Handlungsempfehlungen

Zehn Punkte für bessere Bildungschancen

Thema

Bildungsgerechtigkeit

Herausgeberschaft

Vodafone Stiftung Deutschland

Erscheinungsort

Düsseldorf

Erscheinungsjahr

2017

Stiftungsengagement

Vodafone Stiftung Deutschland

Literaturangabe

Vodafone Stiftung Deutschland (Hrsg.): Zehn Punkte für bessere Bildungschancen. Düsseldorf 2017.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass Bildung angesichts des digitalen Wandels immer stärker zur entscheidenden Zukunftsressource der Gesellschaft wird. In Deutschland sind die Chancen auf Bildung jedoch immer noch stark vom sozio-ökonomischen Hintergrund im Elternhaus abhängig, was die Zukunftsperspektiven von vielen jungen Menschen stark einschränkt. Dieses Problem könnte sich künftig noch weiter verschärfen, da immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland leben, die von ihren Eltern nur begrenzt auf ihrem Bildungs- und Berufsweg unterstützt werden können, etwa weil sie vor Kurzem nach Deutschland geflohen oder eingewandert sind.

Die Autoren machen deutlich, dass dadurch die gegenwärtige soziale Spaltung in die Zukunft verlängert und vielleicht sogar vergrößert werden könnte. Damit verschlechterten sich auch die Aussichten der Wirtschaft, künftig genügend gut ausgebildete Fachkräfte zu finden, die aufgrund des demografischen Wandels bereits heute dringend gesucht werden. Es sei also nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch des Zusammenhalts der Gesellschaft und der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft, die Chancen auf individuelle Entfaltung, Bildung und sozialen Aufstieg in Deutschland zu verbessern.

Die Vodafone Stiftung Deutschland hat sich gemeinsam mit vielen Partnern aus Wissenschaft und Praxis in den vergangenen Jahren intensiv mit Fragen der Chancengerechtigkeit in der Bildung beschäftigt. Zu den Partnern aus Wissenschaft und Praxis gehören zivilgesellschaftliche Initiativen und Netzwerke, Hochschulen und Forschungsinstitute, Bundesministerien sowie weitere Stiftungen (Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung, Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie, Konrad-Adenauer-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Stiftung Mercator).

Die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit wurden in zehn Punkten zusammengefasst. Damit sollen verschiedene Teilaspekte eines komplexen Gesamtproblems in einem Bericht zusammengeführt werden. Bei jedem Punkt werden zuerst die zentralen Studienerkenntnisse dargestellt, anschließend die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis dargestellt.

Ziel ist es, einen Beitrag dazu leisten, die Chancen auf Bildung und sozialen Aufstieg in Deutschland zu verbessern und in diesem Sinne Empfehlungen an die Verantwortlichen in Politik und Praxis zu geben.

Wichtige Ergebnisse

Folgende zehn Punkte für bessere Bildungschancen wurden herausgearbeitet:

1. Eltern stärken

Es ist festzustellen, dass Eltern einen wichtigen Einfluss auf die Bildungschancen ihrer Kinder haben. Allerdings fühlten sich viele Eltern, insbesondere aus benachteiligten Verhältnissen sowie Eltern mit Migrationshintergrund, unsicher in der Frage, wie sie ihre Kinder auf ihrem Bildungsweg unterstützen können. Sie wünschten sich hierzu mehr Informations- und Beratungsangebote und vertrauten dabei – über alle sozialen Schichten hinweg – vor allem auf die Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb wäre es wichtig, familien- und bildungspolitischen Initiativen in dieser Hinsicht besser zu koordinieren.

2. Lehrerinnen und Lehrer besser fördern

Deutlich werde auch, dass viele Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Beruf das eigene Lernen als entscheidend betrachten, sich an ihren Schulen aber oft nicht genügend dabei unterstützt fühlen. Da angesichts des digitalen Wandels die Weiterbildungsanforderungen an Lehrkräfte jedoch nicht „nebenbei“ zu bewältigen sind, sollte ein größerer Teil ihrer Arbeitszeit explizit als Fortbildungs- und Lernzeit vorgesehen werden.

