Studie mit Handlungsempfehlungen

Mehr Schule wagen: Empfehlungen für einen guten Ganztag

Thema

Qualitätsmerkmale guter Ganztagsschule

Herausgeberschaft

Bertelsmann Stiftung/Robert Bosch Stiftung/Stiftung Mercator/Vodafone Stiftung

Erscheinungsort

Gütersloh/Stuttgart/Essen/Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Bertelsmann Stiftung/Robert Bosch Stiftung/Stiftung Mercator/Vodafone Stiftung

Literaturangabe

Bertelsmann Stiftung/Robert Bosch Stiftung/Stiftung Mercator/Vodafone Stiftung (Hrsg.): Mehr Schule wagen: Empfehlungen für einen guten Ganztag. Gütersloh/Stuttgart/Essen/Düsseldorf 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Mit dieser Publikation legen vier Stiftungen (Bertelsmann Stiftung/Robert Bosch Stiftung/Stiftung Mercator/Vodafone Stiftung) ein gemeinsames Konzept zur Qualität im Ganztag vor. Die zentrale Frage lautet: Was macht gute Ganztagsschule aus und welche Rahmenbedingungen sind dazu nötig?

Bisherige Qualitätsrahmen seien oft „top-down“ von Wissenschaft und Politik erstellt worden, so die Herausgeber. Deshalb sei man einen anderen Weg gegangen, indem das Handlungswissen exzellenter Schulen zum Lernen im Ganztag erfasst und systematisiert wurde. Die vorgestellten Qualitätsmerkmale seien als Zielvorstellung guter Ganztagsschule zu verstehen. Unter den untersuchten Schulen sind auch Preisträgerschulen des Jakob Muth-Preises für inklusive Schule.

Bei der Herausarbeitung von Qualitätsmerkmalen werden fünf verschiedene Perspektiven (Handlungsfelder) in den Blick genommen und – basierend auf den Erfahrungen von zehn Schulen – danach ausgewertet, welche Rahmenbedingungen Ganztagsschulen brauchen, um gut arbeiten zu können. Im Anschluss erläutern die beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihr Vorgehen und präsentieren ihre Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten Folgerungen für die Bildungspolitik. Insgesamt soll so eine von Wissenschaft und Praxis gemeinsam abgestimmte „Grammatik guten Ganztags“ entstehen.

Die Stiftungskooperation zielt darauf, Impulse für einen dringend notwendigen konzertierten Qualitätsentwicklungsprozess im Bereich Ganztagsschule zu geben. Bildungspolitik habe die Aufgabe, für deutschlandweit adäquate Rahmenbedingungen zu sorgen, die auch geeignete Qualitätsmerkmale einbeziehen. Dazu gehöre, die derzeit gültige Definition der Kultusministerkonferenz von Ganztagsschule weiterzuentwickeln, da bundesweit ein pädagogisch präzise gefasstes Verständnis guter Ganztagsschulen gebraucht werde. Die bisher geltende Definition habe Mindeststandards für primär formale Merkmale von Ganztagsschule gesetzt, nun könnte dies für qualitative Merkmale auch mit einer Definition gelingen, die in guter Schulpraxis gründet.

Die Publikation richtet sich vorrangig an Bildungsverwaltung und Politik, aber auch an interessierte Schulen.

Wichtige Ergebnisse

1. Grammatik eines guten Ganztags

Nach Ansicht der Autoren und Autorinnen ist für die Qualität von Schulen entscheidend, wie gut es gelingt, erfolgreiches Lernen für jedes Kind zu organisieren und sich neuen gesellschaftlichen Anforderungen zu stellen.

In einer Ganztagsschule, die von einem Lernort zum Lebensraum geworden ist, könnten Lehrerinnen und Lehrer die sozialen Bedürfnisse und Lernausgangslagen ihrer Schülerinnen und Schüler besser in den Blick nehmen. Gestützt auf die geteilte Verantwortung in multiprofessionellen Teams könne hier der Unterricht mit weiteren Lern- und Unterstützungsangeboten kombiniert werden. Auch Kooperationen mit außerschulischen (Lern-)Welten, etwa mit Eltern, Vereinen und Betrieben, fällt leichter, wenn dafür mehr Zeit und Raum ist.

