Studie mit Handlungsempfehlungen

Schulentwicklung in Brennpunktschulen

Thema

Bildungsgerechtigkeit an Schulen

Herausgeberschaft

Wübben Stiftung

Autoren/Autorinnen

Esther Dominique Klein

Erscheinungsort

Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Wübben Stiftung

Literaturangabe

Esther Dominique Klein: Bedingungen und Formen erfolgreicher Schulentwicklung in sozial deprivierter Lage. Eine Expertise im Auftrag der Wübben Stiftung. Düsseldorf 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Die gemeinnützige Wübben Stiftung engagiert sich für mehr Bildungsgerechtigkeit. Mit ihrer Arbeit will sie dazu beitragen, dass die Herkunft eines Kindes nicht mehr über seine Bildungschancen und Lebensperspektiven bestimmt, wie es im deutschen Bildungssystem nach wie vor der Fall ist. Deshalb fördert die Stiftung benachteiligte Kinder und Jugendliche, denen es aufgrund ihrer sozioökonomischen Herkunft besonders schwerfällt, mit den zahlreichen Herausforderungen in der Schule und im Alltag umzugehen.

In der vorliegenden Studie beschreibt Dr. Esther Dominique Klein (Universität Duisburg-Essen) die internen und externen Bedingungen von Schulen an sozial benachteiligten Standorten. Darüber hinaus wird ein Überblick über die besonderen Umstände in diesen Quartieren gegeben. Auf Basis empirischer Befunde wird dargestellt, welche Folgen soziale Deprivation für die Schülerinnen und Schüler hat – und welche Auswirkungen für Schulen und Schulentwicklung damit verbunden sind. Darüber hinaus werden in der Studie die wesentlichen Merkmale und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schulentwicklung unter Bedingungen sozialer Benachteiligung benannt. 

Eine kurze Zusammenfassung der wissenschaftlichen Studie wurde von Dr. Thomas Orthmann verfasst: Wübben Stiftung (Hrsg.): impaktmagazin. Schulentwicklung in Brennpunktschulen. Düsseldorf 2017.

Wichtige Ergebnisse

Ergebnisse

Schulen in sozial deprivierter Lage

1. Rahmenbedingungen

Schulen in „sozial deprivierter Lage“ befinden sich in Stadtteilen, die durch Armut, hohe Arbeitslosigkeit, einen höheren Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund sowie einen vergleichsweise geringen Bildungsstand ihrer Bevölkerung gekennzeichnet sind. Die dort lebenden Schülerinnen und Schüler haben überdurchschnittlich schlechtere Bildungschancen und verfügen häufig über geringe Bildungsressourcen. Viele von ihnen leben in prekären Verhältnissen und die Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern gestaltet sich oft schwierig.

Festgestellt wird, dass ein solches Umfeld auch schulinterne Faktoren und Prozesse beeinflusst. An vielen Schulen in sozial deprivierter Lage habe sich die Schulkultur auf die (realen oder vermeintlichen) Defizite der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Damit sei häufig eine negative Wahrnehmung der eigenen Schule verbunden. Hinzu komme eine relativ hohe Fluktuation unter Lehrkräften und Schulleitungen, die die schulinterne Zusammenarbeit erschwert. An Schulen in sozial deprivierter Lage würden die Schülerinnen und Schüler zudem häufig schlechtere Leistungen erbringen als an anderen Schulen, weil ungünstige externe und interne Faktoren zusammenwirken.

2. Merkmale

Viele Schulen in sozial deprivierter Lage sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • überdurchschnittlicher Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund,
  • hoher Anteil an Transfergeldempfängern im Einzugsgebiet,
  • hoher Anteil an Schülerinnen und Schülern, die aus benachteiligten Herkunftsmilieus stammen und nur über geringes soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital verfügen,
  • Schülerinnen und Schüler leben oft in Wohnvierteln mit hoher sozialer und ethnischer Segregation, geringer Qualität des Wohnraums und der Infrastruktur.

