Fachpublikation

Umweltethik für Kinder. Impulse für die Nachhaltigkeitsbildung

Thema

Nachhaltigkeitsbildung für Kinder

Herausgeberschaft

Thomas Pyhel/Alexander Bittner/Anna-Katharina Klauer/Vera Bischoff (Hrsg.)

Autoren/Autorinnen

Thomas Pyhel/Alexander Bittner/Konrad Ott/Uta Eser/Markus Vogt/Thomas Petersen/Bernd Overwien/Ulrich Gebhard/Kerstin Michalik/Matthias Albani/Anna-Katharina Klauer/Vera Bischoff

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU)

Literaturangabe

Thomas Pyhel/Alexander Bittner/Anna-Katharina Klauer/Vera Bischoff (Hrsg.): Umweltethik für Kinder. Impulse für die Nachhaltigkeitsbildung. Deutsche Bundesstiftung Umwelt – DBU-Umweltkommunikation, Band 9. München 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Im Mittelpunkt steht die besondere Rolle der Ethik für unser Leben. Festgestellt wird, dass ethische Leitbilder unsere Grundhaltung, unsere Einstellungen und Wertehaltungen ausdrücken und eine wichtige Rolle für unser Handeln spielen. Vor allem in komplexen, unüberschaubaren Situationen und Zusammenhängen würden sie eine wichtige Funktion bei der Einordnung und Bewertung verschiedener Handlungsoptionen übernehmen. Dies gelte auch für aktuelle Umweltthemen wie den Klimaschutz, die sichere Energieversorgung oder das nachhaltige Ressourcenmanagement, wo es im Kern immer auch um ethische Positionen gehe (etwa zur Verteilung materieller Güter, zur Gerechtigkeit zwischen den Generationen, bei der Suche nach geeigneten Maßstäben, beim Verständnis von Natur und Nachhaltigkeit etc.). Eine der Kernfragen ethischer Reflexion laute: Wie beziehungsweise nach welchen Prinzipien wollen wir leben?

Die Autorinnen und Autoren sind der Auffassung, dass im Handlungsfeld der nachhaltigen Entwicklung umweltethische Fragestellungen und Nachhaltigkeitsbildung untrennbar miteinander verbunden sind. Nachhaltigkeitsbildung müsse sich ethischen Fragestellungen ebenso gleichrangig zuwenden wie naturwissenschaftlichen und ökonomischen Aspekten. Dafür bedürfe es neuer methodischer Zugänge, die unter anderem auch Aspekte der ethischen und politischen Grundbildung berücksichtigen. Angesichts dessen bestehe die Notwendigkeit einer grundsätzlichen inter- und transdisziplinären Weiterentwicklung von Bildungsansätzen, die insbesondere jungen Menschen eine Teilhabe an der Gestaltung einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Gesellschaft ermöglichen kann.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hat zum Ziel, „allen Menschen Bildungschancen zu eröffnen, die es ermöglichen, sich Wissen und Werte anzueignen sowie Verhaltensweisen und Lebensstile zu erlernen, die für eine lebenswerte Zukunft und eine positive gesellschaftliche Veränderung erforderlich sind“ (Nationalkomitee der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung 2011: 7). Gerade Kinder und Jugendliche stellen dabei eine wichtige Zielgruppe entsprechender Bildungsprogramme und -maßnahmen dar. Grundlage einer Nachhaltigkeitsbildung ist die Stärkung kindlicher Autonomie und sozialer Mitverantwortung, damit ein Kind ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln kann, sowie die Stärkung eines kompetenten Umgangs mit Veränderungen und Belastungen, die Mobilisierung eigener Kräfte und die Nutzung sozialer Ressourcen, die dem Kind eine erfolgreiche Bewältigung ermöglichen. Frühkindliche Bildungsprozesse sollten dabei den Erwerb von Kompetenzen zur Entwicklung, kritischen Reflexion und Verstetigung von Werten und Normen umfassen.

