Studie

KiTa-Leitung als Schlüsselposition

Thema

Orientierungen und Erfahrungen von Kita-Leitungskräften

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung

Autoren/Autorinnen

Iris Nentwig-Gesemann/Katharina Nicolai/Luisa Köhler

Erscheinungsort

Gütersloh

Erscheinungsjahr

2016

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung

Literaturangabe

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): KiTa-Leitung als Schlüsselposition. Erfahrungen und Orientierungen von Leitungskräften in Kindertageseinrichtungen. Gütersloh 2016.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Das qualitative Forschungsprojekt „KiTa-Leitung als Schlüsselposition“ widmete sich den Erfahrungen und Orientierungen von Kita-Leitungen, die bisher noch wenig empirisch erforscht sind. Das Projekt wurde an der Alice Salomon Hochschule Berlin von Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Katharina Nicolai und Luisa Köhler durchgeführt. Insgesamt wurden 140 Kita-Leitungskräfte aus allen Bundesländern im Rah­men von Gruppendiskussionen befragt.

Forschungsleitende Fragen waren:

  • Welche konkreten Erfahrungen machen Kita-Leitungen in Deutschland in ihrer alltäglichen Leitungspraxis? Was sind ihre zentralen Themen und Relevanzen?
  • Wo liegen konkrete Sorgen, Nöte und Bedarfe, Stärken und Ressourcen von Leitungskräften? Welche Unterstützung benötigen sie für ihre Arbeit?
  • Wie gehen sie mit den Anforderungen und Erwartungen um, die aus dem Team und von außen an sie gerichtet werden?
  • Wie ist ihr professionelles Selbstverständnis, worin bestehen ihre Selbstansprüche und was sind ihre zentralen handlungsleitenden Orientierungen?
  • Lassen sich in Bezug auf die Erfahrungen und Orientierungen der befragten Leitungskräfte Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten, und womit hängen diese zusammen?

Die Studie soll empirisch abgesicherte Erkenntnisse liefern, um notwendige Reformmaßnahmen in diesem Arbeitsfeld durchführen zu können, insbesondere im Hinblick auf die Professionalisie­rung der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Kita-Leitungen.

Wichtige Ergebnisse

Die Analysen zeigen, wie stark sich das Berufsfeld der Kita-Leitung gewandelt hat, welchen hohen Belastungen die Leitungskräfte ausgesetzt sind und in welchen Spannungsfeldern sie sich täglich bewegen. Zu­dem wird deutlich, welche unterstützenden Strukturen für angemessene Arbeits­bedingungen fehlen, damit Kitas professionell geleitet werden können. Das Leitungshandeln ist von der Vielfalt und Heterogenität der Ein­richtungen geprägt. Zudem befindet sich das Arbeitsfeld Kita-Leitung und das damit verbundene Berufsbild in einem Wandlungsprozess.

Gemeinsame Basiserfahrungen der Kita-Leitungskräfte sind unter anderem:

  • ein erlebtes Missver­hältnis zwischen der Aufgabenfülle und -komplexität auf der einen Seite, sowie einem Anerkennungsdefizit und einer Gratifikationskrise auf der anderen Seite;
  • die Anforderung, ein komple­xes Aufgabenprofil erfüllen zu müssen, das Managementaufgaben ebenso umfasst wie team-, familien- und kindbezogene (sozial-)pädagogische Arbeitsbereiche; die Erfüllung dieser Aufgaben wird umso stärker als Überforderung erlebt, je weniger unterstützende Strukturen (zum Beispiel vom Träger oder im Sozialraum) bereitgestellt werden und je schwächer aus­geprägt ein reflektiertes und klar definiertes Leitungsselbst­verständnis ist;
  • eine ungesicherte Kompetenzüberzeugung in Be­zug auf die eigenen organisationsbezogenen Leitungs- und Managementaufgaben sowie systematische Teamführung und -ent­wicklung (die meisten Lei­tungskräfte haben eine pädagogische Ausbildung oder ein pädago­gisches Studium absolviert);
  • ein eigenes Kom­petenzempfinden in der direkten Arbeit mit Kindern und ihren Familien als „sichere Basis“ der Leitungskräfte mit einer pädagogischen Grundqualifi­zierung.