3. Schulqualität, Schuleffektivität und Schulentwicklung

Schulentwicklung umfasst im Wesentlichen alle bewussten Veränderungen durch schulische Akteure. Dazu zählen die Einführung von Programmen (z.B. im Rahmen von Inklusion), aber auch alle fortlaufenden Prozesse, in denen Schulen ihre Strukturen oder Abläufe entwickeln, um sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. Dabei wird von einer „lernenden Organisation“ bzw. „lernenden Schule“ gesprochen. Entwicklung wird dabei als integraler Bestandteil von Schule aufgefasst, die jeden Bereich betrifft – von der schulischen Organisation über den Kompetenzerwerb von Lehrkräften und Schulleitungen bis hin zum Unterricht. Lernende Schule setzt die Bereitschaft aller Beteiligten voraus, Schule dauerhaft zu entwickeln. Dafür wird es als wichtig erachtet, dass Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern eine entsprechende Haltung entwickeln und eine Schulkultur entsteht, die den kooperativen und kollektiven Aspekt von Entwicklung in den Vordergrund stellt. Nicht nur die Institution Schule, sondern auch die Lehrkräfte sollten sich dabei als Lernende begreifen.

4. Schulisches Umfeld

Gerade Schulen in sozial deprivierter Lage sind sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt, die das Lehren, Lernen und Leben beeinflussen. Sinnvoll erscheinen deshalb situative Ansätze bzw. Kontingenzansätze aus der Organisationstheorie: Demnach muss eine Organisation Strukturen und Prozesse entwickeln, die sich an die internen und externen Bedingungen der individuellen Schule anpassen. Das bedeutet: Die Arbeit von Schulen muss sich zum einen an externe Faktoren anpassen, wie z.B. das familiäre und soziale Umfeld ihrer Schülerinnen und Schüler, zum anderen interne Faktoren von sozial deprivierten Schulen berücksichtigen, wie z.B. eine geringe Unterrichtsqualität, schlechter ausgebildete Lehrkräfte oder eine geringere Ressourcenausstattung.

Es wird darauf hingewiesen, dass Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Milieus besondere Bedürfnisse haben: Viele von ihnen stammen aus sozial und wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen, sie haben nur begrenzte Teilhabemöglichkeiten, ihre Bildungsmotivation ist zumeist pragmatischer Natur und sie finden oft nur schwer Zugang zu formalen Bildungsangeboten. Ihre (vor-)schulischen Leistungen liegen oft unter dem Durchschnitt und sie haben Diskriminierungserfahrungen innerhalb und außerhalb von Schule gemacht. Viele dieser Kinder und Jugendlichen würden eine große Diskrepanz zwischen Schule und eigener Lebenswelt erleben. Die Misserfolgserfahrungen in den Schulen könnten sehr demotivierend sein. So zeigten sich an Schulen in sozial deprivierter Lage überproportional häufige Fehlzeiten und Verspätungen der Schülerinnen und Schüler. Dadurch fehle es den Kindern und Jugendlichen an notwendiger Lernzeit, was sich zusätzlich negativ auf ihre Leistungen und Bildungschancen auswirke. Auch zeige sich, dass Armut, Diskriminierung und die familiäre Situation Auswirkungen auf die emotional-affektive Ebene der Schülerinnen und Schüler haben. Den Schülerinnen und Schülern mangele es nicht nur an emotionaler Zuwendung durch die Eltern, sondern auch an konkreter Unterstützung im Alltag, etwa bei den Hausaufgaben.

An Schulen in sozial deprivierter Lage ist auch der Anteil an Unterrichtsstörungen höher. Lehrkräfte berichten von problematischem Sozialverhalten, Disziplinproblemen und Verhaltensauffälligkeiten, die den Unterricht belasten. Nach den Ergebnissen von Studien kann die Ursache für Störungen auch in einer unzureichenden Unterrichtsgestaltung liegen, z.B. weil Schülerinnen und Schüler über- bzw. unterfordert werden oder weil Lehrkräfte sie abwertend behandeln.

Studien aus den USA würden zeigen, dass Sanktionen nicht die beste Lösung im Umgang mit Disziplinverstößen sind. Als wirksame Alternative erweise sich vielmehr die positive Verhaltensintervention, indem die Mitglieder einer Schule eine überschaubare Anzahl von Verhaltensregeln festlegen. Die Beachtung der Regeln wird belohnt, bei Verstößen erhalten die Störenden Unterstützungsmaßnahmen. Solche Interventionen führten in den USA oftmals zu einem besseren Schulklima und zu mehr Sicherheit.

