HandlungsempfehlungenHandreichung

Kulturort Schule

Thema

Kulturelle Bildung an Schulen

Herausgeberschaft

Rat für Kulturelle Bildung (Hg.)

Erscheinungsort

Essen

Erscheinungsjahr

2020

Stiftungsengagement

Rat für Kulturelle Bildung (getragen von einem Stiftungsverbund: Bertelsmann Stiftung, Deutsche Bank Stiftung, Karl Schlecht Stiftung,
PwC-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator, Stiftung Nantesbuch)

Literaturangabe

Rat für Kulturelle Bildung (Hg.): Auf den Punkt I/III: Kulturort Schule. Bildungspolitische Handreichung. Essen 2020.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

„Auf den Punkt“ lautet der Titel der neuen Publikationsreihe des unabhängigen Expertengremiums Rat für Kulturelle Bildung. Sie richtet sich vorrangig an Entscheidungsträger*innen in der Politik und in der Verwaltung sowie in der Zivilgesellschaft mit dem Ziel, in Form einer Handreichung einen gebündelten und präzisen Überblick über die wichtigsten Handlungsfelder in einem komplexen Aufgabenbereich zu geben. Das Thema der vorliegenden Publikation ist der "Kulturort Schule".

Grundannahme ist, dass Kulturelle Bildung - als wesentlicher, eigenständiger Bestandteil der Gesellschaft -, ein öffentliches Gut darstellt, zu dem jeder Mensch Zugang haben muss. Die Schule als Kulturort ermöglicht solche Zugänge.

In der Publikation werden drei Handlungsempfehlungen für die Bereiche Unterricht und Schulfächer, Ganztag und Bildungspartner sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung gegeben und jeweils begründet.

Wichtige Ergebnisse

Wesentliche Erkenntnisse

Schule als Kulturort

Der Rat für Kulturelle Bildung betont, dass der bildungspolitische Auftrag der Kulturellen Bildung nicht auf Schule begrenzt ist. Eine wichtige Rolle spiele auch der frühkindliche Bereich, dessen hohes Potenzial für die Kulturelle Bildung zunehmend entdeckt werde, sowie die kulturelle Erwachsenenbildung, auch im tertiären und beruflichen Bildungssystem.

Schule sei aber ein besonders entscheidender Bereich, da sie als Türöffner und Wegbereiter für kulturelle Bildungsverläufe wirkt. Ob Grundschule oder weiterführende Schule, öffentliche oder Privatschule, allgemein- oder berufsbildende Schule – alle Schulen seien Kulturorte. Sie seien wichtige Knotenpunkte innerhalb der kommunalen Bildungslandschaft und entscheidend für die kulturelle Bildungsbiografie eines Menschen.

Der Rat für Kulturelle Bildung hat ein komplexes Verständnis von Schule als Kulturort entwickelt, das auch die digitale Transformation und den damit verbundenen Kulturwandel einschließt. Demnach ist die allgemeinbildende Schule als Kulturort in einem dreifachen Sinn zu verstehen: Sie umfasst

  • erstens die allgemeine Bildungsfunktion (Enkulturation),
  • zweitens die soziale Struktur (Schule als Kulturraum) und
  • drittens die ästhetisch-künstlerische Bildung.

Es sei wichtig, die Mehrdimensionalität des Begriffs zu betonen, weil sich erst damit die Komplexität der bildungspolitischen und pädagogischen Forderung erschließt, ästhetische Prinzipien in der Schule stärker als bisher üblich systematisch zu berücksichtigen und zur Geltung zu bringen.

Die Bedeutung der Schule als Kulturort nehme unter den aktuellen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bedingungen imnmer weiter zu. Das zeige nicht zuletzt auch der Ausnahmezustand, den die Corona-Krise ausgelöst habe, als Schule als Ort der Begegnung zeitweise verschwunden ist. Hier sei umso deutlicher geworden, dass gerade unter den Bedingungen wachsender Unsicherheit durch fehlende Orientierung und fundamental veränderte Alltags- und Lernroutinen die eigenen Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeiten immer wichtiger werden. Es komme daher wesentlich darauf an, die Schule insgesamt auch an der Entwicklung dieser Fähigkeiten auszurichten. Dazu sei eine Stärkung und Ausweitung der ästhetischen Fächer und Bereiche in allen Schularten ebenso erforderlich wie eine auf die gesamte Schule bezogene Inhalts-, Organisations- und Personalentwicklung. Nur dann könne der Kulturort Schule in allen seinen Dimensionen verwirklicht und zur Geltung gebracht werden.

In diesem Sinne gelte es, das Potenzial aller Dimensionen des Kulturortes Schule auszuschöpfen. Auf jeden Fall sei es notwendig, der künstlerisch-ästhetischen Bildung einen deutlich höheren Stellenwert in Schule zu geben, damit sie als Triebkraft zur Erschließung und Gestaltung von Lebenswelten wirken kann.

Handlungsempfehlungen

Der Rat für Kulturelle Bildung gibt folgende drei Handlungsempfehlungen.

Empfehlung 1: Unterrichtsgarantie in den künstlerischen Fächern, Abdeckung der ästhetischen Bereiche im Curriculum und fachübergreifender Einsatz ästhetischer Prinzipien

Die Schule als entscheidender Ort der Kulturellen Bildung sei ein wesentlicher Teil der Allgemeinbildung. Allen Schülerinnen und Schülern müsse im Lauf der Schulzeit die Möglichkeit gegeben werden, intensive produktive und rezeptive Erfahrungen mit allen wesentlichen Künsten zu machen. In der Grundschule und in den Sekundarschulen müssten in den Stundentafeln entsprechende Voraussetzungen gesichert werden. In allen Schulen seien die dafür notwendigen personellen, räumlichen, sachlichen und finanziellen Voraussetzungen zu garantieren.

