Studie

Deutscher Weiterbildungsatlas 2018

Thema

Teilnahme und Angebot an Weiterbildungen in Deutschland

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung

Erscheinungsort

Gütersloh

Erscheinungsjahr

2018

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung

Literaturangabe

Deutscher Weiterbildungsatlas 2018. Teilnahme und Angebot in Kreisen und kreisfreien Städten. Hrsg. v. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh 2018. DOI 10.11586/2018057

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass Schule, Berufsausbildung und Studium die Grundsteine für die privaten und beruflichen Chancen der Menschen in Deutschland legen: Sie entscheiden über die wirtschaftlichen Verhältnisse, soziale Sicherheit und Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. Weiterbildung trägt nach Auffassung der Bertelsmann Stiftung entscheidend dazu bei, das Erreichte zu bewahren und zu erweitern. Um gleiche Chancen für alle sicherzustellen, sollte Weiterbildung regional möglichst einheitlich zugänglich sein.

Daraus ergibt sich die Frage, wie die Teilnahme und das Angebot an Weiterbildungen in Deutschland verteilt ist. Damit beschäftigt sich der Deutsche Weiterbildungsatlas, indem er die Angebots- und Beteiligungssituation auf Länder- und Kommunalebene darstellt.

Der vorliegende dritte Deutsche Weiterbildungsatlas zeigt in Bezug auf das Weiterbildungsverhalten der Deutschen, wie sich Länder und Kreise in den Jahren 2014 und 2015 entwickelt haben. Im Mittelpunkt steht die Wohnbevölkerung ab dem 25. Lebensjahr bis ins hohe Alter (basierend auf dem Konzept des lebenslangen Lernens). Da soziale und wirtschaftliche Ungleichheit das Weiterbildungsverhalten stark beeinflussen, wird auch die Gruppe der Geringqualifizierten analysiert. Erstmalig ausgewertet wird auch die Weiterbildungsteilnahme der von Armut bedrohten Bevölkerung – also von Menschen in Haushalten mit weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Haushaltseinkommens (Definition nach EU und OECD). Diese beiden gesellschaftlichen Gruppen werden im zentralen Erwerbsalter von 25 bis 54 Jahren betrachtet, um auf arbeitsmarktrelevante Erkenntnisse zu fokussieren.

Der Deutsche Weiterbildungsatlas kann den kommunalen Entscheidern und Verantwortlichen einen datenbasierten Überblick zur Weiterbildungssituation vor Ort liefern. Zentrales Maß für die Weiterbildungsaktivität ist die Weiterbildungsteilnahme. Um sie zu ermitteln, werden die Ergebnisse des jährlichen Mikrozensus – der größten regelmäßig erhobenen Bevölkerungsbefragung in Deutschland – genutzt. Neben der Weiterbildungsteilnahme auf Landes- und Kommunalebene zeigt die sogenannte Potenzialausschöpfung, wie Länder und Kreise ihre strukturellen Voraussetzungen für Weiterbildung nutzen. Sie gibt an, welche Teilnahmequote auf Basis der örtlichen Sozial-, Wirtschafts- und Infrastruktur für eine Region theoretisch zu erwarten wäre. Die einzelnen Regionen werden somit an ihrem eigenen Potenzial

gemessen und sind damit trotz unterschiedlicher struktureller Voraussetzungen vergleichbar. Wenn die Teilnahmequote vor Ort der statistischen Erwartung entspricht, beträgt die Potenzialausschöpfung 100 Prozent. Liegt die Potenzialausschöpfung darunter, bleibt die Region hinter den Erwartungen zurück, beträgt sie über 100 Prozent, werden die statistischen Erwartungen übertroffen.

Im Anschluss wird die unterschiedliche Angebotssituation in den Ländern und Kreisen betrachtet. Dazu gehören sowohl berufsbildende als auch allgemeinbildende Angebote in vier Anbietersegmenten (öffentlich, privatwirtschaftlich, betrieblich und gemeinschaftlich).