Warum-Fragen von Kindern könnten nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Ausgangspunkt sein, um gesellschaftliche Normen zu transformieren. Eine Annäherung könne über den Zugang des philosophischen Gespräches erfolgen: Kinder stellen Fragen, weil sie die Welt begreifen und Zusammenhänge erkennen wollen. Die Fragen nach dem Warum und Woher seien entscheidend für die Entwicklung des eigenen und kollektiven Bewusstseins, für die Einordnung des individuellen und gemeinschaftlichen Handelns und damit für die Entwicklung neuer kreativer Ideen und Lösungskonzepte. Philosophische Gespräche und ein gemeinsames, spielerisches Tun könnten dabei helfen, Klarheit und Orientierung im Denken zu finden.

In dem von der Deutschen Bundesstiftung (DBU) geförderten Projekt „Warum? – Darum! Umweltethik für Kinder. Entwicklung und Erprobung philosophischer Methoden zur Umweltbildung mit Kindern“, das den praktischen Kern der vorliegenden Publikation bildet, wurden für die Zielgruppe der Kindergarten- und Grundschulkinder die klassischen Methoden der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung mit Methoden des Philosophierens verknüpft. Die Kinder wurden und werden angeregt, darüber nachzudenlen, wie aktuelle Umweltprobleme gelöst werden können und welche Möglichkeiten jeder Einzelne hat, hier Verantwortung zu übernehmen. Im Vordergrund stand die Entwicklung geeigneter pädagogischer Konzepte und Materialien zu Themen wie Nachhaltigkeit, Verantwortung oder Rechte von Menschen. Diese Materialien wurden in Partnerschulen und Kindergärten erprobt, optimiert und anschließend publiziert. Ergänzend wurden Aktionstage, Projektwochen und regelmäßige Arbeitsgruppengespräche durchgeführt sowie eine kleine Wanderausstellung zum Thema mit den beteiligten Kindern, Erzieherinnen sowie Grundschullehrkräften umgesetzt.

Die Startphase des Projekts wurde Anfang 2012 abgeschlossen. In Absprache mit Philosophen und Umweltbildnern wurden umweltethische Aktionstage für Kinder im Vor- und Grundschulalter entwickelt und erprobt. Die meisten der Veranstaltungen wurden in der Umsetzungsphase und danach vorbereitet und durchgeführt. Das gesamte Material inklusive der Wanderausstellung werden auch über die Projektlaufzeit hinaus insbesondere Multiplikatoren und Multiplikatorinnen zur Verfügung gestellt. Auch entsprechende Fortbildungen sollen dazu angeboten werden.

Das Projekt wurde als UN-Dekadeprojekt zur Bildung für nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet.

Die vorliegende Publikation soll Anregungen für eine weitere Diskussion und Erprobung umweltethischer Ansätze in der Nachhaltigkeitsbildung junger Menschen geben. Sie soll die vielfältigen Perspektiven auf und die möglichen Herangehensweisen an das Thema aufzeigen und erste Impulse für eine praktische Umsetzung im Bereich der schulischen und außerschulischen Umweltbildungsarbeit setzen.

Wichtige Ergebnisse

In den Beiträgen werden verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeitsbildung beleuchtet, unter anderem:

  • Diskrepanz zwischen der breiten Zustimmung zum Leitbild der Nachhaltigkeit und dem tatsächlichen ökologischen Handeln,
  • Grundzüge der Umweltethik und zentrale Denkfiguren, Rolle der Umweltethik im Gefüge von Philosophie und Umweltwissenschaften,
  • Fragen nach instrumenteller Klugheit und ökologischer Gerechtigkeit, sozialer und globaler Gerechtigkeit, Frage nach dem Guten Leben,
  • Grenzen rationaler Ethik, Prinzip der Verantwortung als Schlüsselbegriff der Umweltkommunikation,
  • Verhältnis von „ökologischem Interesse“ und Umweltethik,
  • Rolle der politischen Bildung bei der Sensibilisierung für ethische Fragen,
  • Werteerziehung und kritische Urteilsbildung,
  • Prinzip „Achtsamkeit“ in der religionspädagogischen Umweltbildung.

