Handlungsempfehlungen

Kontinuierliche professionelle Entwicklung

Thema

Fortbildung und Personalentwicklung von Lehrkräften in MINT-Fächern

Herausgeberschaft

Nationales MINT Forum

Autoren/Autorinnen

Arbeitsgruppe „MINT-Lehrerbildung“ im Nationalen MINT Forum

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Stiftungsmitglieder im Nationalen MINT Forum: Deutsche Telekom Stiftung, Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung, Heinz Nixdorf Stiftung, Jacobs Foundation, Joachim Herz Stiftung, Körber-Stiftung, Siemens Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Stiftung der Deutschen Wirtschaft, Stiftung Haus der kleinen Forscher, Wilhelm und Else Heraeus Stiftung, davon in der Arbeitsgruppe „MINT-Lehrerbildung“: Deutsche Telekom Stiftung, Stiftung der Deutschen Wirtschaft, Siemens Stiftung, Stiftung Haus der kleinen Forscher

Literaturangabe

Nationales MINT Forum (Hrsg.): Kontinuierliche professionelle Entwicklung: Thesen zu einer zeitgemäßen Fortbildung und Personalentwicklung von Lehrerinnen und Lehrern in den MINT-Fächern. (Empfehlungen des Nationalen MINT Forums Nr. 4). München 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Das Nationale MINT Forum ist ein Zusammenschluss von überregional tätigen Organisationen – Stiftungen, Wissenschaftseinrichtungen, Fachverbände, Hochschulallianzen und andere Initiativen –, die sich für die Förderung der MINT-Bildung (Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) einsetzen. Die zusammengeschlossenen Organisationen stehen für die gesamte MINT-Bildungskette: von der frühkindlichen über die schulische, die berufliche und akademische Bildung bis hin zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen) und bekennen sich zum Konzept ganzheitlicher Bildung. Gemeinsames Ziel ist es, durch Vernetzung und Kooperation im Nationalen MINT Forum die Wirkung der Initiativen einzelner Akteure zu verstärken, Synergien zu schaffen sowie die weitere Verbesserung der MINT-Bildung in Deutschland nachhaltig zu unterstützen.

Das Papier wurde von der Arbeitsgruppe „MINT-Lehrerbildung“ unter der Leitung von Dr. Ekkehard Winter (Deutsche Telekom Stiftung) erarbeitet. Darüber hinaus gehörten der Arbeitsgruppe an: Dr. Michael Baer (Stiftung der Deutschen Wirtschaft), Prof. Dr. Dr.-Ing. Gunnar Berg (Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e.V.– Nationale Akademie der Wissenschaften), Dr. Barbara Filtzinger (Siemens Stiftung), Michael Fritz (Stiftung Haus der kleinen Forscher), Prof. Dr. Ingolf Hertel (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften), Prof. Dr. Aloys Krieg (TU9 German Institutes of Technology e.V.), Jürgen Langlet (MNU – Deutscher Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts e.V.), Fritz Neußer (VDI – Verein Deutscher Ingenieure), Prof. Dr. Kristina Reiss (acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften).

Wichtige Ergebnisse

Ausgangspunkt ist, dass lebenslanges Lernen auch in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) unverzichtbar ist. Dies betreffe insbesondere Lehrerinnen und Lehrer, da eine professionelle Wissensvermittlung die ständige Aktualisierung des eigenen Wissens voraussetze. Gefragt sei eine „kontinuierliche professionelle Entwicklung“ (Continuing Professional Development, CPD), die als integraler Bestandteil des beruflichen Alltags zu verstehen ist und somit eine neue Kultur des lebenslangen berufsbegleitenden Lernens beschreibt (im Unterschied zu punktuellen Fortbildungen). Dieser Kulturwandel bedinge strukturelle Veränderungen, neue Angebote und Anreizsysteme, die wiederum Investitionen erfordern.

These 1: Die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern in der bisherigen Form hat erhebliche Defizite.

Zu den Defiziten gehören massive Unterfinanzierung, zu wenig koordinierte und zeitlich nicht ausreichende Angebote, das mangelhafte Einbeziehen von fachlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Innovationen, ein zu geringer Bezug zum Unterrichtsalltag, aber auch zu wenig Berücksichtigung der Professionalität und der Kompetenzen von Lehrkräften.

These 2: Die herkömmliche Fortbildung sollte deshalb durch kontinuierliche professionelle Entwicklung ersetzt werden.

Eine zukunftsfähige Lehrerbildung müsse durch Systematik und Professionalität geprägt sein. Dabei sollten die vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen von Lehrkräften produktiv genutzt werden. Ziel sollte eine systematische Lernentwicklung sein, indem zum Beispiel auch Forschungsergebnisse in die Praxis einfließen. Dieser Ansatz schließt regelmäßige und kontinuierliche Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung ein, die berufsbegleitend und verpflichtend sind.

