Studie

ElternZOOM 2018

Thema

Elternbeteiligung an der Kita-Finanzierung

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung

Erscheinungsort

Gütersloh

Erscheinungsjahr

2018

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung

Literaturangabe

ElternZOOM 2018. Schwerpunkt: Elternbeteiligung an der KiTa-Finanzierung. Hrsg. v. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh 2018.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass fast alle drei- bis unter sechsjährigen Kinder (93,8 Prozent) eine Kindertageseinrichtung (Kita) oder Kindertagespflege besuchen. Bei den unter dreijährigen Kindern sind es 33,1 Prozent (Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2018), deren Anteil in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Insgesamt wurde das frühkindliche Bildungssystem im letzten Jahrzehnt stark ausgebaut, um genügend Angebote für Familien und Kinder bereitstellen zu können. Auch die öffentlichen Ausgaben für Kindertagesbetreuung sind gestiegen: Sie erhöhten sich zwischen 2005 und 2017 etwa um das 2,5-fache (Bildungsfinanzbericht 2017: 43). Mit der gestiegenen Annerkennung der Kindertagesbetreuung als Bildungsort wurde auch der kostenfreie Besuch einer Kita oder Kindertagespflege diskutiert bzw. in einigen Bundesländern für bestimmte Altersgruppen bereits umgesetzt. Allerdings müssen sich Eltern nach wie vor in erheblichem Umfang an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung beteiligen. Grundsätzlich wird die Finanzierung – und somit auch die Finanzierungsanteile der einzelnen Akteure (Land, Kommunen, Träger, Eltern) – durch das jeweilige Landesrecht geregelt. Dabei sind in den einzelnen Ländern die Finanzierungsanteile der Akteure ebenso unterschiedlich wie die Finanzierungsbeteiligung der Eltern, die eine erhebliche Spannbreite aufweist: von 7 Prozent in Berlin bis 23 Prozent in Sachsen-Anhalt (vgl. Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2018). Wenn die Kindertagesbetreuung qualitativ und quantitativ ausgebaut werden soll, sind erhebliche finanzielle Mittel erforderlich. Hier stellt sich die Frage, ob der Ausbau und eine vollständige Elternbeitragsfreiheit bundesweit gleichzeitig finanziell zu realisieren bzw. politisch durchgesetzt werden könnte.  

Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des ElternZOOM der Bertelsmann Stiftung im Herbst/Winter 2017 eine bundesweite Befragung von Eltern durchgeführt, bei der die Elternausgaben für den Kita-Besuch erhoben wurden. In Kooperation mit infratest dimap wurden insgesamt 10.491 Eltern von Kita-Kindern zu den Themen Teilhabe, Qualität und Finanzierung rund um die Kita befragt. Die Ergebnisse der Befragung beruhen auf zwei gesondert erhobenen Stichproben.

  • Eine Stichprobe wurde durch infratest dimap erhoben und umfasst 4.668 Quoten-Befragungen aus einem Online-Accesspanel, die nach Gewichtung die Merkmale Alter, Geschlecht, Personen im Haushalt, Familienstand, Berufstätigkeit, Bildung, Ost/West und Bundesland passend repräsentieren. Der Befragungszeitraum lag zwischen dem 23. Oktober und dem 21. November 2017. Aus dieser Stichprobe können Erkenntnisse für die gesamte Bundesrepublik abgeleitet werden.
  • Eine zweite Stichprobe, bestehend aus 5.824 Eltern, wurde über Aushänge in Kitas sowie über Anzeigen in Zeitschriften und online selbst rekrutiert. Die Bertelsmann Stiftung informierte dazu 49.051 Kitas in Deutschland per Mail oder postalisch über die Befragung und stellte ein Infoschreiben als Aushang zur Verfügung. Diese Befragung fand zwischen dem 23. Oktober 2017 und dem 2. Januar 2018 statt.

