Handreichung

Lern- und Entwicklungsprozesse im Kontext der digitalen Transformation

Thema

Wandel der beruflichen Aus- und Weiterbildung durch Digitalisierung

Herausgeberschaft

Hans-Böckler-Stiftung (Hg.)

Autoren/Autorinnen

Stefanie Hiestand/Kira Rempe

Erscheinungsort

Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2021

Stiftungsengagement

Hans-Böckler-Stiftung

Literaturangabe

Stefanie Hiestand/Kira Rempel: Lern- und Entwicklungsprozesse im Kontext der digitalen Transformation. Glossar für die betriebliche Bildungsarbeit. Hg. v. Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung, I.M.U. Mitbestimmungspraxis Nr. 38, März 2021.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Hintergrund ist der massive Wandel in der Arbeitswelt, der auch die berufliche Aus- und Weiterbildung erheblich verändert: zum einen verändern sich die Inhalte beruflicher Bildung äquivalent zu den veränderten Anforderungen der Arbeitswelt, zum anderen verändern sich auch die Rahmenbedingungen, Werkzeuge, Methoden und die Zielgruppen der beruflichen Bildung.

Um die Qualität der beruflichen Bildung in der Stahlindustrie halten zu können und sich der mehrfachen Transformation der beruflichen Bildung zu stellen, ist der Fachausschuss „Zukunft der beruflichen Bildung“ der Engeren Mitarbeiter Stahl Anfang 2019 mit einer Gruppe von Bildungsverantwortlichen aus nahezu allen deutschen Stahlunternehmen in einen fachlichen Erfahrungsaustausch getreten. Es wurden Gespräche und Workshops mit Vertreter*innen von Verbänden und Gewerkschaften, mit Politiker*innen und Wissenschaftler*innen geführt, unter anderem mit Prof. Dr. Stefanie Hiestand (Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg) und M.A. Kira Rempel (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung (IfB E) an der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover), die auch die Autor*innen der Publikation sind.

Die wesentlichen Erkenntnisse dieses Austauschs mit unterschiedlichen Akteur*innen sind in einem Glossar zusammengefasst, das die Lern- und Entwicklungsprozesse im Kontext der digitalen Transformation in Unternehmen in den Blick nimmt. Das Glossar bietet begriffliche Abgrenzungen, Erklärungen und Systematisierungen, die einen schnellen Einblick in den aktuellen Forschungsstand geben sollen. Dieses Wissen wird darüber hinaus mit praktischen Tipps und konkreten Beispielen aus verschiedenen Betrieben verknüpft. Aus einem interdisziplinären Blick werden verschiedene Fragen aufgegriffen, die in diesem Kontext von Bedeutung sind, zum Beispiel: Wie lernen Unternehmen und warum ist das Lernen in und bei der Arbeit so wichtig? Im Mittelpunkt stehen die Herausforderungen und Gestaltungsoptionen individueller Kompetenz- und betrieblicher Organisationsentwicklung im Kontext der digitalen Transformation. Die Identifikation von Unschärfen und Lücken im betrieblichen Kontext soll durch Reflexionsfragen unterstützt werden.

Das Glossar wurde vom Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung herausgegeben und kann für die betriebliche Bildungsarbeit genutzt werden.

Wichtige Ergebnisse

Themen und Aufbau des Glossars

1. Automatisierung, Digitalisierung und Arbeit 4.0 in Unternehmen

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern ist die Produktion meines Unternehmens digital gestützt automatisiert?
  • Welche Herausforderungen und Chancen sehe ich bezüglich Arbeit 4.0 und der betrieblichen Ausbildungsarbeit? Inwiefern bereiten wir unsere Auszubildenden und Mitarbeiter*innen auf eine moderne Arbeitswelt vor? Welche Ressourcen werden dafür benötigt?

