Studie

Junges Deutschland in Zeiten von Corona

Thema

Einstellungen junger Menschen zu Corona und Europa

Herausgeberschaft

TUI Stiftung (Hg.)

Erscheinungsort

Hannover

Erscheinungsjahr

2020

Stiftungsengagement

TUI Stiftung

Literaturangabe

Junges Deutschland in Zeiten von Corona mit Einordnung im europäischen Vergleich. So denken Menschen zwischen 16 und 26 Jahren. Die Jugendstudie der TUI Stiftung. Hannover 2020.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

In der Jugendstudie der TUI Stiftung wurden Einstellungen junger Deutscher zu Corona und Europa untersucht. Die Studie wurde von YouGov Deutschland im Auftrag der TUI Stiftung durchgeführt. Dabei wurde in zwei Schritten vorgegangen: Im Januar 2020 nahmen 6.011 junge Erwachsene im Alter von 16 bis 26 Jahren in sieben europäischen Ländern an der Befragung teil (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Polen). Dabei sollte herausgefunden werden, welche Erwartungen junge Erwachsene an ihre Zukunft haben, wo sie die drängendsten Probleme sehen und wie sie das Thema Generationengerechtigkeit betrachten. Dieser Teil der Studie bildete den Referenzwert, der Auskunft über den Zustand der Jugend vor der Pandemie gibt. Um Veränderungen zu erfassen, wurden im September 2020 in einem zweiten Schritt 1.011 junge Erwachsene aus Deutschland nachbefragt. Im Mittelpunkt stand dabei der Blick der jungen Deutschen auf die Corona-Pandemie. Der Politikwissenschaftler Marcus Spittler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat die Jugendstudie wissenschaftlich begleitet.

Seit dem Jahr 2017 führt die TUI Stiftung die Studie „Junges Europa“ durch, um die Lebenswelt, Identität und politischen Einstellungen junger Menschen in Europa besser verstehen zu können. Damit kann diese Jugendstudie der TUI Stiftung insgesamt auf Daten aus vier jährlichen Befragungen und einer Zusatzbefragung zurückgreifen.

Wichtige Ergebnisse

Ausgewählte Ergebnisse

1. Sehr hohe Akzeptanz der Corona-Maßnahmen  

Die Akzeptanz für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist unter jungen Deutschen sehr hoch: Über die Hälfte (52 Prozent) hält die Maßnahmen gegen Corona für angemessen, ein Fünftel hält sie für übertrieben (12 Prozent „eher übertrieben“ und sieben Prozent „übertrieben“), ein weiteres Fünftel für nicht ausreichend (18 Prozent „eher nicht ausreichend“, fünf Prozent „nicht ausreichend“). Vor allem die befragten jungen Frauen halten die Maßnahmen für nicht ausreichend (26 Prozent der Frauen, 18 Prozent der Männer). Der Ansicht, dass die Maßnahmen übertrieben sind, stimmen eher männliche (22 Prozent) als weibliche (15 Prozent) Befragte im Alter von 16 bis 26 Jahren zu.

Die große Mehrheit – 83 Prozent – der befragten jungen Deutschen hält sich nach eigener Aussage an alle oder überwiegend an die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Lediglich zwei Prozent geben an, sie zu missachten. Somit liegt es nahe, dass junge Deutsche die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie weitgehend unterstützen und sich ihrer Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitmenschen bewusst sind. Wer sich an die Maßnahmen hält, tut dies nach eigenen Angaben vor allem, um die Gesundheit der Mitmenschen zu schützen. 89 Prozent der Befragten halten diesen Aspekt für wichtig. Den Schutz der eigenen Gesundheit (79 Prozent) oder Strafen bei Missachtung (61 Prozent) bewerten junge Deutsche als weniger wichtige persönliche Gründe. Der Schutz älterer Menschen dürfte hierbei eine besondere Rolle spielen.

Alle Deutschen sind von den Beschränkungen betroffen, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie umgesetzt werden. Die Jugendstudie der TUI Stiftung zeigt, dass junge Menschen insbesondere mit Home Schooling und Home Office Schwierigkeiten hatten. Das sagen 20 Prozent der 16- bis 26-Jährigen und nur sechs Prozent der Personen ab 27 Jahre. Die Daten zeigen zudem, dass sich insbesondere die sehr jungen Befragten mit geschlossenen Schulen und Fernunterricht schwertun: 29 Prozent der 16- bis 20-Jährigen stimmen der Aussage zu, in der Altersgruppe 21 bis 26 Jahre sind es 14 Prozent. Neben den Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten sind es aber vor allem die sozialen Gelegenheiten, die den jungen Menschen fehlen. 

Andere Einschränkungen, die jungen Menschen schwergefallen sind, waren die Reduzierung der sozialen Kontakte (42 Prozent der 16- bis 26-Jährigen/52 Prozent der Personen ab 27 Jahre), Einschränkungen in der Freizeit wie die Schließung von Sportveranstaltungen und Restaurants (40 Prozent/35 Prozent) sowie der Verzicht auf Reisen und Urlaub (32 Prozent/36 Prozent).

