Studie

Deutscher Weiterbildungsatlas 2015

Thema

Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung

Autoren/Autorinnen

Marvin Bürmann/Frank Frick

Erscheinungsort

Gütersloh

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung

Literaturangabe

Marvin Bürmann/Frank Frick: Deutscher Weiterbildungsatlas 2015. Zusammenfassung der Ergebnisse. Hrsg. v. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass Weiterbildung unverzichtbar ist, um den Anforderungen in der Arbeitswelt gerecht werden zu können. Allerdings erweist sich das Weiterbildungsverhalten der Deutschen als sehr unterschiedlich. Zudem zeigen sich in Deutschland erhebliche Unterschiede in den Regionen.

Die Bertelsmann Stiftung hat in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Josef Schrader, Prof. Dr. Klaus Schömann und Andreas Martin (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, DIE) und Prof. Dr. Harm Kuper (Freie Universität (FU) Berlin) einen Weiterbildungsatlas erstellt, in dem die regionalen Unterschiede der Weiterbildungsteilnahme und des Weiterbildungsangebots in Deutschland festgehalten sind. Die Ergebnisse wurden im Austausch mit den Statistischen Landesämtern und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) errechnet. Der Weiterbildungsatlas wurde von einem wissenschaftlichen Projektbeirat begleitet, der bei der konzeptionellen Entwicklung Unterstützung bot.

Die Publikation liefert eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse des Deutschen Weiterbildungsatlas. Grundlage ist der ausführliche Ergebnisbericht des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, der weiterführende Informationen zu den Ergebnissen sowie zu den verwendeten Daten und Methoden liefert und zudem ausführliche Fallstudien enthält.

Alle dargestellten Ergebnisse sowie die Ergebnisse einzelner Jahre können online abgerufen werden (www.deutscher-weiterbildungsatlas.de), ebenso der ausführliche Ergebnisbericht (www.ergebnisbericht.deutscher-weiterbildungsatlas.de).

Wichtige Ergebnisse

Entsprechend der Ergebnisse des Mikrozensus liegt die jährliche Weiterbildungsteilnahme (zwischen 2007 und 2012) deutschlandweit bei 13,5 Prozent. Dieser Durchschnittswert spiegelt allerdings nicht die Situation in den einzelnen Ländern und Regionen wider, wo sich die Teilnahmequoten teilweise stark unterscheiden.

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern fallen noch moderat aus (Minimum: Saarland 11,3 Prozent; Maximum: Hessen 16 Prozent). Dagegen sind die Differenzen auf der Ebene der 96 Raumordnungsregionen in Deutschland mit bis zu dreifach höheren Teilnahmequoten deutlich stärker (Minimum: Emsland 6,1 Prozent; Maximum: Würzburg 18,7 Prozent). Je kleinräumiger Weiterbildung betrachtet wird, desto deutlicher werden die Unterschiede in den Teilnahmequoten. Die Weiterbildungsteilnahme ist in Deutschland somit regional sehr unterschiedlich verteilt.

Unterschiede im Weiterbildungsverhalten der Deutschen bestehen auch in Bezug auf die berufliche Qualifikation. So nehmen Geringqualifizierte (Personen ohne Ausbildungs- oder Hochschulabschluss) deutlich seltener daran teil als Personen mit einem berufsqualifizierenden Abschluss. Ungleiche Bildungschancen aufgrund der sozialen Herkunft finden also im Weiterbildungssystem ihre Fortsetzung. In der besonders weiterbildungsrelevanten Altersgruppe der 25- bis 54-Jährigen ist die Teilnahmequote bei Höherqualifizierten mit 22,5 Prozent mehr als dreimal so hoch wie die Quote der Geringqualifizierten (6,7 Prozent). Dabei könnten gerade Personen, die keinen berufsqualifizierenden Abschluss haben, in besonderem Maße von Weiterbildung profitieren. Somit bleiben auch wichtige Potenziale für den Arbeitsmarkt ungenutzt.