Deutlich wird, dass eine enge Zusammenarbeit von Schule, Eltern und lokalem Umfeld positive Effekte auf die Leistungsentwicklung von Kindern hat. Eltern können auf vielfältige Weise an schulischer Arbeit mitwirken, etwa durch Einzelberatungen, allgemeine Angebote zur Elternbildung, aber auch durch die direkte Partizipation an schulischen Entscheidungen. In Schulen in sozial deprivierter Lage wirken sich vor allem Unterstützungsangebote für Eltern (Kurse, Trainings etc.) positiv aus.

Für Eltern aus sozial benachteiligten Milieus stelle die schulische Mitwirkung allerdings oft eine besondere Herausforderung dar. Ein wichtiger Grund liege darin, dass in fast allen Schulen die Normen und Werte der Mittelschicht gelten, die in Familien mit einem geringeren sozioökonomischen Status nicht unbedingt geteilt werden. Diese Eltern hätten oft andere Vorstellungen als schulische Akteure über das Maß der Beteiligung am Bildungsprozess ihrer Kinder, und hätten manchmal auch nicht das notwendige Selbstbewusstsein, um sich in der Schule ihrer Kinder zu beteiligen. Hier müssten die Schulen den Eltern entgegenkommen und sich in das schulische Umfeld öffnen – ein direktes Gegenmodell zu dem Ansatz, sich vom schulischen Umfeld abzuschotten, um den Schülerinnen und Schülern einen „geschützten Raum“ zu geben.

5. Organisations- und Unterrichtskultur

Schulen in benachteiligten Sozialräumen haben häufig ein negatives Image und werden in der Öffentlichkeit oft als „Brennpunktschulen“ oder als Schulen in „schwieriger“ Lage bezeichnet. Diese negative Sicht von außen wirke sich auf die inneren Prozesse in Schulen aus. Dadurch könne sowohl die Schulkultur als auch die Selbstwahrnehmung und das Selbstverständnis der schulischen Akteure negativ geprägt werden. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern würden die Zuschreibungen von außen übernehmen und ihre eigene Schule ebenfalls als „schwierig“ betrachten.

Schulen, die sich erfolgreich entwickeln, seien häufig durch eine positive Schulkultur gekennzeichnet, die an Schulen in sozial deprivierter Lage oft erst entwickelt werden muss.

Dies kann auch negative Folgen für die Kinder und Jugendlichen haben: Nach den Ergebnissen der PISA-Studie 2012 (OECD 2016) finden sich die meisten Schülerinnen und Schüler mit schlechten Leistungen („Low Performer“) in Schulen, in denen Lehrkräfte eher geringe Erwartungen an die Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler haben. Gleichzeitig sind die Erwartungen der Lehrkräfte in hohem Maße an den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Hintergrund ihrer Schülerinnen und Schüler gekoppelt.

Viele Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Milieus unterscheiden sich in ihrem „Habitus“ (ihren Verhaltensweisen, Einstellungen und ihrem Auftreten) von den Erwartungen der Schule. Lehrkräfte würden darin häufig ein Defizit der Schülerinnen und Schüler sehen, was wiederum Einfluss auf die Beziehungen zu ihnen und die Unterrichtsgestaltung hat. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Schule das Milieu bzw. die Herkunft ihrer Schülerinnen und Schüler nicht aus einer Defizitperspektive betrachten sollte. Ein solcher Blick könne sich „toxisch“ auf die gesamte Schulkultur auswirken, die Veränderungsbereitschaft von Schule bremsen sowie Entwicklung und Innovationen verhindern kann. Dann bestehe die Gefahr, dass Schulen bei schlechten Lernergebnissen die Fehler bei den Schülerinnen und Schülern und ihren Familien suchen, statt zu hinterfragen, ob die eigene Praxis angemessen auf die lokalen Bedingungen reagiert.

Eine Defizitperspektive wirke sich auch auf die individuelle Selbstwahrnehmung der Schülerinnen und Schüler negativ aus. Wenn eine Schule als problemhaft etikettiert wird, werde sie auch von den Kindern und Jugendlichen als minderwertig empfunden, z.B. weil viele Schülerinnen und Schüler der Schule weniger leistungsstark sind.

