ihre Anliegen vor Außenstehenden zu vertreten.

Als weiteres wichtiges Ergebnis wird benannt, dass Think Big bildungsbenachteiligte Jugendliche nicht nur erreichen, sondern auch fördern kann. Es könnten außerschulische „Möglichkeitsräume“ eröffnet werden, mit denen besonders diese Gruppe von Jugendlichen gefördert werden kann: Sie können Erfahrungen sammeln, die ihnen in der formalen Bildung, schulisch oder beruflich, weiterhelfen können. Das sehen auch die Jugendlichen selbst so: 76,9 Prozent der befragten bildungsbenachteiligten Jugendlichen geben an, sie hätten durch Think Big neue Fähigkeiten entwickelt, die ihnen dabei geholfen haben, sich in Schule, Studium oder Berufsschule zu verbessern.

Erfolgreich ist das Programm auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Engagements: Die große Mehrheit der Teilnehmenden möchte ihr Engagement fortsetzen. Fast 92 Prozent gaben an, nun zu wissen, wie sie künftig ein Projekt anpacken müssen. Besonders häufig genannte Kompetenzen, die Think Big zugeschrieben werden, sind in diesem Zusammenhang Methoden der Projektorganisation – etwa Finanzplanung und Zeitmanagement, Handlungswissen und -strategien für die Umsetzung der eigenen Ideen, sowie Teamfähigkeit. 61 Prozent sagen zudem, sie hätten Lust bekommen oder seien in ihrer Idee bestärkt worden, selbst einmal etwas zu gründen, sei es eine Initiative, einen Verein oder ein Unternehmen.

Bildungsbenachteiligte und fortgeschrittene Projektmacher im Upgrade-Programmteil werden besonders motiviert, sich auch in Zukunft gesellschaftlich zu engagieren. In beiden Gruppen stimmten mehr als 80 Prozent der Befragten dieser Aussage zu.

Aufschlussreich sind die Ergebnisse zudem in Bezug auf die Chance, mit Freunden und Freundinnen ein Projekt starten zu wollen. Anders als die meisten anderen Programme, etwa Stipendiengeber für Studium oder Beruf, setzt Think Big auf die Initiative von Jugendlichen in ihren Cliquen. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen, welch große Rolle Peers für die Jugendlichen und somit für den Erfolg der Projekte spielen. Die Peers, zum Beispiel Teammitglieder, Freunde oder Bekannte, stehen an oberster Stelle, wenn es um Anerkennung, Feedback oder auch die Unterstützung bei Problemen geht. Auch die Lernerfahrungen aus dem Projekt werden an Peers weitergegeben, die zentrale Multiplikatoren bei der Verbreitung von projektbezogenen Inhalten in sozialen Netzwerken sind.

Im Bereich digitale Technologien zeigt sich, dass bildungsbenachteiligte Jugendliche diese Möglichkeiten besonders oft für ihr Projekt nutzen und in Folge auch im Alltag einsetzen. Sowohl digital erfahrene wie unerfahrene Jugendliche werden erreicht und an die Nutzung digitaler Medien herangeführt – und zwar bereits in der recht kurzen, dreimonatigen Projektstufe Basic. 64,4 Prozent der befragten Jugendlichen haben für ihr Projekt digitale Hilfsmittel genutzt, also beispielsweise eine Projekt-Homepage, Kurzfilme oder Musikvideos, Grafiken oder Flyer erstellt. Von ihnen gibt die große Mehrheit an, bei ihrem Einsatz digitaler Technologien durch Think Big Zugang zu Hardware (75 Prozent) und Software (80 Prozent) erhalten zu haben.

Insgesamt stellen die Autorinnen und Autoren fest, dass Think Big den Jugendlichen einen Perspektivwechsel beim Einsatz digitaler Technologien ermöglicht hat, der für ihr weiteres Leben entscheidend ist. Jugendliche würden die Vielfalt digitaler Möglichkeiten nun nicht mehr nur privat, sondern auch bei Projekten nutzen können. Die Jugendlichen hätten im Laufe der Projektarbeit neue Dimensionen der Mediennutzung und einen weiteren Raum zum Experimentieren kennengelernt.

Das Programm Think Big biete Jugendlichen vor allem einen Raum, in dem sie ihre Ideen und Projekte umsetzen, ausprobieren und an ihnen lernen können. Die Pole dieses Lernens und Experimentierens seien Projektmanagement, soziales Engagement und digitale Technologien.

Fünf Think Big-Lernfelder werden benannt:

1. Selbstvertrauen

  • Selbstsicherheit, Durchhaltevermögen

2. Projektmanagement

  • Zeitmanagement und Priorisierung
  • Ergebnisverantwortung, Führung, Teamwork

3. Kommunikation

  • Überzeugungskraft

4. Kreativität und Innovation

  • Fähigkeit zum Denken „outside the box“

5. Digitale Kompetenz

  • Entdecken – „Exploring“
  • Schaffen – „Building“
  • Teilen – „Collaborating“