In der Studie wurden auch relevante Faktoren für die Weiterbildungsteilnahme in den Regionen untersucht. Die Analysen zeigen, dass wirtschaftlich stärkere Regionen höhere Teilnahmequoten aufweisen. Dieser Zusammenhang findet sich auch bei der Untersuchung des Weiterbildungsangebotes, das zum Beispiel im betrieblichen Kontext stark auf konjunkturelle Schwankungen reagiert. Die Befunde sprechen dafür, dass die Wirtschaft vor Ort ein wichtiger Indikator für die Weiterbildungsteilnahme ist. Die wirtschaftliche Situation hängt auch mit der Sozialstruktur zusammen, etwa in Form von höher gebildeten und besser verdienenden Einwohnerinnen und Einwohnern. Deutlich wird, dass die regionalen Wirtschafts- und Sozialstrukturen erheblichen Einfluss auf die Weiterbildungsteilnahme und das Weiterbildungsangebot in den Regionen haben. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Regionen wurden deshalb die strukturellen Unterschiede einbezogen und berechnet, welche Teilnahmequote statistisch für eine Region auf der Grundlage der gegebenen Voraussetzungen zu erwarten wäre. Somit wurde jede Region an einem eigens für sie errechneten Erwartungswert gemessen, der die jeweilige Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruktur berücksichtigt.

Im Ergebnis schöpfen 66 Regionen (69 Prozent) ihr Potenzial im Wesentlichen aus. 17 Regionen (18 Prozent) nutzen die Potenziale dagegen zu weniger als 84 Prozent, 13 Regionen (14 Prozent) übertreffen wiederum die Erwartungen um mehr als 16 Prozent und nutzen ihre Möglichkeiten besonders gut. Spitzenreiter sind hier die Raumordnungsregionen Schleswig-Holstein Süd-West, Starkenburg und Würzburg. Diese Bereinigung um strukturelle Faktoren kann die absolut geringen Teilnehmerzahlen allerdings nicht erklären, was insbesondere für die Teilnahmequoten der Geringqualifizierten gilt.

Die verbleibenden Abweichungen von der erwarteten Teilnahme müssen auch hier regionalspezifische Gründe haben. Nach diesen Gründen haben die Wissenschaftler der Studie in sieben ausgewählten Regionen gesucht. Dabei zeigte sich erneut die zentrale Rolle der Wirtschaft für die Weiterbildungsteilnahme. Darüber hinaus spielten weitere Faktoren eine wichtige Rolle, zum Beispiel

  • die Erreichbarkeit von Weiterbildungsangeboten mit dem öffentlichen Personennahverkehr – besonders in ländlicheren Regionen,
  • die Kooperation der für Weiterbildung relevanten Akteure wie Träger und Unternehmen, da dadurch Ressourcen gespart und das Angebot aufeinander abgestimmt und optimiert werden kann,
  • eine unabhängige Weiterbildungsberatung für die Weiterbildungsinteressierten, die dann ein Angebot finden können, das ihren Bedürfnissen am besten entspricht.

Neben dem betrieblichen Weiterbildungsangebot wurden auch öffentliche und privatwirtschaftliche Angebote untersucht. Hier zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Die Wissenschaftler führen dies auf die unterschiedliche Struktur zur Zeit der deutschen Teilung und die Folgen der Wiedervereinigung zurück. So besteht im Osten Deutschlands ein größeres Angebot an privatwirtschaftlichen Anbietern und ein geringeres öffentliches Angebot (in Form von VHS-Kursen) als im Westen. Mit der Wiedervereinigung sei ein großer Bedarf an Weiterbildungen und Umschulungen entstanden, der vor allem durch privatwirtschaftliche Anbieter gedeckt wurde, so die Autoren. Zu Zeiten der DDR spielten Volkshochschulen nur eine untergeordnete Rolle, weshalb man nach der Wende auf keine entwickelte öffentliche Weiterbildungsinfrastruktur zurückgreifen konnte. Entsprechende Unterschiede in der Weiterbildungslandschaft seien bis heute präsent. Die Verhältnisse zwischen Ost und West hätten sich beim Weiterbildungsangebot nicht angeglichen.