2. Work-Learn-Life-Balance, Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Habe ich selbst eine ausgeglichene Work-Learn-Life-Balance? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
  • Inwiefern ist Work-Learn-Life-Balance ein Thema bei uns im Unternehmen?
  • Welche Kompetenzen brauchen Beschäftigte, um eine ausgewogene Work-Learn-Life-Balance für sich zu generieren? Welche betrieblichen Rahmenbedingungen unterstützen eine solche Balance?
  • Inwiefern besteht bei uns eine Entgrenzung und/oder Subjektivierung von Arbeit?
  • Inwiefern weise ich oder meine Kolleg*innen Aspekte des Arbeitskraftunternehmers auf?

3. VUCA-Welt (gekennzeichnet durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) und Agilität

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern erleben wir in unserem Betrieb Aspekte der VUCA-Welt?
  • Welche Kompetenzen brauchen wir und vor allem unsere Auszubildenden, um sich in einer VUCA-Welt behaupten zu können und diese aktiv zu gestalten?
  • Welche Vor- und Nachteile bietet eine agile Arbeitsweise?

4. Akademisierung von Bildung und Beruf

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Bieten wir im Unternehmen duale Studiengänge an?
  • Inwiefern haben wir ein Lern- und Betreuungskonzept für dual Studierende?
  • Welche Konflikte entstehen in der Ausbildung und im beruflichen Einsatz?

5. Generation Z

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern decken sich die Beschreibungen über die Generation Z mit meinen persönlichen Erfahrungen?
  • Bestehen bei uns im Unternehmen Generationskonflikte? Was lässt sich tun, um diesen sinnvoll begegnen zu können?
  • Inwiefern haben wir unsere Ausbildung auf die Bedürfnisse der Generation Z angepasst?
  • Inwiefern agiert unser Ausbildungspersonal als Wissensvermittler*in und inwiefern als Lernprozessbegleiter*in?

6. Wie lernen Unternehmen und warum ist organisationale Dynamik so wichtig?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern finden bei uns im Betrieb Bottom-up-Prozesse statt?
  • Inwiefern kommt es zu Widerstand bei Top-down-Prozessen?
  • Wie könnte es uns gelingen, beide Veränderungsprozesse aufeinander abzustimmen? Was braucht es dazu?
  • Inwiefern empfinden die Beschäftigten organisationale Dynamik als Anpassungszwang und inwiefern als Lern- und Entwicklungschance? Wie könnten wir Letzteres noch umfänglicher ermöglichen?

7. Welche Aufgaben hat betriebliche Mitbestimmung in Zeiten der digitalen Transformation?

Reflexionsfragen für die Praxis;

  • Wie ist bei uns im Betrieb die Mitbestimmung gestaltet?
  • Inwiefern sind die Prozesse der digitalen Transformation Thema der betrieblichen Mitbestimmungsarbeit?
  • Welche Herausforderungen und Chancen liegen in unserer betrieblichen Mitbestimmungsform und den Arbeitsschwerpunkten?

8. Was ist betriebliche Weiterbildung und welche Formen gibt es?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern findet bei uns im Betrieb Weiterbildung statt? Ist diese eher informell oder formell?
  • Wie würden meine Kolleg*innen und ich unsere Lernkultur im Team und im Unternehmen beschreiben?
  • Welche Lernformen nutzen wir im Betrieb oft und welche kaum? Inwiefern könnte/ sollte diesbezüglich ein Wandel erfolgen?

9. Welche Ausbildungsformate werden in Deutschland überwiegend genutzt?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Welche Ausbildungsformate nutzen wir?
  • Inwiefern könnten/sollten wir auch ein anderes Ausbildungsformat nutzen? Welche Chancen würden sich daraus für unseren Betrieb ergeben? Mit welchen Hindernissen wäre zu rechnen und wie könnte man diesen begegnen?

10. Welche Aufgaben hat das Berufsbildungspersonal in einer modernen Arbeitswelt?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern arbeite ich als Lernprozessbegleiter*in?
  • Wie professionalisiere ich mich? Welche Unterstützung wünsche ich mir bei diesem Prozess?

