HandlungsempfehlungenPositionspapier

Kulturelle Bildung und Corona

Thema

Risiken, Chancen und neue Perspektiven für Kulturelle Bildung

Herausgeberschaft

Rat für Kulturelle Bildung (Hg.)

Erscheinungsort

Essen

Erscheinungsjahr

2020

Stiftungsengagement

Rat für Kulturelle Bildung (Initiative der Bertelsmann Stiftung, Deutsche Bank Stiftung, Karl Schlecht Stiftung, PwC-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und der Stiftung Nantesbuch)

Literaturangabe

Rat für kulturelle Bildung: Kulturelle Bildung und Corona: Was uns die Krise lehrt. Position des Rates für Kulturelle Bildung, Essen, 24.4.2020.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Der Rat für Kulturelle Bildung hat die Entwicklungen der ersten Wochen sowie die noch bevorstehende Zeit der Corona-Pandemie zum Anlass genommen, die Kulturelle Bildung im Krisenmodus näher zu beleuchten.

Ungeachtet der Wiederöffnung erster Zugänge zu einzelnen Lebensbereichen würde die Gesellschaft noch länger starke Einschränkungen begleiten. Viele dieser Einschränkungen hätten erhebliche Implikationen für Kunst und Kultur und zugleich für die Kulturelle Bildung als öffentliches Gut und als zentrale Voraussetzung der kulturellen Teilhabe. Durch den von der Corona-Krise ausgelösten strukturellen Bruch seien sowohl Zugänge zu Kultureller Bildung als auch deren Qualität stark gefährdet. Da unklar sei, ob und wann sich eine Rückkehr zur früheren Normalität einstellt oder welche Teile des Ausnahmezustandes sich in eine neue Normalität wandeln werden, will der Expert*innenrat mit dem vorliegenden Debattenbeitrag Risiken, Chancen und neue Perspektiven für die Kulturelle Bildung beleuchten.

Der Rat für Kulturelle Bildung ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das sich umfassend mit der Lage und der Qualität Kultureller Bildung in Deutschland befasst. Ihm gehören elf Mitglieder an, die verschiedene Bereiche der Kulturellen Bildung repräsentieren: Tanz- und Theaterpädagogik, Musik- und Literaturvermittlung, Erziehungswissenschaften, Medienpädagogik, Pädagogik, Politische Bildung, Soziologie, Kulturelle Bildung und die Künste. Der Rat für Kulturelle Bildung ist eine Initiative der Bertelsmann Stiftung, Deutsche Bank Stiftung, Karl Schlecht Stiftung, PwC-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und der Stiftung Nantesbuch.

Wichtige Ergebnisse

Wesentliche Aspekte: Risiken, Chancen und neue Perspektiven für Kulturelle Bildung

Gegenwärtig seien Schulen und Lehrkräfte bis auf Weiteres gezwungen, im Ausnahmemodus zu agieren. Vor diesem Hintergrund habe es vereinzelt die Empfehlung gegeben, sich auf die Kernfächer wie Sprachen und Mathematik zu beschränken. Der Rat für Kulturelle Bildung sieht ein solches Vorgehen kritisch und weist gegenüber Schulen und Bildungspolitik auf das Potenzial der ästhetischen Bildung im Umgang mit Unsicherheit und Verunsicherung hin. In der Krise sollten Schulen neben der Sicherung von Übergängen und Abschlüssen auch – mitunter digitale gemeinschaftliche – ästhetische Erfahrungsräume öffnen, sowohl um ihren Allgemeinbildungsauftrag zu erfüllen, als auch um den Auswirkungen der Krise auf die einzelnen Menschen zu begegnen. Dies gelte insbesondere für Kinder und Jugendliche, für die Schulen teilweise der einzige Ort für kulturelle Teilhabe sind.

In der Krise seien zahlreiche kreative digitale Formate der Kulturellen Bildung kurzfristig ins Leben gerufen worden. Daran zeigten sich auch mögliche positive Nebenwirkungen des Corona-Schocks bei den Kulturinstitutionen und weiteren non-formalen Anbietern der Kulturellen Bildung. Diese sollten seitens der Institutionen sowie der Jugend- und Kulturpolitik über die Krise hinaus evaluiert und, wo sinnvoll, verstetigt werden – vor allem hinsichtlich ihres Potenzials, neue Zielgruppen zu erreichen und kulturelle Teilhabe zu stärken.

Kulturelle Bildung müsse als Weg aus der Isolation gerade neu erfunden werden. Das zeige die Sehnsucht nach Sinnlichem und Gemeinschaft, die sich in kulturellen und künstlerischen Bewältigungsstrategien auf die Krise äußert, aber auch in den vielen kreativen Strategien der Akteurinnen und Akteure Kultureller Bildung in dieser Zeit. Kulturpolitik und -verwaltung sollten diese Bemühungen nach Kräften unterstützen. Zusätzlich sei darauf zu achten, dass Themen, die in den letzten Jahren mühsam aufgebaut und entwickelt wurden, angesichts der Krise nicht aus dem Blick geraten, insbesondere die Diversität der kulturellen Gegenstände und ästhetischen Praxen sowie die Vielfalt der künstlerischen und kulturellen Perspektiven.

Die Strukturen kultureller Bildungslandschaften seien alles andere als krisenfest – vielmehr seien hier alle Ebenen der Bildungs-, Jugend-, und Kulturpolitik und -verwaltung gefordert, eine stabile Grundlage für kommunale und regionale Bildungslandschaften als Voraussetzung für das Öffentliche Gut Kulturelle Bildung zu schaffen. Es sei kein zukunftsfähiger Weg, auf Abruf- und Selbstausbeutungsbereitschaft in einem von Honorarkräften und Projektförderungen geprägten Feld abzustellen.

Auch die Akteure, Stakeholder und Gestalter*innen Kultureller Bildung seien gefragt, ihre Annahmen über Qualität, Teilhabe, Zugänge im Hinblick auf Kulturelle Bildung zu reflektieren. Aus dem Ausnahmezustand sollten Lehren gezogen werden, welche dieser Annahmen konstant sind und die Krise überdauern müssen, und wie Kulturelle Bildung gestaltet werden muss, um gegenwärtig und in Zukunft alle Menschen zu erreichen.