Handreichung

StiftungsReport. Entwicklungszusammenarbeit: Wie Stiftungen weltweit wirken

Thema

Globales Lernen

Herausgeberschaft

Bundesverband Deutscher Stiftungen

Autoren/Autorinnen

Miriam Rummel/Judith Engelke

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Bundesverband Deutscher Stiftungen, Stiftung Hilfe mit Plan, Karl Kübel Stiftung

Literaturangabe

Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.): StiftungsReport. Entwicklungszusammenarbeit: Wie Stiftungen weltweit wirken. Berlin 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Der StiftungsReport verdeutlicht zum einen das Engagement deutscher Stiftungen in der Entwicklungszusammenarbeit, unterlegt durch Daten und Good-Practice-Beispiele zum Stiftungsengagement im Ausland. Dabei zeigt sich, dass deutsche Stiftungen in zahlreichen Ländern der Welt aktiv sind und mit unterschiedlichen Ansätzen und Methoden arbeiten. Sehr wichtig sind dabei Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Partnern, die sich vor Ort auskennen, aber auch die Zusammenarbeit mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft.

Der Entwicklungszusammenarbeit wird aus drei Gründen ein hoher Stellenwert eingeräumt:

1. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen seien nur in globaler Dimension gemeinsam lösbar, sei es im Bereich des Klimawandels, der Digitalisierung oder bei Fragen der Demokratie, Migration und Sicherheit. Dies erfordere grenzüberschreitendes Denken und Handeln.

2. Das Feld der Entwicklungszusammenarbeit habe sich fundamental verändert: In der Agenda 2030, die auf dem Gipfel der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, sind 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert worden (Sustainable Development Goals). Diese Ziele, die für die gesamte Staatengemeinschaft gelten, würden eine weltweite Zusammenarbeit unerlässlich machen.

3. Ideen und Innovationen könnten überall entstehen. Deshalb sei genaues Hinschauen, Zuhören und Lernen über die Grenzen hinweg unverzichtbar. Zum erfolgreichen Stiftungshandeln gehöre demnach der Blick über den geografischen Tellerrand.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit seinen Mitgliedern diesen Weg der verstärkten Vernetzung und Internationalisierung zu gehen. Dafür sollen die Rahmenbedingungen verbessert, Ideen und Erfahrungen geteilt werden.

Das dritte Kapitel der Publikation widmet sich dem Thema „Globales Lernen“, das in der Agenda 2030 ausdrücklich als wichtiger Aspekt zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals genannt wird. Gezeigt wird hier, was Stiftungen mit Inlandsarbeit bewirken können, wenn sie entwicklungspolitisch aktiv werden möchten. Im Kapitel Globales Lernen werden Stiftungsbeispiele vorgestellt und Tipps zu Qualitätsstandards der Inlandsarbeit und des Globalen Lernens gegeben.

Der StiftungsReport wurde vom Bundesverband Deutscher Stiftungen herausgegeben und ist in Kooperation mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Engagement Global, der Stiftung Hilfe mit Plan und der Karl Kübel Stiftung entstanden.

Wichtige Ergebnisse

1. Bildung für nachhaltige Entwicklung

Das Konzept Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) soll Menschen ermöglichen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und auf diese Weise verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können. BNE führt verschiedene Bildungstraditionen zusammen: Umweltbildung, Globales Lernen und Verbraucherbildung. In den vergangenen Jahren hat sich das Konzept stärker verbreitet und viele Schulen haben BNE in ihren Unterricht aufgenommen. Nach einer BNE-Dekade (2005 bis 2014) hat die UNESCO 2015 das Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen. Es zielt darauf, langfristig eine strukturelle Veränderung des Bildungssystems zu bewirken, und damit zur Umsetzung der Agenda 2030 beizutragen.

