Projektbericht

Weichen stellen – Chancen eröffnen

Thema

Innovation in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Herausgeberschaft

Myrle Dziak-Mahler/Astrid Krämer/Reiner Lehberger/Tatiana Matthiesen

Autoren/Autorinnen

zahlreiche Autorinnen und Autoren

Erscheinungsort

Münster/New York

Erscheinungsjahr

2019

Stiftungsengagement

ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

Literaturangabe

Myrle Dziak-Mahler/Astrid Krämer/Reiner Lehberger/Tatiana Matthiesen (Hrsg.): Weichen stellen – Chancen eröffnen. Studierende begleiten Viertklässler im Übergang zur weiterführenden Schule (Reihe LehrerInnenbildung gestalten, hrsg. v. Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln, Band 11). Münster/New York: Waxmann 2019.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland nach wie vor relativ groß ist: Zahlreiche internationale Schulleistungsstudien (PISA, IGLU, OECD) kamen zu dem Ergebnis, dass der sozioökonomische Hintergrund von Schülerinnen und Schüler in hohem Maße entscheidend für ihren Bildungserfolg ist. Der Zugang zu höheren Bildungskompetenzen und Bildungsabschlüssen sei für diese Kinder und Jugendlichen in Deutschland jedoch erschwert. Wichtige Gründe seien zum Beispiel eine familiäre oder eigene Migrationsbiografie oder das soziale Herkunftsmilieu. Besondere Bedeutung für einen ungleichen Bildungszugang habe die frühe und in einigen Bundesländern nach wie vor ausgeprägte äußere Differenzierung in der Sekundarstufe I. Der Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule werde dann oftmals zu einer Weichenstellung und zu einem Ort der Reproduktion sozialer Ungleichheiten.    

Vor diesem Hintergrund hat die ZEIT-Stiftung 2013 das Mentoring-Programm „WEICHENSTELLUNG für Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse“ gestartet, um zur Chancen- und Bildungsgerechtigkeit in Deutschland beizutragen. Das Programm zielt darauf, Schülerinnen und Schüler, die ausreichend Potenzial für einen höheren Schulabschluss mitbringen, aber nur geringe familiäre Ressourcen haben, durch Mentorinnen und Mentoren adäquat zu fördern. Grundannahme ist, dass für Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse im Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule wichtige Weichen gestellt werden. Dabei geht es im Programm um eine Art „doppeltes Lernen“: Zum einen werden die Kinder gezielt und individuell über einen Zeitraum von drei Jahren von Lehramtsstudierenden betreut und begleitet. Dabei sollen die Kinder auch Selbstvertrauen aufbauen und durch außerschulische Angebote am kulturellen Leben teilhaben. Zum anderen können die Studierenden praktische Erfahrungen sammeln und lernen, diese zu reflektieren. Damit können sie ihre Kompetenzen für die zukünftige berufliche Tätigkeit als Lehrerinnen und Lehrer erweitern.

Im Jahr 2018 bestand das Programm fünf Jahre, in denen es sich vom Pilotprojekt zu einer umfangreichen Bildungsinitiative bundesweit an mehreren Standorten entwickelt hat. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt 648 Menschen, 223 Mentorinnen und Mentoren und 109 Partnerschulen daran beteiligt. Das Programm wird mit Unterstützung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und weiterer Kooperationspartner durchgeführt und ist mittlerweile auch am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln sowie an der Pädagogischen Hochschule Weingarten verankert.

Diese Initiative wurde auch zur Grundlage für weitere Programmbausteine – wie „WEICHENSTELLUNG für Zuwandererkinder und –jugendliche“ sowie „WEICHENSTELLUNG für Ausbildung und Beruf“, die inzwischen ebenfalls an mehreren Standorten umgesetzt werden.

Das ursprüngliche Konzept des Programms wurde von Prof. Dr. Reiner Lehberger (Professor für Erziehungswissenschaft i.R. an der Universität Hamburg) entworfen, der die ZEIT-Stiftung seit dem Jahr 2000 in schulischen Bildungsprojekten berät und begleitet.

Die Publikation versammelt zahlreiche Beiträge, die aus unterschiedlicher Perspektive die Umsetzung des Programms „WEICHENSTELLUNG für Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse“ und die verschiedenen Wirkungsebenen an alle Standorten aufzeigen. Der Band ist zudem ein Beitrag zur Theorie-Praxis-Verzahnung in der bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Forschung und gibt anhand des Programms einen detaillierten Überblick über die Konzeption und die regional-spezifische Umsetzung. Neben theoretischen Überlegungen zum Themenfeld werden Begleitformate vorgestellt und Evaluationsergebnisse präsentiert.