Während der erste Deutsche Weiterbildungsatlas (Auswertungszeitraum 2007 bis 2011) Teilnahme und Angebot auf Ebene der Bundesländer und Raumordnungsregionen analysiert hat, wurden im zweiten Deutschen Weiterbildungsatlas (Auswertungszeitraum 2012/2013) neben den Bundesländern die Kreise und kreisfreien Städte in den Blick genommen. Mit dem Betrachtungszeitraum 2014/2015 und einem erneuten Fokus auf Kreisen und kreisfreien Städten knüpft der dritte Deutsche Weiterbildungsatlas direkt an seine Vorgängerstudien an. Durch die Vergleichsmöglichkeit sind erstmals Aussagen zu kommunalen Entwicklungen des Weiterbildungsverhaltens möglich. Kommunen können anhand der individuellen Unterschiede und Trends feststellen, ob sie hinsichtlich Weiterbildung auf einem guten Weg sind oder ob Handlungsbedarf besteht.

Wie die 2016 veröffentlichte zweite Ausgabe verdeutlicht auch der Atlas 2018 die Weiterbildungssituation in den Bundesländern sowie in den 401 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten (zusammenfassender Begriff: Kommunen). Zusammen mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) wurden die regionalen Unterschiede bei den Teilnahmequoten und bei der Verteilung von Weiterbildungsangeboten erhoben. Die in den Vorjahren genutzten Datenquellen und Berechnungsmethoden wurden auch im vorliegenden Weiterbildungsatlas genutzt, um an die Daten und Erkenntnisse der letzten Jahre anknüpfen zu können. Grundlage sind die vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung berechneten Ergebnisse. Datenbasis hierfür sind die Volkshochschulstatistik, die Verbundstatistik, das IAB-Betriebspanel sowie das Unternehmensregister. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Josef Schrader und Dr. Andreas Martin vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) durchgeführt. Die vorliegende Broschüre liefert eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse des dritten Deutschen Weiterbildungsatlas.

Wichtige Ergebnisse

Entwicklung von Weiterbildungsbeteiligung und Angeboten

Deutlich wird, dass es im Auswertungszeitraum 2014/2015 – ebenso wie 2012/2013 – erhebliche regionale Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung und im Angebotsumfang gibt. Damit sehen die Wissenschaftler die Befunde aus den Vorjahren bestätigt. Mit dem aktuellen Weiterbildungsatlas können durch die Vergleichsmöglichkeit auch mehrjährige Entwicklungen auf Kreisebene nachgezeichnet werden. Dabei zeigt sich, dass kommunale Weiterbildungsbeteiligung nicht unveränderlich ist und sich Kommunen auch kurzzeitig positiv sowie negativ entwickeln können.

1. Starke Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung:

  • Bundesweit ist die Weiterbildungsbeteiligung leicht zurückgegangen (2012: 12,6 Prozent – 2014: 12 Prozent).
  • Innerhalb Deutschlands ist die Weiterbildungsbeteiligung immer noch sehr heterogen: Auf der Ebene der Bundesländer variiert sie zwischen 7,8 und 15,3 Prozent. An der Spitze steht (wie in den Vorjahren) Baden-Württemberg.
  • Noch größer sind die Unterschiede auf kommunaler Ebene: Die Spannweite der Weiterbildungsbeteiligung reicht dort von geringen 2,3 Prozent in der Grafschaft Bentheim bis zu weit überdurchschnittlichen 22,7 Prozent in Landsberg am Lech.

2. Weiterbildung ist auch über gesellschaftliche Gruppen hinweg ungleich verteilt:

  • Die von Armut bedrohte Bevölkerung weist eine Beteiligungsquote von nur 7,7 Prozent auf, und die geringqualifizierten Personen liegen mit einer Weiterbildungsbeteiligung von 5,6 Prozent sogar noch darunter. Beide Gruppen unterschreiten somit deutlich den ohnehin schon niedrigen Durchschnitt der Gesamtbevölkerung von 12,2 Prozent.