3. Schülerinnen und Schüler richtig motivieren

Der Lern-Erfolg hängt nicht nur von Strukturen des Bildungssystems ab, sondern auch von der Motivation der Schülerinnen und Schüler. Um diese zu steigern, könnten Lehrkräfte und Eltern verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse nutzen, die oft einfach und ohne Kostenaufwand umsetzbar sind. Beispielsweise könnten sie den Kindern und Jugendlichen eingefahrene Denkmuster bewusst machen, und durch die richtige Art des Feedbacks ein dynamisches Selbstbild befördern.

4. Ganztagsschulen qualitativ ausbauen

An zwei Dritteln der Schulen in Deutschland gibt es mittlerweile Ganztagsangebote. Dies berge viele neue pädagogische Potenziale. Allerdings würden die vorhandenen Möglichkeiten häufig nicht genutzt, was auch daran liege, dass es bundesweit keine vergleichbaren Qualitätskriterien gibt, an denen sich Schulen und Politik orientieren können. Deshalb sollte ein klarer Qualitätsrahmen entwickelt werden, der unter anderem folgende Aspekte umfasst: verbindliche Öffnungszeiten, multi-professionelle Teams sowie einen abgestimmten Rhythmus aus Arbeits- und Erholungsphasen. Zur Umsetzung bräuchten die Schulen größere organisatorische Gestaltungsfreiheit und Unterstützung sowie mehr Personal.

5. Ferien sinnvoll nutzen

Rund ein Viertel des gesamten Schuljahres verbringen die Schülerinnen und Schüler nicht im Unterricht, sondern in den Ferien. Viele Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen erhielten in dieser Zeit aber kaum geistige und soziale Anregungen. Für einen Teil der Ferienzeit brauche es deshalb mehr kostengünstige Angebote, in denen sie sich erholen können und zugleich – sinnvoll mit der Schule verknüpft – gefördert werden.

6. Stadtteile als Bildungsorte verstehen

Die Autoren stellen fest, dass die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen nicht nur von Elternhaus, Schule oder Internet beeinflusst werden, sondern auch vom Sozialraum, in dem sie täglich einen großen Teil ihrer Zeit verbringen. Um Städte und Stadtteile besser als Bildungs- und Integrationsraum zu erschließen, sollten Bildungssystem und Stadtplanung künftig noch enger zusammenarbeiten. So könnten zum Beispiel Schulen noch stärker im Quartier vernetzt oder Einkaufsstraßen, Plätze, Parks und Gewerbegebiete gezielt als Lernorte gestaltet werden.

7. Berufsorientierung praxisnäher gestalten

Die Berufsorientierung ist entscheidend für den weiteren Bildungsweg und auch für die Lern-Motivation in den letzten Schuljahren. Doch fast alle Schülerinnen und Schüler – insbesondere diejenigen aus benachteiligten Verhältnissen – haben hier große Schwierigkeiten und wünschen sich mehr praxisnahe Orientierungsangebote, die künftig noch stärker im Verbund mit Arbeitgebern bereitgestellt werden sollten.

8. Ausbildungsabbrüchen vorbeugen

Fast ein Viertel aller beruflichen Ausbildungsverträge wird jedes Jahr vorzeitig gelöst. Ein häufiger Grund ist mangelhafte innerbetriebliche Kommunikation. Um dem vorzubeugen, brauche es unter anderem mehr externe Beratungsmöglichkeiten für die Azubis wie auch für die Ausbilder gerade in den kleineren Betrieben.

9. Lebenslanges Lernen ermöglichen

Aufgrund des digitalen Wandels wird es künftig noch stärker darauf ankommen, dass sich die Beschäftigten in allen Lebensphasen kontinuierlich weiterqualifizieren. Dies erfordere jedoch auch von Betrieben, mehr Fortbildungsangebote bereitzustellen, die arbeitsplatznah und auf die unterschiedlichen Lern-Stile von Erwachsenen abgestimmt sind. Führungskräfte wiederum sollten sich stärker als Lern-Coaches für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen.

10. Freiwillige Helfende mobilisieren und unterstützen

Die steigende gesellschaftliche Heterogenität in Deutschland stellt das Bildungssystem vor neue und komplexe Herausforderungen. Ehrenamtliche Helfende leisten hier wichtige Unterstützung, zum Beispiel im Rahmen von Mentoring und Lesepatenschaften. Um ihren Einsatz so effektiv wie möglich zu gestalten, bedürfe es in Kommunen und Bildungseinrichtungen einer zentralen Koordination, gezielten Schulungen und kontinuierlicher Betreuung sowie einer ausgeprägten Danksagungs- und Wertschätzungskultur für Freiwillige.