Der Sammelband ist in der Reihe „LehrerInnenbildung gestalten“ erschienen, die vom Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln herausgegeben wird. Folgende Themenschwerpunkte sind enthalten:

  • Projektidee und Entstehung von WEICHENSTELLUNG
  • Verbesserung der Chancengerechtigkeit
  • Standort Köln: Innovation in den Praxisphasen
  • Standort Hamburg: Forschungsbasiertes Lernen
  • Standort Weingarten: Die Förderung von Selbstkonzept und Selbstregulation
  • Wirksamkeit von WEICHENSTELLUNG auf multiplen Ebenen    

Wichtige Ergebnisse

Erkenntnisse aus dem Programm WEICHENSTELLUNG

Aus Sicht der fördernden ZEIT-Stiftung zeigt das Programm deutlich, dass das gemeinsame Handeln von Universitäten, Schulen und Stiftungen sowohl im städtischen wie auch im ländlichen Raum sehr erfolgreich sein kann. WEICHENSTELLUNG wirke erfolgreich.

Als wichtige Erfolgsfaktoren werden benannt:

  • eine individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler über einen Zeitraum von drei Jahren,
  • die verlässliche Zusammenarbeit mit Partnerschulen,
  • eine vertrauensvolle und gut funktionierende Mentor-Mentee-Beziehung,
  • die intensive Begleitung und Qualifizierung der Mentorinnen und Mentoren,
  • eine langfristige Kooperation mit engagierten Kooperations- und Förderpartnern,
  • die gleichzeitige Verbesserung der kulturellen Teilhabe, da diese für (bildungsbenachteiligte) Kinder und Jugendliche von besonders großer Bedeutung ist.

Die verschiedenen Standorte verfolgen im Programm unterschiedliche Schwerpunkte:

  • Standort Köln: Das Programm ist in die Praxisphasen des Lehramtsstudiums eingebettet. Die Studierenden werden in einem umfassenden Begleitseminar über drei Jahre in ihrer täglichen Arbeit durch ein multiprofessionelles Team engmaschig begleitet. Eine wichtige Rolle bei der Begleitung der Mentorinnen und Mentoren hat das individuelle Coaching, aber auch die Portfolioarbeit, die eine Konstante in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Nordrhein-Westfalen ist. Diese wurde an die Anforderungen des Programms WEICHENSTELLUNG angepasst. Das Programm dient als Modellprojekt für die innovative Ausgestaltung von Praxisphasen, die Studierenden eine Profilbildung im Studium ermöglicht.
  • Standort Hamburg: Hier wird in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung das forschungsbasierte Lernen im Projekt in den Mittelpunkt gestellt. Es zeigt sich, dass die Verbindung von pädagogischer Praxis und universitärer Forschung gelingen kann, zum Beispiel im Kontext von Forschungswerkstätten, die die Universität Hamburg im Rahmen des Bachelor-Master-Studiums eingeführt hat, um Studierenden erste Zugänge und Erfahrungen mit empirischen Fragestellungen zu ermöglichen. Die Lehramtsstudierenden können in einer Forschungswerkstatt ihre pädagogischen Erfahrungen in der engen Begleitung der Mentees mit distanzierter Forschung verknüpfen. Auch zeigt sich, dass Supervision und Beratung als Professionalisierungselemente eine wichtige Rolle spielen und bei der Forschung über ein Kind sowohl eine multiperspektivische Annäherung sinnvoll ist als auch ein sensibler Umgang mit Erkenntnissen geboten ist.
  • Standort Weingarten: Hier richtet sich die Begleitung und Qualifizierung der Mentorinnen und Mentoren stark am Schwerpunkt Förderung von Selbstkonzept und Selbstregulation der Mentees aus. Die Entwicklung und Förderung des Selbstkonzepts und die Stärkung des Selbstwerts hat eine große Bedeutung, ebenfalls die Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Mentorinnen und Mentoren werden gezielt darauf vorbereitet, das Selbstkonzept und Selbstvertrauen der Kinder zu stärken, zum Beispiel durch Gespräche oder der Rückmelde-Methode der Bildungs- und Lerngeschichten, um auf diese Weise den Selbstwert und die intrinsische Motivation bei den Kindern gezielt zu fördern.

Zugriff

Kostenpflichtige Publikation