These 3: Auch die Fortbildnerinnen und Fortbildner müssen auf ihre Aufgabe systematisch vorbereitet werden.

Universitäten und andere Einrichtungen, die für die kontinuierliche professionelle Weiterentwicklung von Lehrkräften Verantwortung tragen, sollten ihren Hauptfokus auf die Qualifizierung und kontinuierliche Begleitung von Fortbildnerinnen und Fortbildnern richten, die neben fachlich-inhaltlichen, fachdidaktischen und allgemein pädagogisch-psychologischen Kompetenzen auch über Fähigkeiten in der Erwachsenenpädagogik verfügen müssen. Mittelfristig sollte eine systematische Ausbildung der Fortbildnerinnen und Fortbildner etabliert werden, etwa in Form voller berufsbegleitender Masterstudiengänge mit fachdidaktisch-erziehungswissenschaftlicher Ausrichtung (Blended Learning).

These 4: Die verschiedenen Phasen der Lehrerbildung sollten verzahnt werden.

Die Erstausbildung von Lehrkräften, die zweite Phase der Ausbildung, die Phase des Berufseinstiegs und die – ein Berufsleben lang anhaltende – dritte Phase sollten ohne Brüche ineinandergreifen, was gegenwärtig noch nicht der Fall ist. Die für diese drei Bereiche Verantwortlichen müssten ihre Arbeit aufeinander beziehen und sich als Partner in der Entwicklungsbegleitung von Lehrkräften verstehen.

These 5: Auch müssen Anreize für Fortbildung und Personalentwicklung geschaffen werden.

Dafür werden drei Möglichkeiten gesehen: 1. die Einführung von Karrierestufen im Schulsystem, für die Lehrkräfte sich durch Fortbildung qualifizieren können, 2. eine stärkere Verpflichtung zu einer wirksamen Fortbildung, 3. mehr immaterielle Anreize zur professionelleren Gestaltung der eigenen Arbeit. Zentral sei der wertschätzende und stärken- statt defizitorientierte Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern.

These 6: Personalentwicklung sollte zu einer zentralen Aufgabe der Schulleitung werden.

Schulleitungen müssten die Fort- und Weiterbildung des Kollegiums unterstützen und sich auch selbst fort- und weiterbilden. Bislang mangele es an Schulen noch an einer systematischen Personalentwicklung in der Lehrerbildung.

These 7: Kernelement einer zeitgemäßen kontinuierlichen professionellen Entwicklung sind Lern- und Arbeitsgemeinschaften von Lehrkräften.

Fortbildungsaktivitäten neuer Prägung sollten auf die kollegiale Unterrichtsentwicklung im Rahmen (fachbezogener) professioneller Lerngemeinschaften zielen, in denen aus der Praxis stammende Fragestellungen bearbeitet werden, ergänzt durch das Einholen externen Expertenwissens. In Bezug auf die MINT-Fächer habe sich das Programm SINUS („Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts“) als äußerst wirksam erwiesen.

These 8: Die Universitäten haben bei der kontinuierlichen professionellen Entwicklung von Lehrkräften eine wichtige Rolle.

Universitäten würden ihren Weiterbildungsauftrag (auch von Lehrkräften) noch viel zu wenig wahrnehmen, doch müssten sie dafür staatlicherseits auch mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Allgemein habe sich die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Lehrkräften als sehr wirkungsvoll erwiesen.

These 9: Kontinuierliche professionelle Entwicklung sollte auch außerhalb des Kontexts Schule ermöglicht werden.

Gerade im MINT-Bereich müssten Lehrkräfte auch Erfahrungen außerhalb von Universität und Schule sammeln können. Praxisphasen im Studium und Möglichkeiten der Fortbildung, etwa in Forschungseinrichtungen oder Industrieunternehmen, würden MINT-Lehrpersonen ermöglichen, ihren Horizont zu erweitern, und ihnen dabei helfen, den Schülerinnen und Schülern realistischere Berufsperspektiven aufzuzeigen.

These 10: Kontinuierliche professionelle Entwicklung muss zwingend evaluiert werden.

Lehrerfortbildung im Sinne einer kontinuierlichen professionellen Entwicklung sei unverzichtbar auf Qualitätskontrolle angewiesen. Es müsse evaluiert werden, welches Wissen für Schule und Unterricht geeignet ist, und zwar sowohl auf der Ebene der Lehrkräfte (etwa Zufriedenheit, Selbstwirksamkeit, Kompetenzen) als auch auf der Ebene der Schülerinnen und Schüler (beispielsweise kognitive und affektive Ziele). Die Verfahren müssten wissenschaftsgeleitet sein. Auch die Digitalisierung sei einzubeziehen (hier können die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Digitale Bildung“ im Nationalen MINT Forum herangezogen werden).