Die befragten Leitungskräfte können aufgrund ihrer Orientierun­gen und Praktiken in drei Leitungstypen unterschieden werden (Leitungstyp Fürsorglichkeit, Management, Leadership).

Deutlich wird eine Wandlungsdynamik vom beruflichen Ethos einer fürsorg­lichen und allzuständigen Beziehungsorientierung hin zu einer Orientierung an Management und Leadership, was als Ausdruck von Professionalisierungsprozessen interpretiert wird, so die Autorinnen: Das Selbstverständnis von Kita-Leitungen bewege sich in Richtung von eigenverantwortlich und fachlich begründet agierenden Expertinnen und Experten, weg vom Selbstverständnis der Weisungsempfänger oder Umsetzer von Vorgaben.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass es an­gesichts einer großen Vielfalt von Kitas, Aufgaben und Leitungstypen kein idealtypisches Modell „guter Leitung“ gibt, sondern der Blick auf die spezifische Situation und Praxis notwendig ist: die konkrete Kita, ihr Umfeld und ihre Klientel, das Team und die Leitung. Daraus ergibt sich die geeignete Form der Leitung.

Es werden auch Schritte zu besseren Rahmenbedingungen und Unterstützungsstrukturen formuliert:

  • Es bedarf passgenauer Stellenbeschreibungen bzw. Aufgabenprofile, die den jeweiligen Kitas und ihren Leitungen in ihrer jeweiligen Besonderheit gerecht werden (transparente Formulierung realistischer Erwartungen an die jeweiligen Leitungskräfte).
  • Es sollte die Möglichkeit von Partizipation und Mitbestimmung auf der Trägerebene und zu eigenverantwortlichem Agieren in der eigenen Kita gegeben sein (Form der Anerkennung der Expertise und des Erfahrungswissens von Leitungskräften).
  • Es gibt verschiedene Wege und Etappen zum Qualifizierungsprofil Kita-Leitung. In der Ausbildung sollte ein reflektiertes Kompetenzprofil als Leitung mit „doppelter Führungsverantwortung“ vermittelt werden (Kita als pädagogische Institution und als pädagogischer Raum).
  • Leistungskräfte sollten bei ihrem Einstieg und während ihrer Tätigkeit durch Supervision, Coaching, Fachberatung etc. unterstützt werden. Dabei sollte es auch zielgerichtete Angebote für weibliche Führungskräfte geben.
  • Notwendig wären ausdifferenzierte Aus- und Weiterbildungsangebote und Unterstützungsangebote, die der großen Diversität von Leitungsprofilen und -persönlichkeiten gerecht werden und das komplexe Aufgabenbündel von Kita-Leitung berücksichtigen (unter anderem das Arbeiten in multiprofessionellen Teams, Leadership-Aufgaben, Kooperationskompetenzen).
  • Es sollte möglich sein, differenzierte Leitungskräfte-Modelle in Kitas auszugestalten (Kombi- oder Solo-Leitungsprofil). Dafür müssten jeweils ausreichende Zeitkontingente für pädagogische und Leitungsaufgaben zur Verfügung gestellt werden.
  • Wichtig ist eine hohe Trägerunterstützung, die Leitungen auch bei Bedarf offensiv einfordern müssen, zum Beispiel Entlastung von fachfremden und zeitaufwendigen Sekretariatsaufgaben, die einen hohen Belastungsfaktor darstellen.

Deutlich wird, dass die pro­fessionelle Ausgestaltung von Kita-Leitung nur im Rahmen eines unterstützenden, kompetenten Systems ge­lingen kann.