Der Fachunterricht in Kunst, Musik, Sprache/Literatur, Theater und Tanz könne nicht durch außerschulische oder außerunterrichtliche Aktivitäten ersetzt werden, da er sei für viele Kinder und Jugendliche der Impuls sei, eigene kulturelle Interessen und Talente zu entdecken und außerhalb oder nach der Schule weiterzuentwickeln.

Daher fordert der Rat für Kulturelle Bildung

  • eine zuverlässige personelle und finanzielle Ausstattung in Schulen, um qualifizierten Kunst- und Musikunterricht zu gewährleisten,
  • den ästhetisch-literarischen Anteil im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht zu erhöhen sowie
  • Theater/Darstellendes Spiel und Tanz über allerorts zu gewährleistende außerunterrichtliche Angebote hinaus auch als Unterrichtsfach in allen Schularten auszubauen.

Darüber hinaus seien in jedem Schulfach Potenziale für Kulturelle Bildung vorhanden. Lehrkräfte müssten allerdings dazu qualifiziert und ermutigt werden, die ästhetischen Prinzipien Kultureller Bildung fächerübergreifend für den Unterricht und das Schulleben einzusetzen.

Empfehlung 2: Rechtliche und inhaltliche Aufwertung des schulischen kulturellen Angebots in Bildungspartnerschaften und im Ganztag

Die Ganztagsschule in ihren verschiedenen Formen eröffne vielfältige Potenziale für die Integration non-formaler Kultureller Bildung. Der extracurriculare Bereich könne ein Lernen bieten, das stärker an eigenen kulturellen und künstlerischen Interessen ausgerichtet ist als der Fachunterricht. In der Ganztagsschule könnten auch Fachkräfte aus dem Kunst- und Kulturbetrieb verantwortlich mitwirken, um zusätzliche kreative Impulse und kulturelles Wissen in den curricularen und extracurricularen Schulbetrieb zu bringen. Bisher bleibe die Gestaltung des (offenen) Ganztags oft hinter den Ansprüchen eines fachlich und pädagogisch hochwertigen kulturellen Bildungsangebots zurück, wie Befunde des Rates für Kulturelle Bildung zeigen. Erforderlich sei eine grundsätzliche Klärung der rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Ländern und Kommunen und auf die Gestaltungsspielräume der einzelnen Schulen.

Daher fordert der Rat für Kulturelle Bildung eine rechtliche und inhaltliche Aufwertung des schulischen Ganztags – weg von der vorrangigen Idee der Betreuung, hin zu einem anregenden Kultur- und Bildungsort. Dazu sei es notwendig, einen Qualitätsrahmen und Mindeststandards hinsichtlich der personellen, finanziellen, räumlichen und sachlichen Ausstattung zu entwickeln.

Es müsse überall möglich sein, in der einzelnen Schule mit den Fachkräften inhaltliche Absprachen und Qualitätsstandards für den Ganztag zu vereinbaren und verbindliche Bildungspartnerschaften mit Kultureinrichtungen in der Kommune oder Region einzugehen. Jede Schule sollte kulturelle Bildungspartnerschaften aufbauen und diese für alle Schülerinnen und Schüler zugänglich gestalten.

Um hochwertige extracurriculare Angebote Kultureller Bildung und Partnerschaften vorzuhalten, empfiehlt der Rat für Kulturelle Bildung zur verbindlichen Sicherung der notwendigen finanziellen Grundlagen ein Kulturbudget für Schulen, das über die Unterrichtsversorgung hinausgeht und von Ländern und Kommunen getragen ist.

Empfehlung 3: Angemessene Qualifizierung für Lehrkräfte und andere Professionen der schulischen Kulturellen Bildung

Kulturelle Interessen und die (Weiter-)Entwicklung künstlerischer und kreativer Talente würden oft durch Vorbilder und Bezugspersonen entstehen. Somit würden die Lehrkräfte für die ästhetischen Fächer und Bereiche eine besondere Verantwortung innerhalb ihres Bildungsauftrags tragen – sie könnten einen entscheidenden Beitrag zur kulturellen Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen leisten. Künstlerische Impulse, die durch externe Fachkräfte in die Schule eingebracht werden, könnten darüber hinaus wichtige kreative Freiräume eröffnen.

Der Anspruch an (zukünftige) Lehrkräfte und andere Professionen der Kulturellen Bildung in Schulen bringe pädagogische und künstlerisch-ästhetische Herausforderungen mit sich, die sich im Aus-, Fort- und Weiterbildungssystem entsprechend niederschlagen müssten. Es gelte daher zum einen, Lehramtsstudiengänge für die ästhetischen Fächer so zu gestalten, dass sie auf die Vermittlung der Vielfalt und Bandbreite des jeweiligen Faches vorbereiten, und zum anderen, von Anfang an die richtigen Anreize zu setzen, um ästhetisch und pädagogisch sensible Talente für den Schuldienst zu gewinnen.

Darüber hinaus müsse Kulturelle Bildung zum Bestandteil jedes Lehramtsstudienganges werden. Wahrnehmung, Ausdruck, Darstellung und Gestaltung bildeten in allen pädagogischen Berufen wesentliche professionelle Grundlagen, doch müssten sie expliziter, verbindlicher Gegenstand des Studiums und der beruflichen Fortbildung werden.

Für Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturvermittler und -vermittlerinnen sei es erforderlich, dass es aufseiten der Schulen und Schulleitungen eine größere Kenntnis, Transparenz und Anerkennung von Zertifikaten gibt, mit denen die Fachkräfte ihre pädagogische und didaktische Eignung nachweisen können.