Studie

Klasse Vielfalt

Thema

Chancen und Herausforderungen der interkulturellen Öffnung von Schulen

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung

Autoren/Autorinnen

Viola Georgi/Mostapha Boukllouâ/Sema Simsar/Adamantios Tsakiroglou

Erscheinungsort

Gütersloh

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung

Literaturangabe

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Klasse Vielfalt. Chancen und Herausforderungen der interkulturellen Öffnung von Schulen. Gütersloh 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Grundannahme der Publikation ist, dass in einer Einwanderungsgesellschaft Vielfalt Normalität ist. Im heutigen Deutschland sei der Alltag der Kinder und Jugendlichen von Mehrsprachigkeit, Internationalität und Globalisierung geprägt, doch seien die Bildungseinrichtungen, die eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Vielfalt spielen, noch unzureichend darauf vorbereitet. Zudem bestehe das Problem, dass in Deutschland die Bildungschancen immer noch stark an die Herkunft gekoppelt sind.

Die Bertelsmann Stiftung fühlt sich dem Ziel verpflichtet, die Einwanderungsgesellschaft und die damit verbundene Vielfalt fair und konstruktiv zu gestalten, mehr Chancengerechtigkeit und Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erreichen. Im Jugendintegrationswettbewerb „Alle Kids sind VIPs“ zeichnet sie seit 2008 Projekte und Initiativen von Kindern und Jugendlichen aus, die die kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft als Chance wahrnehmen und sich für ein faires Miteinander einsetzen („Klasse Vielfalt“).

Die Publikation flankiert das Engagement der Kinder und Jugendlichen und wendet sich besonders an Schulleitungen sowie an Lehrkräfte, die eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer Willkommenskultur und der Etablierung von Unterstützungsstrukturen an Schulen spielen. Aufgezeigt werden Prinzipien, Maßnahmen und Strategien für die interkulturelle Öffnung von Schule, Unterricht und Lehrerbildung im Zeitalter von Migration und Globalisierung.

Wichtige Ergebnisse

Drei zentrale Bausteine für die interkulturelle Öffnung von Schule in der Einwanderungsgesellschaft werden besonders hervorgehoben:

1. Lehrerbildung

Die Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit (migrationsbedingter) Heterogenität sollte in der Lehrerbildung – auch in den Fachdidaktiken – eine zentrale Rolle spielen. Dazu gehört die theoretische Vermittlung und das praktische Erlernen von ungleichheits- und diversitätssensiblem, interkulturellem, sprachbewusstem sowie inklusivem Denken und Handeln. Die curriculare Struktur an den lehrerbildenden Universitäten und pädagogischen Hochschulen müsse darauf abgestimmt sowie systematisch und obligatorisch im Seminarangebot verankert werden. Außerdem würden an den Schulen deutlich mehr Lehrende mit Migrationsgeschichte und mit internationalen Erfahrungen sowie mehrsprachige Lehrerinnen und Lehrer gebraucht.

2. Bildungsmedien

Die Bildungsmedien müssen die soziale, kulturelle und sprachliche Vielfalt der Gesellschaft angemessen abbilden und thematisieren, was bei den derzeit in Schulen genutzten Lehr- und Lernmittel aber noch nicht ausreichend der Fall sei. Zum Teil enthielten die Materialien Stereotypen über bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die Ausgrenzung reproduzieren und sogar rassistische Muster festschreiben. Autorinnen und Autoren von Schulbüchern und anderen Unterrichtsmaterialien müssten deshalb interkulturell fortgebildet und für dieses Thema sensibilisiert werden. Zudem sollten mehr Autorinnen und Autoren mit Migrationsbiografie einbezogen werden.

3. Willkommenskultur

Schule in der Einwanderungsgesellschaft brauche Willkommenskultur. Dies beinhalte zum einen die Entwicklung einer Grundhaltung der Offenheit und Akzeptanz gegenüber Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte sowie deren Familien. Zum anderen müssten organisatorische Barrieren in Bildungseinrichtungen abgebaut werden: In Schulen sollten Regeln und Routinen des Schullebens regelmäßig kritisch hinterfragt und so gestaltet werden, dass sie nicht diskriminierend wirken, sondern möglichst inklusiv sind. Ziel müsse es sein, eine Willkommenskultur zu entwickeln, die Zugang, Partizipation und Teilhabe ermöglicht. Dies schließe eine demokratische Schulkultur mit vielfältigen Formen der Partizipation ein, aber auch die Kooperation mit den Eltern und die Öffnung von Schulen in den Stadtteil. Es müsse darum gehen, die vielfältigen Lebensweisen, Lebenslagen und Familienkulturen der Schülerinnen und Schüler in der Gestaltung von Schule und Unterricht zu berücksichtigen. Dies könnte mit einem gemeinsam verabschiedeten und im Schullalltag gelebten Leitbild besonders gut gelingen, da sich hier alle an der Schule Beteiligten (Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern) positiv zur gesellschaftlichen Vielfalt bekennen und Diversity bewusst als Ressource begreifen.

Eine zentrale Aufgabe von Schulen in einer Einwanderungsgesellschaft sollte nach Ansicht der Autorinnen und Autoren sein, die interkulturelle Bildung im Unterrichts- und Schulalltag zu verankern und sie auch als immanenten Bestandteil von Schulentwicklung zu begreifen: Interkulturelle Bildung und Erziehung sei als Querschnittsaufgabe von Schule zu definieren. Schulen könnten gesellschaftlichen Wandel mitgestalten und entscheidend dazu beitragen, Diversität anzuerkennen, Zugangsbarrieren und Diskriminierung abzubauen sowie mehr Bildungsteilhabe und Inklusion zu ermöglichen. Allerdings seien Schulen nicht dazu in der Lage, strukturell verursachte und institutionell verankerte Bildungsungleichheiten in der Migrationsgesellschaft pädagogisch aufzulösen.