Festgestellt wird, dass ethische Orientierungen allein nicht ausreichen, um Motivator für unser tatsächliches Handeln zu sein. Sie weisen nur in eine bestimmte Richtung. Bedeutsamer als das ethische Leitbild erscheine der Weg dorthin. Dieser umfasse unter anderem einen demokratischen Diskurs, die Aneignung und den Austausch von Fachwissen, Vorstellungen, Wünschen, Ängsten und Hoffnungen, die Klärung von Handlungsalternativen, die Festlegung von Zielvereinbarungen und vieles mehr.

Hier komme der Nachhaltigkeitsbildung eine besondere Aufgabe und Verantwortung zu. Nachhaltigkeitsbildung sollte den Rahmen für einen entsprechenden Diskurs über ethische Fragen bilden. Sie könne nicht nur beispielhaft aufzeigen, mit welchen ethischen Implikationen zu rechnen und wie diesen zu begegnen ist, sondern sie sollte auch dazu motivieren, erste Schritte auf dem gewählten „Pfad der Vernunft“ zu gehen. Nachhaltigkeitsbildung werde damit zu einem Erfahrungsfeld, das die Menschen sicherer im Umgang mit schwierigen, komplexen Fragen zu Gerechtigkeit, Solidarität und Verantwortung für zukünftige Generationen macht. Die Prinzipien guter Nachhaltigkeitsbildung seien darauf ausgerichtet, Menschen durch die Vermittlung von Kompetenzen dazu zu befähigen, Zukunft nachhaltig zu gestalten. Nachhaltige Entwicklung sei nicht auf eine kurzfristig geltende Verantwortlichkeit ausgerichtet, sondern ein Querschnittsthema, das alle gesellschaftlichen und individuellen Lebensbereiche betrifft, wie etwa den globalen Wandel von Ökosystemen und deren Belastungsfähigkeit, den Zugang zu und den Umgang mit Rohstoffen, Wachstumskriterien der Wirtschaft, Produkte, Dienstleistungen, Konsum, aber auch Gerechtigkeitskonzepte und Lebensstile. Dabei komme es darauf an, Problembereiche wie zum Beispiel Armut in Entwicklungsländern, gerechte Handelsbeziehungen, sozial-, umwelt- und gesundheitsverträgliche Produktions- und Konsummuster, Bevölkerungsentwicklung und Generationengerechtigkeit den Zugang zu neuen energieeffizienten Technologien oder neue Formen der Partizipation auch ethisch in den Blick zu nehmen.

Nachhaltigkeitsbildung sollte aber nicht nur den theoretischen Diskurs zu einer ethischen Orientierung vorantreiben, sondern möglichst auch konkrete Handlungsangebote unterbreiten. Das sozialwissenschaftliche Konstrukt der Lebensstile könnte zumindest in einem Teilbereich hierzu einen Beitrag leisten, da sich in Lebensstilen Ressourcen, Verhaltensweisen und Wertorientierungen zu erkennbaren und gegebenenfalls zu verändernden Mustern der Lebensführung verbinden.

Fazit zur Projektdurchführung

Es sei deutlich geworden, dass bei den beteiligten Einrichtungen und ihren pädagogischen Kräften das Interesse an dem Projekt und der Methodenkombination groß war. Auch das Feedback zu den durchgeführten Aktionen und insbesondere zu den Multiplikatorenfortbildungen sei durchweg positiv gewesen. Es habe sich gezeigt, dass Grundschülerinnen und -schüler und auch Vorschulkinder schon in der Lage sind, über Sachverhalte und ethische Fragen wie die Notwendigkeit zum Teilen und den Wert eines Lebewesens intensiv in Gesprächskreisen nachzudenken. So ließen sich die philosophischen Methoden gut mit umweltpädagogischen Aktionen kombinieren. Diese Kombination trage wesentlich zur Bildung für nachhaltige Entwicklung bei und rege Kinder zum Nachdenken über die Konsequenzen ihres Handelns an. Allerdings sei es eine große Herausforderung im Schulalltag, ausreichend Zeit für derartige Projekte oder regelmäßige Angebote zu finden und genügend Personal für philosophische Gesprächsrunden in kleinen Gruppen zu haben.

Zugriff

kostenpflichtig