Der strukturelle Ausbau von Ganztagsschulen sei im letzten Jahrzehnt schon relativ weit vorangeschritten. So sei in den einzelnen Ländern schon eine Reihe von Verbesserungen im Ganztag festzustellen. Daraus ergebe sich die große Chance, dieses Fundament konsequenter für eine bessere individuelle Förderung und damit für Chancengerechtigkeit zu nutzen.

Viele engagierte Schulleitungen und Kollegien hätten den Weg zu einer guten Ganztagsschule bereits aus eigener Initiative und mit kreativen und innovativen Ansätzen beschritten. Um guten Ganztag aber vom Einzelfall zum Regelfall zu machen, müssten alle Schulen genau dort, wo sie wirken, gute Rahmenbedingungen erhalten. Nur mit adäquaten Regelungen, Unterstützungsstrukturen und Ressourcen könne es letztlich gelingen, eine systematische Qualitätsentwicklung von Ganztagsschulen in der Breite anzustoßen und zu verstetigen.

Die in der Studie herausgearbeiteten Qualitätsmerkmale von guter Ganztagsschule sollen auf alle Ganztagsschulen anwendbar sein, unabhängig von ihrer formalen Einstufung nach dem – von der Kultusministerkonferenz (KMK) eingeführten – offenem und gebundenem Teilnahmemodus der Schülerschaft.

Wissenschaftliche Forschung, pädagogische Praxis und schulpolitische Erfahrungen vor Ort hätten in den letzten Jahren immer deutlicher gezeigt, dass eine Definition von Qualität entlang der Dichotomie zwischen freiwilliger Teilnahme einerseits und vollständiger Verpflichtung andererseits nicht sinnvoll ist. In der vorliegenden Publikation wird deshalb ein Ansatz vorgestellt, der die pädagogische Ausgestaltung des Schultags durch qualitätsvolle Ganztagselemente mit einer Flexibilität des zeitlichen Rahmens verbindet. Das bedeutet: Es gibt eine umfassende schulische Mindestöffnungszeit, die innerhalb dieses Rahmens für Schülerinnen und Schüler sowohl verpflichtende als auch freiwillige Zeitkontingente vorsieht.

2. Handlungsempfehlungen für einen guten Ganztag

Handlungsfeld 1: Ganztagszeiten und -strukturen

  • Verlässliche Schulöffnungszeiten: acht Stunden an fünf Tagen mit kostenfreiem Zugang
  • Flexible, rhythmisierte Kernzeiten und zusätzliche Angebotszeiten
  • Adäquate Personalausstattung zur Abdeckung der Öffnungszeiten

Handlungsfeld 2: Ganztagselemente und Verbindungen

  • Ermöglichung unterschiedlicher Verzahnungsgrade zwischen Unterricht und übrigen Elementen des Ganztags
  • Absprache- und Kooperationszeiten
  • Zusätzliches Personal in Lehrerstellen mit ausreichender Kapitalisierung und genügend Sachmittel
  • Pädagogische Grundorientierung aller Professionen als Klammer

Handlungsfeld 3: Steuerung und Weiterentwicklung des Ganztags

  • Ausreichend Zeit und Gestaltungsspielraum der Schulleitung
  • Einbezug anderer Professionen in die erweiterte Schulleitung
  • Ganztagsspezifische Qualifizierungen und Unterstützungssystem
  • Zeit für (Weiter-)Entwicklung von Ganztagsschule durch alle Professionen

Handlungsfeld 4: Professionen und ihre Kooperation im Ganztag

  • Überlappende Anwesenheitszeiten der Professionen und klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten
  • Schulische Arbeitsplätze für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
  • Ganztagsspezifische Ausbildungselemente für alle Professionen
  • Langfristige Bindung des Personals

Handlungsfeld 5: Ganztag und räumliche Gestaltung

  • Bundesweit gültige räumliche Empfehlungen
  • Einbezug der Schulleitung in Planung und Bau
  • Sicherstellung ausreichender Finanzmittel der Schulträger für bauliche Aufgaben
  • Ausstattungsvorschriften für flexibel nutzbare Räume