Globales Lernen als wichtiger Teil der BNE stellt eine weltgesellschaftliche Perspektive in den Mittelpunkt. Die Frage, wie die Menschen als Weltbürgerinnen und -bürger verantwortlich leben können, war auch eine wichtige Basis bei der Entwicklung der Agenda 2030. Das vierte Sustainable Development Goal lautet: „Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern“. Bis 2030 soll sichergestellt werden, „dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensformen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung.“

2. Globales Lernen

Das pädagogische Konzept

Ausgangspunkt ist, dass die Motivation für lokale Veränderungen durch Globales Lernen gefördert werden kann. Das pädagogische Konzept setzt vor allem auf Selbstreflexion, die mit folgenden Fragen verbunden sein könnte:

  • Welche Handlungsmöglichkeiten haben wir in einer globalisierten Welt? Was können wir bei unserem täglichen Konsum verändern?
  • Wie begegnen wir anderen Menschen?

Besonders die Beziehungen zwischen Ländern des globalen Südens und den Industrieländern werden thematisiert. Die Prämisse des Globalen Lernens ist nicht, dass sich Entwicklungsländer nach dem Vorbild westlicher Länder entwickeln sollen, sondern dass sich alle Länder der Erde im Sinne einer global nachhaltigen Entwicklung weiterentwickeln müssen. Dafür braucht es das entsprechende Verständnis und die entsprechende Bildung.

Maßnahmen zur Förderung Globalen Lernens

Es gibt sehr unterschiedliche Maßnahmen oder Projekte der entwicklungspolitischen Inlandsbildungsarbeit (Aktivitäten, die BNE oder Globales Lernen fördern). Inlandsarbeit reicht von Begegnungsreisen im Rahmen von Städte- und Schulpartnerschaften, Freiwilligenentsendungen über mediale Kampagnen bis hin zu Projekttagen an Bildungsinstitutionen. Sie findet im Kontext der formalen schulischen Bildungsarbeit, in Kitas, aber auch an weniger formalen Lernorten wie Jugendzentren, in Museen, Kinos oder im Internet statt. Zudem gibt es vielfältige Angebote zur außerschulischen Bildung für alle Altersgruppen.

Wenn eine Institution oder Organisation Globales Lernen anbietet, sollte sie die eigene Haltung und Hintergründe reflektieren und diese transparent machen. Es müsse deutlich werden, warum es wichtig ist, eine globale Perspektive einzunehmen. Die Lernenden wiederum sollten darin unterstützt werden, Vorgänge in einer globalisierten Welt zu erkennen, sie zu bewerten und sich neue Handlungsoptionen zu erschließen, wie zum Beispiel das eigene Konsumverhalten umzustellen. Ein wichtiger Aspekt sei dabei, die eigenen Werte und Perspektiven, Denkmuster, Stereotype und Rassismen zu hinterfragen.

Stiftungsengagement im Bereich Globales Lernen

Als besonders wichtig wird beim Globalen Lernen betrachtet, die Bereiche Produktion und Konsum nachhaltig zu verändern. Globales Lernen thematisiert deswegen unter anderem Fairen Handel, Energieverbrauch oder Ausbeutung von Kindern und Frauen bei der Kleidungsherstellung. Hier engagieren sich bereits einige Stiftungen, etwa durch öffentliche Veranstaltungen. Es sollte jedoch weiterhin angeregt werden, sich über globale Probleme zu informieren und auszutauschen, indem ein direkter Bezug zum Alltag der Menschen in den Kommunen hergestellt wird und konkrete Handlungsalternativen aufgezeigt werden.

Stiftungen fördern bereits auch Wissenschaft und Forschung zur Entwicklungszusammenarbeit. Sie sind hier auf verschiedene Weise aktiv: Sie forschen selbst, sind also operativ tätig, oder fördern wissenschaftliche Projekte, praktische Erfindungen, Stipendien oder Stiftungsprofessuren.

Stiftungen haben nicht nur die Möglichkeit, einzelne Initiativen zum Globalen Lernen zu fördern (oder selbst umzusetzen), sondern können die Umsetzung des pädagogischen Konzepts auch an Kitas, Schulen und Universitäten unterstützen.

Entwicklungspolitische Bildungsarbeit wird auch digital angeboten. Eine wichtige Motivation für Angebote des Globalen Lernens ist, auf die Themen nachhaltiger Entwicklung aufmerksam zu machen und sich zu engagieren. Dazu gehören auch Beratungs-, Vernetzungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für verschiedene Zielgruppen. Zwar stehen Kinder und Jugendliche beim Globalen Lernen zwar im Mittelpunkt, doch gibt es auch zahlreiche Angebote in der Erwachsenenbildung oder das Format der politischen Diskussion.