Wenn ein schlechtes Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften hinzukomme, hätten Schülerinnen und Schüler auch eine geringere Lernmotivation und sie blieben häufiger dem Unterricht fern. Umgekehrt könnten Strukturen, die die Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern fördern, sich positiv auf Klima und Lernerfolge auswirken. Erfolgversprechend seien hier unter anderem die Ausweitung der Lernzeit und der Ausbau des Klassenlehrerprinzips.

Erfolgreiche Schulen in benachteiligter Lage würden sich dadurch auszeichnen, dass der Fokus auf dem Lehren und Lernen liegt. Negativ wirke sich hingegen aus, wenn die Lehrkräfte überwiegend damit beschäftigt sind, die Ordnung im Unterricht wiederherzustellen oder mit ihren Schülerinnen und Schülern soziale Themen zu bearbeiten, anstatt anspruchsvollen Fachunterricht mit erhöhtem Anforderungsniveau anzubieten. Die niedrigen Leistungserwartungen auf Lehrer- und Schülerseite führten dann dazu, dass sich der Unterricht an nur geringen Zielen orientiert und die Lernchancen sich verringern. Schulen in benachteiligter Lage seien auch dann erfolgreicher, wenn der Unterricht durch Klarheit, Struktur und unterschiedliche Formen der Differenzierung geprägt ist.

6. Personal

Da für Deutschland keine entsprechenden empirischen Untersuchungen vorliegen, wurden Studien in den USA ausgewertet. Folgende Herausforderungen zeigen sich demnach an Schulen in sozial deprivierter Lage:

  • Die Schulleitungen verfügen oft nur über wenig Erfahrung.
  • Es ist schwierig, gut ausgebildete Schulleitungen zu gewinnen, wenn grundlegende Aufgaben in den Bereichen Schulklima und Organisation noch nicht bewältigt sind.
  • Schulleitungen wechseln häufiger als an anderen Schulen, was zu einer geringen Kontinuität in der Schulentwicklung führt.
  • Auch bei den Lehrkräften ist die Fluktuation an Schulen höher als an anderen Schulen.
  • Es bewerben sich öfter schlechter qualifizierte Lehrkräfte.

Diese Faktoren wirken sich negativ auf die Qualität von Schule und Unterricht sowie die gesamte Schulorganisation aus.

7. Systemische Faktoren

  • Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler: In Deutschland trägt das gegliederte Schulsystem und die mögliche Schulwahl dazu bei, dass an Schulen in sozial deprivierter Lage die Segregation ausgeprägter ist als in anderen Stadtteilen. Verschärfend kommt eine relativ hohe Bevölkerungsfluktuation in benachteiligten Stadtteilen hinzu, was die Schulen vor zusätzliche Herausforderungen stellt. Zudem ist es schwer, neue Schülerinnen und Schüler zu akquirieren, wenn eine Schule bereits einen schlechten Ruf hat.
  • Verantwortung statt Externalisierung: Um Schulentwicklung zu steuern, werden in Deutschland meist Daten generiert, die einzelne Schulen für ihre Entwicklung nutzen können. In den USA und England werden Evaluationssysteme auch mit einer Rechenschaftspflicht an den Staat oder die Gesellschaft verbunden. Schlechtes Abschneiden kann hier dramatische Konsequenzen für die gesamte Schule haben.
  • Ressourcenausstattung: Schulen mit erhöhtem Entwicklungsbedarf benötigen ausreichend Ressourcen, um auf variierende Anforderungen und Bedarfe angemessen reagieren zu können. In Deutschland haben einige Bundesländer Strategien entwickelt, um Schulen in sozial deprivierter Lage mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten.
  • Externe Unterstützung und Beratung: Auch die Beratung und Begleitung von Entwicklungsprozessen durch Schulaufsicht, Wissenschaft, Stiftungen oder andere externe Akteure wird als sehr wichtig betrachtet. Das Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung entwickelte zum Beispiel für 20 Schulen in sozial deprivierter Lage in einem zweijährigen Projekt Maßnahmen zur Schulentwicklung. Dazu gehörten Fortbildungen sowie die individuelle Unterstützung beim Aufbau von Organisationsstrukturen.