In der Publikation ElternZOOM 2018 werden zentrale Ergebnisse der Befragung sowie Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung zur möglichen Ausgestaltung von Elternbeiträgen vorgestellt.

Wichtige Ergebnisse

Ergebnisse der Umfrage

1. Welche Kosten entstehen Eltern durch Kita-Betreuung?

Höhe der Kita-Gebühren:

  • Die Mehrheit der Eltern zahlt für die Betreuung ihres Kindes in der Kita einen monatlichen Beitrag (bei den anderen gibt es Beitragsfreiheit oder sie erhalten aus familiären Gründen eine Beitragsbefreiung).
  • Bundesweit zahlen 90 Prozent der Eltern zwischen 30 und 390 Euro an Kita-Beiträgen monatlich. Im Durchschnitt wenden sie dafür 5,6 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens bzw. 173 Euro monatlich auf, was 1,1 bis 12,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens entspricht.
  • Die Höhe der Kita-Beiträge hängt dabei signifikant mit dem Einkommen der Eltern zusammen – je höher das Einkommen, desto höher ist auch der Kita-Beitrag.
  • Die Höhe der Beiträge und damit auch die finanzielle Belastung der Eltern ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. So ist zum Beispiel die finanzielle Belastung der Eltern in Schleswig-Holstein am höchsten, in Berlin hingegen am geringsten.
  • Darüber hinaus bestehen auch zwischen den kommunalen Ebenen in den Bundesländern deutliche Unterschiede. Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine landeseinheitliche Regelung für die Bemessung der Kita-Beiträge zu geringeren Schwankungen bei der finanziellen Belastung der Eltern durch Kita-Beiträge führen kann (wie in Hamburg), während eine kommunal- oder trägerspezifische Ausgestaltung der Kita-Beiträge größere Spannbreiten zur Folge haben kann (wie in Mecklenburg-Vorpommern).

Zusatzkosten:

  • Zusätzlich zum Kita-Beitrag können bei der Kita-Betreuung weitere Gebühren für die tägliche Verpflegung und Hygieneartikel sowie für Bastelmaterialien oder auch Ausflüge entstehen. Nach den Ergebnissen der Studie müssen 91 Prozent der Eltern zusätzliche Gebühren bezahlen. Die zusätzlichen Ausgaben betragen im Durchschnitt 45 Euro monatlich. Das Mittagessen stellt für Eltern die höchste Belastung im Rahmen der Zusatzgebühren dar (durchschnittlich 41 Euro im Monat). Hinzu kommen Ausflüge sowie Hygieneartikel (durchschnittlich 10 bzw. 13 Euro im Monat).

