Studie

Lehrerkooperation in Deutschland

Thema

Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung/Robert Bosch Stiftung/Stiftung Mercator/Deutsche Telekom Stiftung

Autoren/Autorinnen

Dirk Richter/Hans Anand Pant

Erscheinungsort

Gütersloh/Stuttgart/Essen/Bonn

Erscheinungsjahr

2016

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator, Deutsche Telekom Stiftung

Literaturangabe

Dirk Richter/Hans Anand Pant: Lehrerkooperation in Deutschland. Eine Studie zu kooperativen Arbeitsbeziehungen bei Lehrkräften der Sekundarstufe I. Hrsg. v. Bertelsmann Stiftung/Robert Bosch Stiftung/Stiftung Mercator/Deutsche Telekom Stiftung. Gütersloh/Stuttgart/Essen/Bonn 2016.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Die Vielfalt in den Klassenzimmern nimmt immer mehr zu, unter anderem durch die Entwicklung zu einem inklusiven Schulsystem und die zunehmende Einwanderung nach Deutschland. Dieser Vielfalt gerecht zu werden und dafür Sorge zu tragen, dass Schülerinnen und Schüler faire Bildungschancen haben, fordert Lehrkräfte besonders heraus. Die Forschung gibt Hinweise darauf, dass eine intensive Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften hilfreich sein kann, um diese Herausforderungen konstruktiv zu bewältigen.

Die Studie zielt deshalb darauf, empirisch fundierte, repräsentative Erkenntnisse über die tatsächliche Zusammenarbeit von Lehrkräften in Deutschland zu gewinnen. Im Auftrag von vier Stiftungen führte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap eine Umfrage durch, an der insgesamt 1.015 Lehrkräfte der Sekundarstufe I an staatlichen allgemeinbildenden Schulen teilnahmen (Quotenstichprobe).

Wichtige Ergebnisse

Die Autoren sehen in einer stärkeren Teamarbeit zwischen Lehrkräften einen Erfolgsfaktor für gute Schule, die angesichts wachsender Heterogenität im Schulsystem noch an Bedeutung gewinnen wird.

Folgende zentrale Befunde werden benannt:

  1. Lehrkräfte haben eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber der Kooperation mit anderen Lehrkräften und weiteren schulischen Akteuren (Vereine, Unternehmen und Kultureinrichtungen). Über 90 Prozent der Lehrkräfte halten es für wichtig, mit anderen Lehrkräften zusammenzuarbeiten und sich kollegial bei Problemen zu helfen. Etwa drei Viertel der Lehrkräfte haben bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit weiteren schulischen Akteuren gesammelt.
  2. Lehrkräfte tauschen häufig Lehr- und Unterrichtsmaterialien und Informationen aus, doch sind nur selten komplexere Formen der Zusammenarbeit zu beobachten, wie zum Beispiel gemeinsame Unterrichtsplanung oder gemeinsames Unterrichten. Noch seltener berichten Lehrkräfte davon, dass sie regelmäßig bei anderen Lehrkräften hospitieren und Feedback geben.
  3. Es gibt im internationalen Vergleich Stärken und Schwächen im Kooperationsverhalten von Lehrkräften in Deutschland, die häufiger als im OECD-Durchschnitt regelmäßig Materialien austauschen und an fach- und jahrgangsübergreifenden Aktivitäten teilnehmen, aber deutlich seltener über die Lernentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler sprechen oder gemeinsam Standards zur Leistungsbewertung erarbeiten.
  4. Festzustellen ist eine hohe Motivation und Zufriedenheit der Lehrkräfte der Sekundarstufe I im Beruf. Auch besteht in der Regel nur eine geringe Überlastung und nur sechs Prozent der Lehrkräfte klagen über hohe emotionale Erschöpfung.
  5. Ein intensiveres Kooperationsverhalten zeigt sich bei motivierten, zufriedenen und wenig belasteten Lehrkräften. Komplexere Formen der Zusammenarbeit werden häufiger von Lehrkräften berichtet, die sich auch als kompetent im Unterrichten erleben und generell zufrieden mit ihrer Arbeit sind. Kooperationsaktivitäten scheinen nicht zu einer stärkeren Belastung beizutragen.
  6. Lehrkräfte an Schulen mit Inklusionsangebot weisen ein starkes Kooperationsverhalten auf. Sie arbeiten häufiger mit Sonder- und Sozialpädagogen und -pädagoginnen zusammen und unterrichten häufiger regelmäßig im Team. Aber auch andere Formen des Austauschs mit dem Kollegium finden häufiger statt. Zudem nehmen die Kooperationsaktivitäten zu, wenn der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf steigt. Dies weist nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass Inklusion möglicherweise als Katalysator für die Etablierung kooperativer Arbeitsbeziehungen dient.
  7. Lehrkräfte an vollgebundenen Ganztagsschulen kooperieren stärker als Lehrkräfte an Halbtagsschulen, etwa durch Team-Teaching, die gemeinsame Vorbereitung von Unterricht und kollegiale Hospitation. Vor allem an vollgebundenen Ganztagsschulen scheinen günstige Bedingungen für Kooperationen gegeben zu sein.
  8. Häufig bestehen an Schulen ungünstige zeitliche und räumliche Rahmenbedingungen für komplexere Kooperationsformen. Dennoch nimmt die Mehrheit der befragten Lehrkräfte wahr, dass sich die Schulleitungen für die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften einsetzen und insgesamt gute Koordinationsstrukturen zur Organisation der Unterrichtsarbeit vorhanden sind.
  9. Die entscheidenden Faktoren zur Beförderung der Kooperation von Lehrkräften sind nach den Ergebnissen der Studie vor allem Zeit, Koordinationsstrukturen zur Abstimmung der Unterrichtsarbeit und Unterstützung durch die Schulleitung.