Verstärkung von Generationen- und Geschlechterkonflikte im Zuge von Corona

Im Januar 2020, unmittelbar vor dem Beginn der Corona-Pandemie, war der Konflikt zwischen den Generationen für junge Deutsche stärker relevant als für andere junge Europäer*innen. Nur vier Prozent nahmen „gar keinen Konflikt“ zwischen Jung und Alt wahr (Spanien: 21 Prozent, Frankreich: 15 Prozent). Als „ziemlichen“ oder „sehr starken“ Konflikt wurden die Auseinandersetzungen zwischen Jung und Alt von 54 Prozent der Befragten in Deutschland gesehen. Das ist ein signifikant hoher Wert im Vergleich mit dem Durchschnittswert 43 Prozent in den sieben befragten europäischen Ländern. Der Eindruck junger Menschen in Deutschland, dass die Politik eher die Interessen älterer Generationen verfolgt, war im europäischen Vergleich bereits zu Beginn des Jahres somit hoch und hat sich infolge der Pandemie noch einmal verstärkt. So sagten im September 48 Prozent der jungen Deutschen, dass die Politik eher die Interessen der älteren Generation berücksichtigt (Januar 2020: 44 Prozent). Gleichzeitig ging die Zahl derjenigen zurück, für die Politikerinnen und Politiker eher die Interessen der jüngeren Generation berücksichtigen (10 Prozent im Januar, 8 Prozent im September 2020).

Im Vergleich zum Anfang des Jahres wurde in Deutschland zudem der Interessenkonflikt zwischen Männer und Frauen verstärkt wahrgenommen – insbesondere von den weiblichen Befragten zwischen 16 und 26 Jahren. 45 Prozent der jungen Frauen sahen starke Interessenkonflikte zwischen den Geschlechtern, bei den jungen Männern stimmten 30 Prozent dieser Aussage nach sechs Monaten Corona-Pandemie zu. Insgesamt betrachtet sagten im Januar 31 Prozent der Befragten, dass sie starke Interessenskonflikte zwischen den Geschlechtern sehen (September 2020: 37 Prozent). Im Vergleich der verschiedenen Konflikte – unter anderem zwischen politisch rechts und links stehenden Personen, zwischen Jung und Alt oder zwischen Arm und Reich – ist das die stärkste Zunahme seit Beginn des Jahres.

Umwelt- und Klimaschutz trotz Corona wichtigstes EU-Thema für die jungen Menschen in Deutschland und Europa

Die Corona-Pandemie hat die Gesundheitspolitik in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Im Vergleich zum Anfang des Jahres hat das Thema bei jungen Deutschen leicht hinzugewonnen (von 16 Prozent im Januar auf 18 Prozent im September).

An den grundlegenden Prioritäten hat Corona seit Beginn des Jahres aber nur wenig geändert: Auch im September halten die befragten 16- bis 26-Jährigen den Umwelt- und Klimaschutz für das wichtigste politische Thema der EU (55 Prozent im Januar, 51 Prozent im September), auf dem zweiten Platz liegt Migration und Asyl (45 Prozent zu Beginn des Jahres, 41 Prozent im September).

Die Zahlen bestätigen einen langfristigen Trend, wie er sich in den Jugendstudien der TUI Stiftung seit 2017 zeigt: den kontinuierlichen Aufstieg des Thema Umwelt- und Klimaschutz als wichtigstes politisches Problem der EU für junge Europäerinnen und Europäer. Auch in den anderen befragten europäischen Ländern beherrschte das Thema die europäische Agenda. Von 2019 auf 2020 verzeichnet es zudem starke Zuwächse: in Großbritannien von 32 auf 51 Prozent, in Frankreich von 34 auf 46 Prozent und in Polen von 19 auf 46 Prozent.

In Bezug auf Europa wird ein weiterer Trend durch Corona verstärkt: Seit Beginn der Befragungen für die Jugendstudie der TUI Stiftung nimmt der Anteil der jungen Menschen in Deutschland ab, für die das aktuelle Verhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedsländern „genau richtig ist“. Stimmten dieser Aussage in 2017 noch 23 Prozent der deutschen 16- bis 26-Jährigen zu, waren es in 2019 21 Prozent. Dieser Anteil fiel von Januar 2020 bis September 2020 von 23 Prozent auf 19 Prozent. Gleichzeitig wünschen sich mehr Befragte eine engere Beziehung zwischen den EU-Ländern. Die Zustimmung in dieser Frage stieg von 40 Prozent im Jahr 2017 auf 48 Prozent im September 2020 (46 Prozent im Januar 2020).

Diese latente Unzufriedenheit mit dem Status Quo des europäischen Projektes zeigt sich auch bei einem sehr stark diskutierten Thema: der eigenständigen Aufnahme von Gemeinschaftsschulden durch die EU. Nur eine Minderheit von 14 Prozent lehnt diese ab. Ein gutes Drittel der Befragten (35 Prozent) befürwortet die EU-Schuldenaufnahme und 28 Prozent verhalten sich neutral zu diesem weitreichenden Beschluss. Allerdings können 23 Prozent der jungen Deutschen dazu keine Aussage treffen, für sie ist es ein schwer zu fassendes Thema.

Zunehmender Pessimismus bei der Einschätzung der persönlichen Situation

Im Januar 2020 waren 62 Prozent der Befragten mit Blick auf ihre persönliche Situation eher optimistisch eingestellt (7 Prozentpunkte weniger als 2019). Für 58 Prozent der Befragten haben sich die Aussichten im September 2020 zwar nicht grundsätzlich verändert, doch stimmen 26 Prozent von ihnen der Aussage zu, dass sich ihre generelle Zukunftseinschätzung seit der Corona-Pandemie verschlechtert hat. Für zehn Prozent der Befragten hat sie sich aus ihrer Sicht verbessert.