Unterschiedliche Nutzung der Potenziale durch Länder und Kommunen:

  • Die Weiterbildungsbeteiligung ist regional sehr ungleich verteilt. Dies ist auch auf strukturelle Faktoren wie die soziale und ökonomische Lage der Bevölkerung, die Wirtschaftskraft oder die ländliche bzw. städtische Siedlungsstruktur in Bundesländern und Kommunen zurückzuführen. Diese strukturellen Gegebenheiten berücksichtigt der Deutsche Weiterbildungsatlas in Form der sogenannten Potenzialausschöpfung. Hier zeigt sich, dass viele Länder und Kommunen – positiv oder negativ – von der für sie zu erwartenden Weiterbildungsbeteiligung abweichen. Bundesländer wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz übertreffen die Erwartungen deutlich (119,7 bzw. 117,3 Prozent), während das Saarland (75,4 Prozent), Berlin (77,4 Prozent), Hamburg (80,8 Prozent) und Brandenburg (86,8 Prozent) deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.
  • Auch bei der Potenzialausschöpfung ist die Spannweite auf kommunaler Ebene erheblich größer als auf Landesebene: Während einige Kommunen die statistische Erwartung um über 50 Prozent übertreffen, bleiben andere um über 50 Prozent hinter ihrem Potenzial zurück.

Weiterbildung armutsgefährdeter und geringqualifizierter Menschen:

  • Die Bundesländer nutzen ihre Potenziale zur Weiterbildung armutsgefährdeter und geringqualifizierter Menschen sehr unterschiedlich. Während die meisten Länder ihre Weiterbildungspotenziale in beiden Zielgruppen ausschöpfen, bleiben andere hier deutlich unter ihren Möglichkeiten.
  • Ungeachtet einer hohen Potenzialausschöpfung in einzelnen Ländern bleiben die Teilnahmequoten bei Armen und Geringqualifizierten – im Vergleich zur restlichen Bevölkerung – aber durchgehend niedrig.

Anbieter von Weiterbildung:

  • Öffentliche Weiterbildungsangebote: Im öffentlichen Bereich ist das Weiterbildungsangebot seit 2012 relativ stabil geblieben. Als wichtigste Einrichtung bietet die Volkshochschule zahlreiche Kurse im beruflichen und privaten Bereich an. 2015 standen durchschnittlich 6,9 offen zugängliche Kurse für 1.000 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zur Verfügung.
  • Gewerkschaftliche und konfessionelle Träger: Bei einem Bundesdurchschnitt von 1,4 Anbietern pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern variiert die Anzahl an Weiterbildungsangeboten gewerkschaftlicher und konfessioneller Träger stark. In einigen Kommunen findet in diesem Bereich überhaupt keine gemeinschaftliche Weiterbildung statt, andere Kommunen übertreffen den Durchschnitt um ein Vielfaches. Hier stehen viele Kommunen in Sachsen-Anhalt an der Spitze. Auch auf Länderebene liegt dieses Bundesland hier deutlich vorn.
  • Privatwirtschaftliche Anbieter: 2014 standen bundesweit durchschnittlich ca. 46 privatwirtschaftliche Anbieter für 100.000 Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Auch hier setzten sich die Trends aus den Vorjahren fort: Neben Hamburg und Berlin dominieren die Länder Hessen, Bayern und Schleswig-Holstein.
  • Betriebliche Weiterbildung: Durchschnittlich ca. 48 betriebliche Weiterbildungsangebote waren 2014 für 1.000 Bürgerinnen und Bürger zugänglich. Damit hat sich das Angebot im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht (2013: ca. 45). Vor allem Großstädte und Wirtschaftszentren bieten umfangreiche betriebliche Weiterbildungsmöglichkeiten, während das Angebot in strukturschwachen Regionen eher gering ist.