Studie mit Handlungsempfehlungen

Neue Wege bis 67. In der Produktion bis zur Rente

Thema

Gesundheitsbildung und -förderung in Unternehmen

Herausgeberschaft

Handelskammer Hamburg/ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius/Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Autoren/Autorinnen

Rinat Saifoulline/Frauke Jahn

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

Literaturangabe

Handelskammer Hamburg/ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius/Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (Hrsg.): Neue Wege bis 67. In der Produktion bis zur Rente. Praxistipps für Führungskräfte und für Mitarbeiter. Hamburg 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt der Studie ist, dass die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel in Deutschland dazu führen wird, dass die Menschen länger arbeiten müssen bzw. immer später in Rente gehen werden. Diese Entwicklung kann nach Ansicht der Herausgeber der Publikation Chancen mit sich bringen: Den Unternehmen blieben Fachkräfte mit wertvollen Kompetenzen und reichem Erfahrungsschatz länger erhalten und die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden nicht aus dem Arbeitsprozess herausgedrängt, sondern könnten sich weiter in die Gesellschaft einbringen. Entscheidende Voraussetzung sei jedoch, dass das Anforderungsprofil der Arbeit und das Leistungspotenzial älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zueinander passen. Dies sei besonders in Berufen mit körperlich schweren Tätigkeiten eine große Herausforderung.

Vor diesem Hintergrund haben die Handelskammer Hamburg und die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius die Studie „Neue Wege bis 67 – gesund und leistungsfähig im Beruf“ initiiert und finanziert, in der eine umfassende Risikoanalyse der physischen und psychischen Belastungen von Beschäftigten in der Metallbranche (ArcelorMittal Hamburg GmbH und Aurubis AG) erstellt wird. Beschäftigte und Führungskräfte wurden bei ihrer Arbeit begleitet und die Anforderungen und Belastungen erhoben. Hinzu kam eine Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 45 Jahre. Mittels verschiedener Erhebungsinstrumente (Interviews, Risiko- und Dokumentenanalysen, Beobachtungen, Workshops) wurden neue, gesundheits- und leistungserhaltende Wege bis zur Rente entwickelt.

Die Ergebnisse dieser Studie bilden die Basis für zwei Leitfäden: In „Praxistipps für Führungskräfte“ und „Praxistipps für Mitarbeiter“ werden Hinweise gegeben, wie – insbesondere ältere – Beschäftigte lange leistungsfähig und gesund bleiben können. Auch Beispiele von betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden vorgestellt.

Wichtige Ergebnisse

Am Beispiel der Analyse des Berufs Metallarbeiter wird deutlich, dass durch den technischen Fortschritt körperliche Belastungen am Arbeitsplatz eine immer geringere, aber dennoch weiterhin wichtige Rolle spielen. In der Kombination mit belastenden Umgebungsfaktoren und Anforderungen ist die Tätigkeit eines Metallarbeiters nach wie vor sehr beanspruchend. Die befragten Metallarbeiter benannten als besonders störende Belastungen Staub, Schichtarbeit, Lärm, Hitze, körperliche Anstrengung, Stress und Druck, aber auch ein schlechtes Arbeitsklima. Zudem erfordert der Wandel der Branche zunehmend eine fundierte fachliche Ausbildung und es zeigt sich, dass das Produktionstempo, die Qualitätsanforderungen und der Kostendruck ständig zunehmen.

Mehr als die Hälfte der befragten Metallarbeiter können sich nicht vorstellen, in ihrem Beruf bis zur Rente zu arbeiten. Obwohl in Metallbetrieben bereits viel im Bereich Arbeitssicherheit und Arbeitsgestaltung getan wurde, findet bisher nur selten eine systematische Laufbahngestaltung zur Erhaltung der Gesundheit und Leistung der Mitarbeiter und damit der Beschäftigungsfähigkeit in der Metallbranche statt. Um das zu ändern, wurde im Rahmen des Projekts ein Beratungsansatz zur systematischen gesunden Laufbahngestaltung erarbeitet.

