Studie mit Handlungsempfehlungen

Kooperationen im Quartier. Pfade des Gelingens

Thema

Formen der Kooperation im Stadtquartier

Herausgeberschaft

Landesgemeinschaft Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V./Stiftung Mitarbeit

Erscheinungsort

Bonn

Erscheinungsjahr

2018

Stiftungsengagement

Stiftung Mitarbeit

Literaturangabe

Landesgemeinschaft Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V. (Hrsg.): Kooperationen im Quartier. Pfade des Gelingens (= mitarbeiten.skript 12). 2. Auflage. Bonn: Verlag Stiftung Mitarbeit 2018.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass Kooperation in der Quartiersarbeit, besonders in der Gemeinwesenarbeit und im Quartiersmanagement, eine sehr wichtige Rolle spielt. Die hohen Erwartungen an Kooperation würden in der Praxis aber oft enttäuscht. So sei es zum Beispiel häufig schwierig, die geeigneten Kooperationspartnerinnen und -partner zu finden, gemeinsame Projekte werden abgebrochen und Kooperationen scheitern. Zudem liege wenig systematische Forschung zu den Gelingensbedingungen von Kooperationen vor.

Die vorliegende Publikation will dazu beitragen, über diese Frage mehr wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu gewinnen. Grundlage ist das Forschungsprojekt „Gelingende Kooperation im Sozialraum“ (GeKo). Es wurde von 2014 bis 2017 in Trägerschaft der Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Niedersachsen (LAG SB) durchgeführt und durch das Ministerium für Soziales, Jugend und Familie des Landes Niedersachsen finanziert.

Forschungsfragen:

  • In welchen Formen findet Kooperation auf Quartiersebene statt?
  • Welche Bedingungen tragen dazu bei, dass Kooperation im Quartier gelingt?

Die Forschungsfragen wurden bei GeKo durch einen Fallvergleich bearbeitet, indem drei benachteiligte Quartiere in Niedersachsen als Fälle ausgewählt und vertiefend untersucht wurden. Die Auswahl erfolgte nach dem Prinzip des maximalen Kontrastes. Die herausgearbeiteten Muster bzw. Prinzipien der Kooperation sollen auch auf andere Quartiere übertragbar sein.

Die Publikation versammelt Beiträge, in denen die Ergebnisse des Forschungsprojekts durch zahlreiche Praxisbeispiele ergänzt werden. Auf der Grundlage von GeKo wurde eine Liste mit Prinzipien der Kooperation entwickelt, die allen Beiträgen als Leitlinie zugrundeliegt.

Wichtige Ergebnisse

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden die zentralen Begriffe definiert:

  • Kooperation im Quartier: Zusammenschluss von Akteuren und Akteurinnen auf Quartiersebene, die zusammenarbeiten, um ein bestimmtes Projekt oder Ziel zu verwirklichen (Abgrenzung von Netzwerken, die nur dem Informationsaustausch dienen und keinen konkreten „Output“ im Quartier erreichen wollen).
  • Gelingen: Die Kooperation ist gelungen, wenn die beteiligten Akteurinnen und Akteure ihre gemeinsamen Ziele erreicht haben und dabei die Zusammenarbeit an sich positiv bewerten (bei nur einem Punkt ist die Kooperation nur teilweise gelungen). 

Bedingungen und Prinzipien gelingender Kooperation bei der Quartiersarbeit

1. Formen der Kooperation

Die Formen der Kooperation werden nach Intensität (Zeit und Aufwand, Dauer und Frequenz) und Formalität (Verbindlichkeit und definitive Festlegung von Strukturen der Zusammenarbeit) unterschieden.

Dabei können vier Formen herausgearbeitet werden:

  • Aushelfen im Arbeitsalltag, z.B. durch Ausleiehen von Material (geringe Intensität, geringe Formalität)
  • Verbindlich festgelegtes Teilen von Ressourcen und Material (hohe Formalität, geringe Intensität)
  • Auf Tradition beruhendes Ausrichten gemeinsamer Veranstaltungen (geringe Formalität, hohe Intensität)
  • Gemeinsames Projekt mit verbindlich festgehaltenen Strukturen und regelmäßigen Treffen (hohe Formalität, hohe Intensität)

Diese Formen sind jedoch als graduelle Verläufe zu verstehen, d.h. es sind auch Formen denkbar, die zwischen den vier genannten Extremen liegen. Sehr oft treten Formen geringer Formalität auf, deutlich seltener hochgradig intensive, stark formalisierte Formen der Zusammenarbeit.