Auch Freiwilligendienste von Jugendlichen, die sich für eine bestimmte Zeit im Ausland in einer Einrichtung oder einem Projekt engagieren, werden von Stiftungen unterstützt.

Inlandsarbeit als Engagementfeld für Stiftungen – Vorteile

Wenn sich Stiftungen im eigenen Land im Rahmen des Globalen Lernens engagieren wollen, könnten sie zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit – und zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals – beitragen. Genannt werden drei Vorteile der Inlandsarbeit:

1. Globales Lernen bietet Stiftungen ein spannendes Engagementfeld mit globaler Wirkung – auch Stiftungen, die Entwicklungszusammenarbeit nicht im Satzungszweck festgeschrieben haben oder deren Aktivitäten satzungsmäßig auf Deutschland beschränkt sind.

2. Wenn Stiftungen zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals beitragen möchten, aber nicht über ausreichend Ressourcen für die Auslandsarbeit verfügen, haben sie in der entwicklungsorientierten Inlandsarbeit eine sehr gute Alternative: Die Arbeit „vor der eigenen Haustür“ begrenzt die Transaktionskosten, die für Aktivitäten im Ausland anfallen würden (etwa Kosten für Recherchen, Kontakte oder Reisen).

3. Der Aufwand für Kooperationen sinkt, weil Stiftungen in ihren Regionen meist sehr gute Kontakte zu relevanten Akteuren haben, auf die sie ihre Zusammenarbeit aufbauen können. Die passenden Ansprechpartnerinnen und -partner sind oft schon bekannt, sodass gemeinsame Aktivitäten verhältnismäßig leicht und schnell umgesetzt werden können.

Betont wird, dass globales Lernen sowohl für fördernde als auch für operativ tätige Stiftungen viele Engagementmöglichkeiten bietet.

Demnach könnten Stiftungen

  • Initiativen wie Workshops, Ausstellungen, Infoveranstaltungen, Internetangebote fördern oder selbst umsetzen und so Informationen zu globalen Themen in die Öffentlichkeit bringen,
  • das pädagogische Konzept auch an Schulen fördern, zum Beispiel durch Fortbildungen für Lehrkräfte oder Unterrichtsmaterialien,
  • Beratungs-, Vernetzungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für verschiedene Zielgruppen anbieten,
  • mediale Kampagnen zum Globalen Lernen fördern oder selbst umsetzen und damit Agendasetting betreiben und Aufmerksamkeit schaffen,
  • erfahrene andere Nichtregierungsorganisationen (NROs) bei ihren Projekten finanziell unterstützen; sie hebeln ihre Mittel, wenn die NROs die Förderung als Eigenanteil (in der Regel 25 Prozent) für einen Antrag an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einsetzen und weitere 75 Prozent als staatlichen Zuschuss beantragen,
  • Freiwilligendienste im Ausland ermöglichen und den Teilnehmenden anschließend in Deutschland Plattformen bieten, um die im Ausland gesammelten Erfahrungen weiterzutragen.

Qualitätsstandards der Inlandsarbeit und des Globalen Lernens

Die Bildungspraxis vieler Stiftungen und NROs orientiert sich an den VENRO-Qualitätskriterien für entwicklungspolitische Bildungsarbeit, die Merkmale guter Bildungsarbeit für alle Bildungsbereiche formulieren. Diese Kriterien könnten auch für Stiftungen, die Projekte des Globalen Lernens fördern oder gemeinsam mit Partnern umsetzen wollen, ein guter Orientierungsrahmen sein. Dazu gehören zum Beispiel die Qualität der Vorbereitung, inhaltliche Qualität sowie didaktische und methodische Qualität.

Die konkreten Erfolge von Bildungsarbeit seien zwar häufig schwer nachzuweisen, so die Autorinnen, doch sollte die Wirkungsorientierung im Bereich Globales Lernen bei der Projektplanung eine wesentliche Rolle spielen. Förderstiftungen sollten diese von ihren Begünstigten auch explizit einfordern.