Entwicklungsstrategien erfolgreicher Schulen in sozial deprivierter Lage

Deutlich wird, dass Schulen in benachteiligter Lage durch zahlreiche interne und externe Faktoren sowie systemische Bedingungen beeinflusst werden. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Schulentwicklung aber nicht in jedem dieser Bereiche gleichermaßen ansetzen kann. So könnten z.B. die lokalen Rahmenbedingungen und die systemischen Faktoren wenig verändert werden, während das bei schulinternen Faktoren möglich ist. Unter konstanten externen Rahmenbedingungen könnten sich Schulen in sozial deprivierter Lage zu erfolgreichen Schulen entwickeln, wenn sie ihre internen Faktoren verändern und diese in Ressourcen für Lernen und Leistung umwandeln.

Denn es wird deutlich, dass manche Schulen in sozial deprivierter Lage trotz ungünstiger Rahmenbedingungen gute oder sehr gute Ergebnisse erzielen können. Anhand dieser Beispiele können Erfolgsfaktoren herausgearbeitet werden. Es zeigt sich, dass in erfolgreichen Schulen die Schulentwicklung eine wichtige Rolle spielt. Sie sind besonders dann erfolgreich, wenn sie gezielte Strategien entwickeln, die auf ihre spezifischen Umweltbedingungen abgestimmt sind.

Folgende Erfolgskriterien werden genannt:

  • gute Führung (die auch kollektive Entwicklungsstrukturen ermöglicht),
  • eine positive, entwicklungsorientierte Schulkultur,
  • eine Vision, die auf akademischen Erfolg ausgerichtet ist,
  • klare Ziele,
  • ein Fokus auf Lehren und Lernen,
  • kooperative Strukturen im Sinne einer Lerngemeinschaft,
  • gemeinsame Verhaltensregeln und -erwartungen,
  • eine Verbesserung der physischen Infrastruktur der Schule,
  • Monitoring der Entwicklung,
  • fortlaufende Personalentwicklung,
  • Aufbau guter Beziehungen zu den Eltern und zum schulischen Umfeld,
  • Unterstützung von außen.

Als nachteilige Faktoren werden genannt:

  • Passivität, Hilflosigkeit und Angst,
  • dysfunktionale Beziehungen,
  • fehlende Kompetenzen und Expertise,
  • unklare Ziele,
  • eine Schulkultur, die Innovationen hemmt, für Feedback nicht offen ist und Problemursachen externalisiert.

Es wird darauf hingewiesen, dass die genannten Merkmale nur die Merkmale erfolgreicher Schulen beschreiben, nicht aber, wie aus einer nicht erfolgreichen Schule eine erfolgreiche Schule werden kann.

Entwicklungsschritte an Schulen in sozial deprivierter Lage

Ein aus den USA stammendes wissenschaftliches Modell beschreibt vier zentrale Schritte für den Entwicklungsprozess von Schulen in sozial deprivierter Lage, die als möglicher Lösungsweg angeführt werden:

  • „Reenvisioning“: Schulen müssen eine Vision entwickeln, die sich in schulweite Ziele operationalisieren lässt (Akteure für die Umsetzung, Ziele und Strategien, sinnvolle Implementationsmaßnahmen).
  • „Restructuring“: Schulen müssen organisationale Prozesse und Strukturen entwickeln, durch die sich ihre Ziele auch erreichen lassen (Professionalisierung der Akteure, Einsatz effektiver Technologien, kooperationsfördernde Strukturen, Entwicklungsmonitoring, Einführung demokratischer Strukturen).
  • „Reculturation“: Es badarf neuer Strukturen als Grundlage für den Aufbau einer neuen, positiven Schulkultur. Erst diese ermöglicht es allen Beteiligten, sich mit Schule zu identifizieren, sich gegenseitig zu unterstützen und Verantwortung zu übernehmen.
  • „Remoralization“: Im letzten Schritt müssen insbesondere Schulen mit einer bisher auf Defizite und Hilflosigkeit ausgerichteten Schulkultur Wege finden, eine positive Schulkultur zu entwickeln, etwa über Strategien, die ein respektvolles und rücksichtsvolles Miteinander fördern und gegenseitiges Vertrauen, gute Kommunikation sowie die Übernahme von Verantwortung ermöglichen.

