Studie mit Handlungsempfehlungen

MINT Nachwuchsbarometer 2020

Thema

Situation der MINT-Bildung in Deutschland

Herausgeberschaft

acatech/Körber-Stiftung (Hg.)

Erscheinungsort

München/Hamburg

Erscheinungsjahr

2020

Stiftungsengagement

Körber-Stiftung

Literaturangabe

acatech/Körber-Stiftung (Hg.): MINT Nachwuchsbarometer 2020. München/Hamburg 2020.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Grundannahme ist, dass die Zukunftsfähigkeit des Innovationsstandorts Deutschlands maßgeblich von einer kontinuierlichen und effektiven Förderung des MINT-Nachwuchses (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) abhängt und mehr junge Menschen gebraucht werden, die mit Ideen, Mut und Neugierde den technologischen Wandel aktiv vorantreiben.

Das MINT Nachwuchsbarometer ist ein bundesweiter Trendreport, in dem die wichtigsten Zahlen, Daten und Fakten zur Nachwuchssituation im MINT-Bereich von der frühen Bildung bis zur beruflichen Ausbildung und zum Studium versammelt und kommentiert werden. Der kompakte Überblick soll eine empirisch fundierte Planungs- und Entscheidungshilfe für die Verantwortlichen in Bildung, Politik und Wirtschaft liefern. Das MINT Nachwuchsbarometer wird von der Körber-Stiftung und acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften gemeinsam herausgegeben und vom IPN – Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik erstellt. Zum einen soll das Monitoring zentraler Indikatoren dazu beitragen, Entwicklungen im Bildungssystem frühzeitig zu erkennen und wichtige Handlungsfelder zu identifizieren. Zum anderen soll der Bericht Hinweise auf Faktoren und Motive geben, die die Studien- und Berufswahl junger Erwachsener – insbesondere in Bezug auf MINT-Fächer – beeinflussen.

Wichtige Ergebnisse

Kernbefunde des Berichts

  • Die mathematischen und naturwissenschaftlichen Leistungen der 15-Jährigen sinken seit 2012 kontinuierlich: Rund 20 Prozent der Jugendlichen sind nicht auf einem Niveau, das für den weiteren Ausbildungsweg in der Schule oder im Beruf als tragfähige Basis angesehen werden kann.
  • Mädchen in der Mittelstufe haben trotz vergleichbarer Leistungen weniger Interesse an und auch weniger Selbstvertrauen in den Fächern Mathematik, Chemie und Physik als Jungen.
  • Digitale Bildung: 33 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in der achten Klasse sind leistungsschwach im Hinblick auf ihre computer- und informationsbezogenen Kompetenzen (2013: 29 Prozent).
  • Große Unterschiede bestehen zwischen den Bundesländern: Im Fach Mathematik der neunten Klasse entspricht der Abstand zwischen den Schülerinnen und Schülern im leistungsstärksten und -schwächsten Land einer Lerndifferenz von etwa zwei Schuljahren.
  • In der Oberstufe wird Informatik bisher selten angeboten und von Jugendlichen als nicht attraktiv wahrgenommen: Lediglich ein Prozent von ihnen wählte im Schuljahr 2018/19 einen Leistungskurs Informatik, nur 15 Prozent von ihnen waren Schülerinnen.
  • Nur knapp 14 Prozent der Abiturientinnen und Abiturienten können systematisch nach Informationen im Netz suchen und diese hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit beurteilen.
  • Im internationalen Vergleich beginnen in Deutschland überdurchschnittlich viele junge Menschen ein MINT-Studium und der Frauenanteil nimmt leicht zu. Allerdings ist die Zahl der Studienabbrüche nach wie vor hoch.
  • Die Anzahl der Lehramtsstudierenden im MINT-Bereich steigt, aber nur rund zwei Prozent wählen Informatik. Es ist also davon auszugehen, dass es weiterhin zu wenig Informatiklehrkräfte geben wird.

Impulse

Aus den Erkenntnissen werden Vorschläge abgeleitet, wie die MINT-Bildung künftig intensiviert werden könnte.

Unterrichtsqualität steigern:

  • In frühe MINT-Bildung investieren (Kita, Vor- und Grundschule) und für MINT-spezifische Fortbildungen für die pädagogischen Fachkräfte sorgen,
  • Individuelle Förderung in Mathematik intensivieren – sowohl für die schwächeren als auch die begabten Schülerinnen und Schüler,
  • Digitale Bildung stärken: Verantwortlichkeiten und verbindliche Lernziele und -inhalte für die Vermittlung digitaler Bildungsinhalte definieren,
  • Schule öffnen und außerschulische Initiativen einbeziehen: Schülerlabore und mobile Experimentierangebote in den Unterricht einbinden und praxisbezogenen Zugang zu MINT ermöglichen,
  • Chancengerechte Bildung umsetzen: nachhaltige Förderung von sozial oder sprachlich benachteiligten Schülerinnen und Schülern flächendeckend etablieren.

Lehrkräfte stärken:

  • Digitales Lernen in der Lehrkräftebildung verankern: digitale Bildung systematisch und fachübergreifend während des Studiums, im Vorbereitungsdienst und in Fort- und Weiterbildungen vermitteln,
  • Fortbildungen auf den Prüfstand stellen: Wirksamkeit von Fortbildungen evaluieren, um die Weiterqualifizierung von Lehrkräften und damit die Weiterentwicklung des Unterrichts zu fördern,
  • Fachfremde Lehrkräfte unterstützen: zur fachlichen und fachdidaktischen Weiterqualifizierung fachfremd unterrichtende Lehrkräfte systematisch und berufsbegleitend fortbilden.

Erkenntnisgewinn vorantreiben:

  • Schulleistungsstudien bis zum Abitur: empirische Studien zur Unterrichtsqualität für die Sekundarstufe II in allen Bundesländern einführen,
  • Von erfolgreichen Vorbildern lernen: Gelingensbedingungen in anderen Schulen, Bundesländern, EU-Staaten analysieren und erfolgreiche Modelle in die eigene Schulpraxis überführen,
  • Transfer in die Praxis sichern: MINT-Bildungsforschung muss fachspezifische Befunde über die Wirksamkeit schulischer MINT-Angebote und -Fortbildungen liefern.

Fazit

Der Bericht zeigt nach Ansicht der Herausgeber, dass sich die MINT-Nachwuchssituation in Deutschland in den vergangenen Jahren nicht zum Positiven verändert hat. Das MINT Nachwuchsbarometer 2020 belege, dass die Anstrengungen in Deutschland für eine bessere MINT-Bildung und mehr Nachwuchs in Naturwissenschaften und Technik nicht ausreichen. Um die Entscheidungsträger*innen zu mehr Engagement zu bewegen, müssten Missstände und Handlungsbedarfe klar benannt werden. Mit dem MINT Nachwuchsbarometer soll der gesellschaftliche Dialog zur Nachwuchssicherung im MINT-Bereich intensiviert werden, da nur in gemeinsamer Verantwortung von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in diesem Feld nachhaltige Fortschritte erzielt und globale Herausforderungen gemeistert werden könnten.