Hervorgehoben wird dabei die Bedeutung der Eigenverantwortung der Beschäftigten für Gesundheit und Leistungsfähigkeit, aber auch die Verantwortung der Unternehmen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten. Berufliche Handlungskompetenz und Leistungsfähigkeit nehme mit zunehmenden Lebensalter nicht notwendig ab, sondern stehe in engem Zusammenhang mit gebotenen Lernchancen und der Gestaltung lernförderlicher Arbeitsbedingungen. Deshalb sollten Formen der arbeitsplatznahen informellen oder formellen Weiterbildung ein lebenslanges Lernen im Prozess der Arbeit unterstützen. Es sollte viel stärker auf das Prinzip der Prävention statt auf die „Reparatur“ von Fehlentwicklungen gesetzt werden.

Leitfaden für Führungskräfte

Führungskräfte in der Produktion sollten sich als „Lotsen für gesundes Arbeiten“ ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen, wovon sie auch selbst profitieren würden: Wenn Beschäftigte über viele Jahre hinweg leistungsfähig und gesund bleiben, seien sie tendenziell engagierter bei der Arbeit und ließen sich auch eher auf neue Anforderungen ein. Die Arbeitsergebnisse seien besser, der Krankenstand niedriger, zudem werde eine gute Stimmung und gegenseitige Unterstützung im Team befördert.

Vorrangiges Ziel beim Arbeiten in der Produktion müsse es sein, eine dauerhafte Überlastung der Beschäftigten zu vermeiden, da sich diese sehr negativ auf deren Gesundheit und Leistungsfähigkeit auswirkt. Führungskräfte haben großen Einfluss auf die Höhe der Belastungen an den Arbeitsplätzen ihres Teams und somit auch auf die Gesundheit der Beschäftigten. Sie können zum Beispiel

  • Belastungen, die die Gesundheit beeinträchtigen und verzichtbar sind, aktiv reduzieren und auf die Einhaltung von Arbeitschutzmaßnahmen achten,
  • als Vorbild wirken,
  • in Teambesprechungen gesundheitsrelevante Inhalte vermitteln,
  • das Thema Gesundheit im Mitarbeitergespräch aufgreifen,
  • aktiv auf gesundheitsrelevante Angebote im Betrieb hinweisen,
  • Mitarbeiter bei einem Tätigkeits- oder Berufswechsel unterstützen und Wege zur Veränderung aufzeigen,
  • Schichtarbeit gesund gestalten,
  • eine gute Arbeitsatmosphäre fördern,
  • Frühwarnzeichen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erkennen und entgegensteuern.

Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Betriebsärztinnen und Betriebsärzten sowie den Akteuren im betrieblichen Gesundheitsmanagement und betrieblichen Eingliederungsmanagement.

Leitfaden für Mitarbeiter

Da Berufe in der Produktion mit großen körperlichen Belastungen verbunden sind, sollten einige Aspekte beachtet werden, wenn Beschäftigte in diesen Tätigkeitsfeldern bis zum Rentenalter berufstätig bleiben wollen. Die berufliche Laufbahn müsse so gestaltet werden, dass die Beschäftigten über viele Jahre gesund und leistungsfähig bleiben. Dazu gehöre, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, wie sie mit den typischen Belastungen in der Produktion umgehen und erkennen können, ob aus gesundheitlichen Gründen ein Wechsel in ein anderes Tätigkeits- oder Berufsfeld notwendig ist. Ganz entscheidend sei, dass eine dauerhafte Überlastung vermieden wird.

Die Beschäftigten können aber auch selbst etwas dafür tun, um gesund zu bleiben. Dazu gehört eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Belastung (in den Bereichen Arbeitszeit, Umgebungsbedingungen, Muskel/Skelett und psychische Anforderungen) und eine realistische Einschätzung der gesundheitlichen Situation, um Frühwarnindikatoren für eine drohende Berufsaufgabe zu erkennen.

Um gesund zu bleiben, wird den Beschäftigten empfohlen, die Gesundheit zur „persönlichen Chefsache“ zu machen und sich bewusst zu machen, dass schon kleine Veränderungen viel bewirken können. Die körperliche Gesundheit bewusst gestalten heiße, auf verschiedene Faktoren zu achten:

  • einen Ausgleich zur körperlichen Tätigkeit zu finden,
  • sich gesund zu ernähren,
  • für ausreichend Schlaf, Pausen und Bewegung zu sorgen,
  • ein gutes Sozialleben mit Freunden und Familie (trotz Schichtarbeit) zu pflegen,
  • sich für ein gutes Miteinander im Arbeitsteam zu engagieren.

Zugriff

Leitfaden