2. Bedingungen für gelingende Kooperation im Quartier

  • Mindestvoraussetzung sind die verfügbaren Ressourcen der beteiligten Akteurinnen und Akteure (Zeit, Geld, Material, Arbeitsräume etc.).
  • Bei wenig formalisierten und wenig intensiven Formen der Kooperation, die spontan stattfinden und vor allem auf dichten sozialen Netzwerken beruhen, sind belastbare persönliche Beziehungen zwischen den Akteurinnen und Akteuren wichtig, da sie für gegenseitiges Vertrauen sorgen.
  • Ohne persönliche Beziehungen sind feste Kommunikationsstrukturen vorteilhaft, wie zum Beispiel regelmäßig stattfindende Gremien, da sich die Akteurinnen und Akteure im Quartier dadurch informieren und austauschen können.
  • Bei allen Formen der Kooeration ist ein ständiger Austausch zwischen den Kooperationspartnern und -partnerinnen wichtig, sowohl über die Kooperation selbst, als auch über das Geschehen im Quartier. Ein transparenter Umgang mit Informationen fördert das Vertrauen untereinander. Auch ist für eine gelingende Kooperation auf ausreichend häufige Treffen zu achten.
  • Je höher die Intensität und die Formalität der Kooperation werden, desto mehr gewinnen weitere Gelingensbedingungen an Bedeutung: Dann wirkt sich positiv aus, wenn die beteiligten Akteurinnen und Akteure über fundiertes Wissen über Netzwerke und andere Akteurinnen und Akteure im Quartier verfügen. Auch das Festlegen klarer Kooperationsziele wirkt sich positiv aus (Verpflichtung der Beteiligten auf verbindliche Teilnahme, Messbarkeit und Sichtbarkeit der Erfolge, bessere Planbarkeit der Schritte zur Zielerreichung). Auch die Schaffung klarer Strukturen in den Kooperationsbeziehungen hat positive Auswirkungen auf das Gelingen (klare Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, feste Führungs- und Koordinationsrollen).  

 Fünf Prinzipien gelingender Kooperation:

1. Bestandsaufnahme: Vor Beginn einer Kooperation sollte eine Bestandsaufnahme des lokalen Netzwerkes stattfinden. Dabei sollte auch die eigene Position und das eigene Profil im Netzwerk analysiert werden.

2. Informelle Kontakte: Der Umgang mit informellen Kontakten im Quartier sollte reflektiert werden, um sich ihrer Auswirkungen auf Kooperationen bewusst zu sein.

3. Kommunikation: Die Kooperationspartner und -partnerinnen sollten sich regelmäßig austauschen. Die Kommunikation untereinander sollte von Transparenz geprägt sein.

4. Klare Strukturen: Gelingende Kooperation bedarf einer klaren Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, bis hin zur Festlegung von Koordinations- und Führungsrollen.

5. Geteilte Ziele: Die Akteurinnen und Akteure sollten die zu erreichenden Ziele teilen. Diese sollten zu Beginn gemeinsam ausgehandelt werden.

Wie sind die Prinzipien zu verstehen und anzuwenden?

  • Die Prinzipien sind nicht als zwingend zu befolgende Blaupause zu verstehen, sondern als Leitlinien zur Orientierung.
  • Die Umsetzung der Prinzipien wird durch eine Prozessorganisation erleichtert, d.h. durch Arbeitszeit und Ressourcen speziell zur Betreuung der Kooperationsarbeit.
  • Die Arbeit in benachteiligten Quartieren bedarf einer Legitimation durch lokale Akteurinnen und Akteure (Bewohnerinnen und Bewohner, freie Träger etc.).
  • Es sollte die Frage gestellt werden, ob die Kooperation bestehende Machtstrukturen und Machtungleichheiten im Quartier bestärkt oder ihnen entgegenwirkt und ob eine Kooperation durch den Einsatz von Machtstrukturen ihre Gelingenschancen erhöhen kann.

Fazit

Festgestellt wird, dass die genannten fünf Prinzipien entscheidend zum Gelingen von Kooperationen bei. Darüber hinaus würde eine gute Vorbereitung in der Anfangsphase (Bestandsaufnahme und Aushandlung gemeinsamer Ziele) und eine systematische Netzwerkarbeit (Bestandsaufnahme, informelle Kontakte und Kommunikation) die Chancen für ein Gelingen der Kooperation ganz wesentlich erhöhen. Deshalb wäre es wichtig, Kooperation systematisch und frühzeitig vorzubereiten und dichte lokale Netzwerke aufzubauen.

Zugriff

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