11. Was genau wird unter beruflicher Handlungskompetenz verstanden und warum ist diese so zentral in der modernen Arbeit?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Was verstehen wir unter Kompetenzen?
  • Inwiefern berücksichtigen wir bei der Kompetenzentwicklung das Zusammenspiel von Können (Befähigung), Dürfen (Verantwortungsbereich) und Wollen (Bereitschaft)?
  • Inwiefern fokussieren wir eine Kompetenzentwicklung bei unseren Weiterbildungsmöglichkeiten und inwiefern den Zuwachs von Qualifikationen?
  • Welche Kompetenzerfassungssystematik verfolgen wir im Betrieb? Was läuft dabei gut und was könnte verbessert werden?

12. Welche Kompetenzanforderungen bestehen im Kontext der Digitalisierung?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern beobachte ich eine Kompetenzverschiebung durch die digitale Transformation?
  • Wenn ich an die Kategorisierung der Kultusministerkonferenz (KMK) bezüglich digitaler Kompetenz denke, inwiefern verfüge ich über digitale Kompetenz? Was gelingt mir im Arbeits- und Privatkontext bereits gut und wo sehe ich für meine Ausbildertätigkeit noch Entwicklungsmöglichkeiten?
  • Welche Kompetenzen sind in der Zukunft besonders wichtig? Inwiefern fördern (ermöglichen) wir diese in unserer Aus- und Weiterbildung?

13. Wie kann Lernen in, mit und durch die Arbeit gelingen?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern ist unsere Arbeit kompetenzförderlich gestaltet?
  • Was läuft bei uns gut? Wo sehe ich Verbesserungsbedarf?
  • Wie könnte ich meine Arbeit lernförderlicher gestalten?

14. Was kennzeichnet resiliente Menschen und wie kann Resilienz erlernt werden?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern findet das Thema Resilienz bei uns im Betrieb Beachtung?
  • Inwiefern wird Resilienz in der Aus- und Weiterbildung gefördert?
  • Was könnten wir tun, um unsere eigene Resilienz und die unserer Kolleg*innen zu fördern?
  • Welche betrieblichen Strukturen und Rahmenbedingungen tragen zur Resilienz der Beschäftigten bei oder beeinträchtigen diese?

15. Was wird unter Selbstwirksamkeit verstanden und warum ist diese in der beruflichen Bildungsarbeit so zentral?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern berücksichtigen wir bei der Aus- und Weiterbildung die Selbstwirksamkeitsüberzeugung der Beschäftigten?
  • Wie würde ich meine Selbstwirksamkeit einschätzen? Warum hoch, mittel oder niedrig? Woran mache ich das fest?
  • Wie könnten wir die Selbstwirksamkeit unserer Beschäftigten und des Bildungspersonals erhöhen?

16. Wie kommt es zu Lernmotivation oder zum Lernwiderstand in der beruflichen Bildungsarbeit?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern berücksichtigen wir bei der Aus- und Weiterbildung die Lernmotivation und ggf. auch die Lernwiderstände der Beschäftigten?
  • Wie würde ich meine Lernmotivation einschätzen? Warum hoch, mittel oder niedrig? Woran mache ich das fest?
  • Wie könnten wir einem ggf. vorhandenen Lernwiderstand in unserem Betrieb begegnen?
  • Gibt es generationale Unterschiede (beispielsweise Generation Z)?

17. Welche betrieblichen Lernformen gibt es?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Inwiefern fördern/flankieren wir informelles Lernen?
  • Welche Lernorganisationsformen nutzen wir? Welche könnten/ sollten wir zukünftig nutzen (vor allem hinsichtlich der Kompetenzveränderungen durch die digitale Transformation)?
  • Wie könnte bei uns Social Workplace Learning gelingen? Benötigen wir spezielle Ressourcen dafür?
  • Inwiefern lernen meine Kolleg*innen und ich selbstorganisiert? Wie könnten wir diesen Prozess noch intensivieren?

18. Was wird unter Lernen 4.0 verstanden?

Reflexionsfragen für die Praxis:

  • Welche Tools des Lernens 4.0 nutzen wir?
  • Welche könnten/ sollten wir zukünftig nutzen? Wo sehe ich dabei Chancen und wo Hindernisse? Wie könnte diesen begegnet werden?