Studie mit Handlungsempfehlungen

Strategisch aufgestellt und professionell organisiert? Eine explorative Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung

Thema

Strukturen und Status der Lehrerbildung

Herausgeberschaft

Deutsche Telekom Stiftung

Autoren/Autorinnen

Wolfgang Böttcher/Sina Blasberg

Erscheinungsort

Bonn

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Deutsche Telekom Stiftung in Kooperation mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Literaturangabe

Wolfgang Böttcher/Sina Blasberg: Strategisch aufgestellt und professionell organisiert? Eine explorative Studie zu Strukturen und Status der Lehrerbildung. Hrsg. v. Deutsche Telekom Stiftung. Bonn 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Hintergrund ist, dass im Jahr 2000 die Gemischte Kommission Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz (KMK) Empfehlungen zur Verbesserung der Lehrerbildung in Deutschland veröffentlicht hat. Eine zentrale Empfehlung war die Einrichtung von Zentren für Lehrerbildung und Schulforschung. Diese Zentren sollten – quer zur universitären Struktur der Fächer und Fachbereiche – die übergreifenden Belange und Interessen der Lehrerbildung an den Universitäten vertreten sowie Lehre und Studium, Forschung, Beratungstätigkeit, Koordination und Serviceaufgaben im Rahmen der Lehrerbildung zusammenführen. Auch der Wissenschaftsrat hat ein Jahr später empfohlen, dass eine verantwortliche Institution die ausbildungsspezifischen Belange im Rahmen des Lehramtsstudiums koordinieren und entsprechende Ideen und Konzepte weiterentwickeln sollte.

Die Deutsche Telekom Stiftung und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft haben gemeinsam eine Studie in Auftrag gegeben, in der unter anderem danach gefragt wird, welche Entwicklungen in der Lehrerbildung seitdem stattgefunden haben und wie die Empfehlungen zur Einrichtung von Zentren für Lehrerbildung umgesetzt wurden.

Die Studie wurde zwischen April 2014 und März 2015 durchgeführt. Methodisch wurden eine Dokumentenanalyse, Experteninterviews mit Leitungspersonen der Einrichtungen und eine Befragung von Studierenden (Fragebögen) kombiniert. Die Befunde beziehen sich auf eine Stichprobe von fünf ausgewählten Zentren für Lehrerbildung und fünf Schools of Education (bundesweit gibt es etwa 80 solcher Einrichtungen).

Verfasst wurde die Studie von Prof. Dr. Wolfgang Böttcher und Sina Blasberg (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Erziehungswissenschaft, Arbeitsbereich Qualitätsentwicklung und Evaluierung in Einrichtungen des Bildungs- und Sozialwesens).

Wichtige Ergebnisse

Ein wesentliches Ergebnis der Studie lautet, dass sich seit den Empfehlungen der KMK an den Hochschulen in der Lehrerbildung Vieles zum Positiven entwickelt hat: An den Universitäten sind Zentren für Lehrerbildung und Schools of Education inzwischen zum institutionellen Standard geworden. Hinsichtlich des Aufgabenspektrums, der Ausstattung und auch der Kompetenzen zeigt sich jedoch eine erhebliche Varianz, zum Beispiel in Bezug auf die Beteiligung an Berufungsverfahren der Universitäten, das finanzielle Budget, die Rechte und Pflichten der Leitungen.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass die Zentren und Schools im Wesentlichen als Serviceagenturen fungieren: Sie unterstützen die Fachbereiche, koordinieren, beraten und informieren. Ihr Bemühen sei jedoch vorwiegend „administrativ“; bei inhaltlichen Entscheidungen zeigten sie Zurückhaltung, so die Wissenschaftler. Die Inhalte der Lehrerbildung würden wenig thematisiert, schon gar nicht kritisch. Somit erreichen die Zentren und Schools nach Auffassung der Autoren keine wirksame Vertretung der spezifischen Belange der Lehrerbildung in den Universitäten.

Festgestellt wird auch, dass jeder Standort eine individuelle, pragmatische Lösung erarbeitet hat, die an die Ressourcen und die Gegebenheiten vor Ort angepasst ist. Diese Vielfalt wirke aber eher wie ein zufälliges Durcheinander und nicht wie die Etablierung einer geregelten Ausbildung. Zudem würden keine neuen Wege beschritten oder innovative Ideen umgesetzt. Auf diese Weise ist es nach Ansicht der Autoren kaum möglich, die Lehrerbildung in Deutschland systematisch und erfolgreich umzugestalten.

Empfehlungen

Stärkung der Zentren und Schools:

Die Mittel für die Zentren und Schools sollten stärker als bisher verstetigt werden, da zu viele prekäre Arbeitsplätze die Einrichtungen nach innen und außen schwächen. Die Schlüsselpositionen sollten in Bezug auf Qualifikation und Verfügungsrechte gestärkt werden, die Arbeit in den Zentren und Schools flächendeckend und regelmäßig evaluiert werden (Orientierung an den Standards guter Evaluation).

Mehr berufsbezogene Bildung:

Um das theoretische Studium besser mit der Berufspraxis zu verknüpfen, müsste die Bildungspolitik entsprechende Anreize schaffen. Die Schools und Zentren sollten spezifische Veranstaltungen zu den Belangen des Lehrerberufs etablieren, um den Bezug zum Berufsfeld zu stärken. Auch die Veranstaltungsformen und Prüfungsformate sollten reformiert werden: Im Mittelpunkt sollte die Vermittlung von Kompetenzen (und nicht vorrangig von Wissen) stehen. Auch wäre eine Beratung der Lehramtsstudierenden vor dem Studienbeginn hilfreich.

Umsetzung einer Managementstrategie:

Bisher verfolgen die Einrichtungen nur selten eine entwickelte Managementstrategie. Die Einrichtungsleitungen sollten jedoch sachbezogen eine Priorisierung der Aufgaben vornehmen und „smarten Zielen“ folgen (statt vager Ideen). Auch müssten inhaltliche Reformen in Angriff genommen werden, da eine bloße Strukturreform, die das Studium lediglich besser administriert, dem breiten Problemspektrum der Lehrerbildung nicht gerecht wird.

Reformulierung der Lehrerkompetenzen:

Die vielfältigen Kompetenzen, die zukünftige Lehrerinnen und Lehrer erwerben müssen, sollten realistisch re-formuliert werden: Was sollen und müssen Lehrkräfte können und inwieweit decken die Universitäten ihren Teil der Verantwortung ab? Für solche Fragen könnten die Schools und Zentren Forschungsmittel beantragen, aber auch (kontroverse) Debatten anregen.

Forschungsbedarf:

Im Bereich der Lehrerbildung sollte weitere Forschung durchgeführt werden. Im Anschluss an die durchgeführte explorative Studie würden sich verschiedene Folgestudien anbieten, zum Beispiel Interviews mit jungen Lehrerinnen und Lehrern zum Verhältnis von beruflichen Anforderungen und Studieninhalten, eine Analyse der tatsächlichen Lehrangebote oder eine Untersuchung zur Rolle der Fachdidaktiken.