Unterrichtsentwicklung

Schulentwicklung bedeutet immer auch Unterrichtsentwicklung. Durch folgende vier Strategien, die ebenfalls aus den USA stammen, könnten die Lehrkräfte an Schulen in benachteiligter Lage in ihrem Unterricht besser unterstützt werden:

1. Die Unterrichtspraxis sollte schulweit abgestimmt werden, sodass alle Schülerinnen und Schüler unter den gleichen Unterrichtsbedingungen lernen und die Lehrkräfte sich auf die Arbeit ihrer Vorgänger verlassen können.

2. Schule sollte ein einheitliches System entwickeln, um im Unterricht für ein geordnetes und diszipliniertes Lernklima zu sorgen.

3. Schülerinnen und Schüler mit sozial-emotionalen Schwierigkeiten oder auffälligem Verhalten sollten besondere Unterstützung erhalten.

4. Schule sollten Strategien entwickeln, um auch Eltern in das schulische Erziehungskonzept einzubinden.

Erfolgreicher Wandel in Schulen in sozial deprivierter Lage

Aus Untersuchungen können Merkmale abgeleitet werden, wie Schulen einen Wandel erfolgreich vollziehen können (erfolgreiche „Turnaround“-Praxis):

  • Die Schulleitung sollte ein deutliches Signal geben, dass ein „dramatischer“ Wandel an der Schule notwendig ist, etwa durch eine veränderte Führungsstrategie oder einen Wechsel der Schulleitung.
  • Schule sollte sich dauerhaft auf die Verbesserung des Unterrichts konzentrieren. Die zentralen Entwicklungsschritte sollten evaluiert und der jeweilige Status quo dokumentiert werden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen sollten dann Strategien zur Problembehandlung entwickelt werden, die ebenfalls evaluiert werden müssen.
  • Auch kleine Fortschritte und Verbesserungen sollten den schulischen Akteuren bereits früh kommuniziert bzw. sichtbar gemacht werden.
  • Um das Engagement der Lehrkräfte an der Schule zu erhöhen, sollte die Schulleitung eng mit ihnen zusammenarbeiten. So lassen sich Hindernisse identifizieren, gute Lösungen entwickeln und besonders engagierte Lehrkräfte an zentralen Stellen einsetzen.
  • Ein starker Entwicklungsfokus sollte auf der Professionalisierung der Lehrkräfte liegen. Diese sollte aber nicht vorrangig in Form traditioneller Fortbildungsmaßnahmen stattfinden, sondern in die tägliche Arbeit der Lehrkräfte eingebettet bzw. eng mit dem tatsächlichen Handeln im Unterricht verbunden werden.
  • Die Lehrkräfte sollten sich auf veränderte Formen des Lehrens und Lernens einstellen und diese auch umsetzen: Es können z.B. vorhandene Schülerinnen- und Schülerdaten genutzt werden, um Lernerfolge nachzuvollziehen, den Unterricht zu verbessern und individuelle Unterstützungsbedarfe festzustellen. Der Unterricht sollte sich stark an den vorhandenen Standards orientieren, um so auch die Reflexivität der Lehrkräfte zu erhöhen.
  • Schule sollte so autonom wie möglich agieren. Jede Schule sollte ihre personellen und materiellen Ressourcen dort einsetzen, wo der größte Nutzen zu erwarten ist.
  • Die Kinder und Jugendlichen sollten sozial-emotional unterstützt werden, z.B. durch differenzierende, auf verschiedene Schülerinnen- und Schülergruppen abgestimmte Angebote.

Fazit

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Erfolg einer Schule vor allem davon abhängt, ob sie geeignete Strukturen und Prozesse entwickeln kann, um auf herausfordernde und sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Dies gelte besonders für Schulen in sozial deprivierter Lage, die von vielen Schülerinnen und Schülern aus benachteiligten Milieus besucht werden. Diese Schulen hätten durchaus die Chance, durch interne Entwicklung und individuelle Strategien erfolgreich zu werden. Die Hebel dafür werden vor allem bei den internen Faktoren gesehen. Hier hätten Lehrkräfte, Schulleitung sowie Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, gemeinsam mit außerschulischen Akteuren den Unterricht zu verbessern und ihre Lernerfolge zu erhöhen. Damit das nachhaltig gelinge, brauche Schule eine gute Führung, feste Ziele und eine klare Vision. Zusammen mit einer positiven Schul- und Unterrichtskultur, einem Fokus aufs Lehren und Lernen sowie dem systematischen Monitoring der eigenen Entwicklung könnten Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit erhöht werden.