Gesamtkosten

  • Die Gesamtkosten, die Eltern für den Kita-Besuch ihres Kindes aufwenden müssen, setzen sich aus den Kita-Beiträgen und den Zusatzgebühren zusammen. 90 Prozent der Eltern bezahlen nach eigener Auskunft insgesamt zwischen 12 und 400 Euro monatlich für den Kita-Besuch ihres ältesten Kindes, was einer durchschnittlichen Belastung von 5,7 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens entspricht.
  • Auch die Höhe der Gesamtkosten schwankt sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Bundesländer erheblich (durchschnittlich 2 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Kita-Betreuung des ältesten Kindes in Berlin, 9 Prozent in Schleswig-Holstein).
  • Für Familien mit einem geringen Einkommen kann die Höhe der Beiträge und Gebühren darüber entscheiden, ob eine institutionelle Betreuung des Kindes in Anspruch genommen wird. Durch die Kita-Kosten kann sich die finanzielle Situation einer Familie deutlich verschlechtern.
  • 68 Prozent der befragten Eltern, deren Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt, zahlen derzeit einen Kita-Beitrag (86 Prozent der Eltern mit einem höheren Einkommen). Somit zahlen viele Eltern trotz ihres geringen Einkommens Kita-Gebühren. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass es im Sozialgesetzbuch VIII keine bundeseinheitlichen Regelungen zur verpflichtenden Staffelung der Elternbeiträge gibt, sodass jedes Bundesland selbst über eine Staffelung der Beiträge entscheidet. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt dann in der Regel auf der kommunalen Ebene und führt ebenfalls zu einer heterogenen Ausgestaltung. 
  • Eltern mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze, die einen Kita-Beitrag zahlen, wenden dafür 9,8 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens auf (Eltern oberhalb der Armutsgefährdungsgrenze nur 5,1 Prozent). Armutsgefährdete Familien werden – trotz einer größtenteils einkommensabhängigen Beitragsbemessung – fast doppelt so stark belastet. Auch wenn der Beitrag absolut gesehen geringer ist, reichen die bisherigen Beitragsstaffelungen nicht aus, um armutsgefährdete Familien tatsächlich in Relation zu ihrem Haushaltsnettoeinkommen zu entlasten.
  • Auch bei den Zusatzgebühren sind Familien unterhalb der Armutsrisikogrenze doppelt so stark belastet wie andere Familien. Sie zahlen 3,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens, während Eltern mit einem höheren Einkommen nur 1,4 Prozent aufwenden müssen. Die absoluten Werte der Zusatzgebühren sind nahezu gleich, es gibt keine sozialen Staffelungen. Grundsätzlich steht allerdings Eltern (in Abhängigkeit von ihrem Einkommen) über die Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets eine Möglichkeit der Entlastung für das Mittagessen sowie für Ausflüge zur Verfügung, die aber möglicherweise nicht immer genutzt wird.
  • Die finanzielle Belastung durch Kita-Kosten unterscheidet sich erheblich: In Familien oberhalb des Armutsrisikos liegt sie bei 5,2 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, in Familien mit einem geringeren Einkommen bei 8,8 Prozent. (Bei der Betrachtung der Gesamtkosten werden auch jene Eltern einbezogen, die aktuell keinen Kita-Beitrag, sondern lediglich Zusatzgebühren bezahlen müssen).

2. Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung: Reformbedarfe bei der Bemessung von Kita-Beiträgen unter Berücksichtigung des anstehenden Qualitätsausbaus

  • Die finanzielle Belastung durch Kita-Beiträge ist ungerecht verteilt.

Nach den Ergebnissen der Befragung ElternZOOM sind die Kita-Beiträge trotz bestehender sozialer Staffelungen ungerecht verteilt. Zudem müssen Zusatzgebühren für die Kita-Betreuung völlig einkommensunabhängig gezahlt werden. Darüber hinaus hängt es offenbar sehr stark vom Wohnort und den dort jeweils geltenden Regelungen ab, wie viel Eltern für die Kita-Betreuung ihres Kindes bezahlen müssen. Ein zentrales Ergebnis von ElternZOOM 2018 ist, dass die Gruppe der Eltern, deren Einkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze liegt, besonders stark belastet wird.

  • Es besteht ein erheblicher Finanzierungsbedarf für Kita-Beitragsfreiheit sowie die Befreiung von Zusatzgebühren.

Auf Basis der Elternbefragung ElternZOOM würde eine bundesweite und vollständige Befreiung aller Eltern von Beiträgen sowie Zusatzgebühren für Kita-Betreuung schätzungsweise Kosten in Höhe von 7,3 Mrd. Euro jährlich verursachen. Die von den Eltern gezahlten Beiträge und Gebühren tragen gegenwärtig wesentlich zur Finanzierung der Kitas bei, so dass die ausfallenden Finanzierungsanteile (5,7 Mrd. Euro Elternbeiträge und 1,6 Mrd. Euro Zusatzgebühren) vollständig durch öffentliche Mittel refinanziert werden müssten.

  • Faire Bildungschancen brauchen bundesweiten Qualitätsausbau in Kitas. Daraus ergeben sich steigende Finanzbedarfe.

Die strukturellen Rahmenbedingungen von Kitas, wie beispielsweise Personalschlüssel oder auch Personalressourcen für Leitungsaufgaben, sind bundesweit sehr unterschiedlich und führen zu ungleichen Bildungs- und Entwicklungschancen von Kita-Kindern in Deutschland. Deshalb besteht nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung dringender Reformbedarf für eine Angleichung der Qualität der Kitas bundesweit. Auch Bund, Länder und Kommunen hätten Handlungsbedarfe bei der Qualität in der Kindertagesbetreuung identifiziert und sich bei der Jugend- und Familienministerkonferenz am 19. Mai 2017 mehrheitlich auf Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz verständigt (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2018). Nach dem Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass der Bund insgesamt in der laufenden 19. Legislaturperiode 3,5 Mrd. Euro für den Ausbau der Kindertagesbetreuung und für die Steigerung der Qualität zur Verfügung stellen wird. 2019 sind dafür 0,5 Mrd. Euro, 2020 eine Mrd. Euro sowie 2021 zwei Mrd. Euro vorgesehen.

Nach Analysen der Bertelsmann Stiftung sind insbesondere in drei Bereichen Maßnahmen zum Qualitätsausbau erforderlich: Personalschlüssel, Leitungsausstattung sowie Mittagessen. Für einen kindgerechten Personalschlüssel müssten bundesweit zusätzlich 4,9 Mrd. Euro aufgewendet werden (Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2017). Für eine angemessene Leitungsausstattung seien weitere 1,3 Mrd. Euro (Bertelsmann Stiftung 2017) sowie für ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder jährlich zusätzlich 1,8 Mrd. Euro erforderlich (Bertelsmann Stiftung 2014). Demnach würden für den Qualitätsausbau jährlich mindestens zusätzliche Kosten in Höhe von 8 Mrd. Euro entstehen. Auf der Grundlage dieser Berechnungen würden für eine komplette Kita-Beitragsfreiheit sowie die benannten Qualitätsausbaumaßnahmen jährlich insgesamt 15,3 Mrd. Euro Kosten anfallen.

  • Kostenfreier Kita-Besuch für Kinder aus armutsgefährdeten Familien

Die Bertelsmann Stiftung weist darauf hin, dass sich nur „gute“ Kitas positiv auf die Bildung und Entwicklung von Kindern auswirken können. Die Fortsetzung des bundesweiten Qualitätsausbaus müsse deshalb durch alle beteiligten Akteure gewährleistet werden. Dafür seien umfangreiche Finanzmittel erforderlich. Eine gleichzeitige komplette Beitragsfreiheit könnte dadurch möglicherweise nicht finanziert werden. Allerdings müsse dafür gesorgt werden, dass Kita-Beiträge nicht zu einer Zugangsbarriere werden. Die Ergebnisse von ElternZOOM zeigten deutlich, dass Eltern mit einem Haushaltsnettoeinkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze deutlich stärker durch Ausgaben für den Kita-Besuch ihres Kindes belastet werden als Eltern mit einem Einkommen oberhalb der Armutsrisikogrenze. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt deshalb, zunächst alle Eltern unterhalb der Armutsrisikogrenze sowohl von den Kita-Beiträgen als auch von den Zusatzgebühren zu befreien. Insgesamt würde dies 730 Mio. Euro jährlich kosten (davon 495 Mio. Euro für Kita-Beiträge und 235 Mio. Euro für Zusatzgebühren). Auch bei den Eltern mit höheren Einkommen empfiehlt die Bertelsmann Stiftung eine Staffelung. Eine bundesweit einheitliche Regelung hält die Bertelsmann Stiftung für sinnvoll, um die starken regionalen Unterschiede zu beseitigen. Vorgeschlagen wird, den Beitrag prozentual am Äquivalenzeinkommen zu orientieren. Dabei sollte nur das Einkommen berücksichtigt werden, das oberhalb der Armutsrisikogrenze liegt.